125 Jahre Zerspanungstechnik Vom Faustkeil bis zur smarten Werkzeugmaschine
Hart formt weich Man kann heute nur ahnen, wann der Mensch erkannte, dass sich Holz, Knochen oder Stein mit härteren und/oder schweren Gegenständen und Muskelkraft nutzbringend verändern lassen. Hier ist ein Einblick in das, was dadurch ausgelöst wurde.
Anbieter zum Thema

Veränderungen bestimmen unser Leben. Und der Mensch verändert seit grauer Vorzeit seine Umwelt, sodass er bei der Jagd oder im Kampf einen Vorteil hat. Auch Gebrauchsgegenstände wurden stetig optimiert, um nützlichere Dinge zu schaffen, als sie die Natur liefert.Kenner der Prähistorie vermuten, dass Bohren und Schaben die ersten Zerspanungsprozesse waren, die der Mensch genutzt hat. Erste Steinwerkzeuge wurden in Ostafrika gefunden, und sollen gut 1 Mio. Jahre alt sein. Nach neueren Erkenntnissen hat der Mensch zu dieser Zeit auch bereits das Feuer beherrscht. Um 80.000 v. Chr. wurde im Rahmen der Faustkeilkultur (Es gab auch sogenannte Abschlag- und Klingenkulturen) aus dem Universalwerkzeug Faustkeil vielleicht die Steinaxt mit Stiel, die über dessen Hebelwirkung mehr Kraft ins Geschehen brachte, um schneller, kraftschonender und präziser arbeiten zu können. Und etwa 4000 v. Chr. bohrte man in der Mittelsteinzeit schon mit dem Fiedelbohrer.
Dauerbrenner Feile
Leicht kann man sich vorstellen, dass aus dem Feuersteinschaber im Laufe der Jahrhunderte die Feile hervorgegangen ist. Dann lernte der Mensch den Umgang mit Metallen dazu. Das Spiel mit dem Feuer hatte er ja schon im Griff. Er baute erst mit Bronze in der Antike, dann auch mit Eisen zur Zeit der Römer. Und schon relativ früh gab es Werkstoffexperten, die das Härten von Metall oder das Legieren beherrschten. Feilen fertigte man schließlich aus Metall, das nach dem sogenannten Hauen der Riefen beim Feilenhauer noch gehärtet werden konnte. Nun war man in der Lage andere Metalle samt Eisen, nicht nur zu schmieden oder zu gießen sondern noch präziser und feiner spanend nachzubearbeiten.
Außer der Säge, blieb die Feile jahrhundertelang das wichtigste muskelkraftbewegte Zerspanungswerkzeug für Metalle, sieht man vom wasserkraftbewegten Schleifstein ab dem 15. Jahrhundert einmal ab. Im 16. Jahrhundert erfand man in Nürnberg außerdem den hölzernen Schraubstock, mit dem sich bekanntlich wesentlich genauer arbeiten lässt als mit anderen damals üblichen Spannsystemen oder gar durch halten des Werkstücks mit der Hand. Diesem folgte noch im selben Jahrhundert der eiserne Schraubstock mit zweiter Backe.
Einst waren Schlosser gemachte Männer
In dieser Zeit wurden auch Drehbänke mit Wippe und sowohl die Waagrecht- als auch Senkrechtbohrmaschine mit fuß- oder handbetriebenem Schwungrad aus der Taufe gehoben. Der Schlosser mutierte zum Zerspanungskönner, in dessen Hand die Feile ihre beste Wirkung entfaltete. Zwar gab es im 18. Jahrhundert bereits Manufakturen, wie Gewehrfabriken, die zur Serienfertigung von Metallteilen in der Lage waren und zum Teil die Dampfkraft nutzten, doch die Sache mit der Feile in der Hand änderte sich wahrscheinlich erst als der Engländer Richard Roberts 1817 die erste handbetriebene Hobelmaschine mit Kettenantrieb vorstellte. Und das hat sich gelohnt: Wie es heißt, kostete das händische Hobeln von Metall im Jahre 1850 pro Quadratmeter etwa 20 Mark. Die Hobelmaschine ließ den Preis auf rund 9 Pfennig rutschen und machte damit auch das Endprodukt günstiger. Ein Ziel, das nicht nur der Werkzeugmaschinenbau noch heute verfolgt, um beim Anwender den Investitionswunsch in neue Fertigungssysteme zu wecken.
Die Geburt des echten Fräsens
Das Fräsen aber, parallel zum Drehen einer der wichtigsten Zerspanungsprozesse überhaupt, ging als maschinengewordene Bearbeitungsmöglichkeit in Form einer Horizontalfräsmaschine 1818 aus den USA an den Start. Zwei Jahre