Plagiatschutz Technischer Schutz vor Produktpiraterie verharrt noch in der Nische
Die meisten Unternehmen setzen noch überwiegend auf Ad-hoc-Maßnahmen, um gegen Produktpiraterie und Wirtschaftsspionage vorzugehen und ihr Know-how vor geistigem Diebstahl zu schützen. Dabei kann der technische Plagiatschutz durchaus einen Beitrag zur umfassenden Absicherung leisten.
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Das Phänomen der Produktpiraterie ist erst so richtig ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gedrungen, seitdem bekannt ist, dass Raubkopien auch Leib und Leben der Verbraucher gefährden können. Dies geschieht etwa durch Textilien, die mit Farben behandelt sind, die Hautkrebs hervorrufen. Kaum besser steht der ahnungslose Konsument da, wenn er technische Geräte benutzt, die alles andere als sicher sind.
Staat muss mehr über Produktpiraterie aufklären
Kaum abzuschätzen ist auch das Gefahrenpotenzial, wenn Menschen falsche oder unwirksame Medikamente einnehmen. Daher genießt gerade in der Pharmaindustrie das Thema Plagiatschutz hohe Priorität, insbesondere bei Exportprodukten. „Der Staat müsste in diesem Bereich aber noch viel mehr Aufklärungsarbeit leisten“, bilanziert Karl-Heinz Walther, verantwortlich für Spezialanwendungen bei der Heidelberger Druckmaschinen AG.
Es gibt zahlreiche Unternehmen, die die Zeichen der Zeit erkannt haben. So setzt der deutsche Global Player Heidelberger Druckmaschinen in sensiblen Zonen bereits unmittelbar in der Produktentwicklung an, um das geistige Eigentum vor Produktpiraterie zu schützen. „Wir entwickeln Möglichkeiten, sowohl die Verpackung als auch das Produkt selbst mit Security-Elementen zu versehen“, erläutert Walther.
Codes auf Verpackung und dem Produkt überprüfbar
Dies geschehe zum Beispiel mit Hilfe eines Datamatrix-Codes auf der Verpackung und einem 2D-Code auf dem jeweiligen Produkt. Technisch gesehen handelt es sich um ein System zur mobilen Produktverfolgung, ein so genanntes „Trace Track Monitor or Mobile System“ (TTM-System). „Die beiden Codes werden per Handy abfotografiert und ergeben einen Code, der dann per Internet geprüft und bestätigt wird“, erläutert der Experte.
Auch mit der so genannten „Concealed Image Technology“ gehören die Heidelberger Druckmaschinen zu den Vorreitern. Dabei handelt es sich um ein einfach zu erstellendes Sicherheitselement, das auch in der Banknotenherstellung bereits Anwendung findet. „In Verbindung mit dem passenden Decoder gilt es als ein nahezu fälschungssicheres Schlüssel-Schloss-Prinzip“, erklärt Walther.
Verpackungshersteller macht Faltschachteln fälschungssicher
Die Papierwerke Landshut Mittler (PLM) gehören zu den führenden Verpackungsherstellern in Deutschland und produzieren zu rund 80% für die Pharmaindustrie. Gemeinsam mit diesem Unternehmen erarbeitete die Heidelberger Druckmaschinen AG eine Faltschachtel, die insgesamt zehn fälschungssichere „Geheimnisse“ aufweist.
Gedruckt wurde die Faltschachtel auf einer Speedmaster CD 102. Durch spezifische Druckverfahren, Prägung und Veränderungen am Stanzwerkzeug sowie Spezialfarben und -lacke können die Papierwerke unterschiedlichste Merkmale wie Mikroschrift, Hologrammprägung oder „Coin Reactive Ink“ auf der Faltschachtel anbringen.
Erstmals zum Einsatz kommt dabei das von Heidelberg zusammen mit Saueressig Security International (SSI) verbesserte Verfahren der Concealed Image Technology (CIT), das versteckte Bilder druckt. Mit einer speziellen Software werden in der Vorstufe gezielt Moiré-Effekte auf der Cyan- oder Magenta-Platte erzeugt. Auf einer bedruckten Faltschachtel bleiben diese für das menschliche Auge gänzlich unsichtbar.
Versteckte Bilder für Produktpiraten unsichtbar
Sichtbar werden die versteckten Bilder erst durch Verwendung eines in der Frequenz angepassten Decoders, beispielsweise in Form und Größe einer Scheckkarte. Diese Plastikkarte ist eine optische Linse, die unter dem richtigen Winkel und mit der richtigen Rasteranzahl das Bild sichtbar macht und damit den Moiré-Effekt positiv nutzt.
Bereits Ende letzten Jahres gab Heidelberg gemeinsam mit dem Unternehmen SSI eine Kooperation bekannt, um den Schutz vor Markenpiraterie voranzutreiben. Der erste Schritt besteht im Druck von versteckten Bildern. Jeder Kunde soll über ein eigenes, individuelles Raster verfügen. Verwirrt werden sollen potenzielle Fälscher zudem durch mehrere und teils unterschiedliche Raster, die ein verstecktes Bild überlagern können. Sukzessive lässt sich so der Grad an IT-Sicherheit erhöhen.
Gedruckte und geprägte Sicherheitselemtente schützen vor Produktpiraten
Als nächster Schritt ist das Nebeneinander von geprägten und versteckten Bildern geplant. Diese werden mit einem Prägezylinder auf bereits gedrucktem Material wie Papier, Pappe oder Plastik geprägt. Das Ergebnis ist eine sichtbare Prägung, die unsichtbare Informationen trägt, die wiederum mit einem entsprechenden Decoder sichtbar gemacht werden können. „Eine Kombination mit gedruckten und geprägten Sicherheitselementen erhöht den Markenschutz um ein Vielfaches“, bilanziert Walther.
Trotz derartiger neuer Lösungsansätze haftet dem Plagiatschutz aber immer noch das Image an, im Kampf gegen die Produktpiraten nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein zu sein. Denn gefälscht wird heutzutage alles: Kosmetik, Luxusgüter, Medikamente und selbst Autoersatzteile. Allein in der Informationstechnik stammt nach Angaben der Business Software Alliance (BSA) so gut wie jedes zehnte Softwareprodukt aus den Händen von Raubkopierern.
Um wirkungsvolle Abhilfe zu schaffen, gilt es nach Auffassung von Sicherheitsexperten, technische Maßnahmen mit organisatorischen Vorgaben zu kombinieren. „Bei echten Security-Anwendungen müssen ein sicherer und passender Workflow und eine geeignete Datenbank aufgebaut werden“, gibt Karl-Heinz Walther zu bedenken. In rechtlicher Hinsicht gelte es außerdem, darauf zu achten, dass dadurch keine Patentverletzung erfolge.
Technische Lösungen sind längst erprobt
Aus technischer Sicht gibt es eine Vielzahl von Elementen, die von DNA-Prüfung über Hidden Image bis hin zu hologramm-ähnlichen Flüssigkristall-Systemen reichen. Der Forschungsbericht „Plagiatschutz – Handlungsspielräume der produzierenden Industrie gegen Produktpiraterie“ zeigt neue Wege und Methoden auf.
Das Spektrum der Lösungen könnte etwa eine „Black Box“ bereichern, die mechanische und elektronische Bauteile untrennbar integriert. Oder ein Verfahren, bei dem sich Bauteile mit Hilfe der IT gegenseitig identifizieren. Auch direkt auf den Bauteilen integrierte RFID-Chips sind ein Ansatz. In Betracht kommen zudem spezifische Authentifizierungssysteme für alle am Entwicklungs- und Produktionsprozess beteiligten Partner und Personen, inklusive Tracking- und Tracing-Verfahren.
Plagiatschutz noch nicht in der Produktentwicklung angekommen
Bis aber der unmittelbar in die Produktentwicklung integrierte Plagiatschutz mit Hilfe von eingebetteter Software greifbar wird, etwa mit fälschungssicheren Chips und Bauteilen, ist es nach Auffassung von Experten noch ein weiter Weg. Aufgrund des fehlenden Königswegs gilt es deshalb nach Angaben des Forschungsberichtes zur Produktpiraterie, das Phänomen mit pragmatischen Ansätzen zu bekämpfen, die unmittelbar in den ersten Wertschöpfungsstufen ansetzen.
Denn bereits auf Ersatzteilebene könnten Manipulationen zum kompletten Ausfall von Systemen führen. Deshalb sind gemeinsame Aktivitäten aller Partner entlang der kompletten Beschaffungs- und Transportlogistik gefragt. Darüber hinaus gilt es auch, die unternehmenseigene IT-Sicherheit proaktiv auszurichten. Alle relevanten Informationswege, Netzwerkkanäle und Endgeräte sind einzubeziehen.
Produktpiraten greifen auch Kommunikationsnetzwerke an
Insbesondere die Kommunikation über offene und ungeschützte Netzwerke ist anfällig für Angriffe von innen wie von außen. Verschlüsselung und kryptografische Protokolle sind ein Muss. Aber auch eindeutig geregelte Zugriffsrechte auf sensible Dokumente wie Produktbeschreibungen und Zeichnungen gehören zum Pflichtprogramm.
Einen zusätzlichen strategischen Baustein stellen nicht nur hard- und softwareseitige Schutzmaßnahmen dar, sondern auch ein umfassendes Schwachstellen-Konzept (Leakage Management). Dieses wiederum muss mit Blick auf die jeweilige Innovationsstrategie und das damit verbundene Lebenszyklus-Management an einen betriebswirtschaftlichen Rahmen angepasst werden.
Aus seinem Erfahrungsschatz heraus empfiehlt Karl-Heinz Walther von den Heidelberger Druckmaschinen, technische Maßnahmen zum Plagiatschutz nicht zu eng zu fassen und das Thema dementsprechend als strategisches Mittel in die Budgetplanung einfließen zu lassen. „Viele Firmen und Markeninhaber sind der Meinung, dass sie für ihre Produkte mehr Sicherheit benötigen oder zumindest haben sollten. Sie sind aber nicht oder noch nicht bereit, dafür mehr Geld in die Hand zu nehmen.“
Käufern fehlt kritische Einstellung zu Plagiaten
Offenbar sei der Schaden für die Unternehmen noch nicht groß genug, gibt der Experte zu bedenken. Hinzu komme, dass einige Unternehmen insbesondere aus dem Pharma-, Tabak- oder Alkohol-Bereich verschiedenste Sicherheitselemente verwenden, aber aus verständlichen Gründen über ihre positiven Erfahrungen und Lösungsansätze nicht gerne sprechen.
Gerade in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit müsste sich nach Auffassung von Karl-Heinz Walther in Deutschland künftig noch einiges tun, damit es gelingt, eine Schutzmauer um die Unternehmen und die eigene Wirtschaft zu ziehen: „Das Bewusstsein müsste sich auch bei den Abnehmern ändern, damit sie erkennen, dass sie eigene Arbeitsplätze gefährden, wenn sie gefälschte Produkte kaufen.“ MM
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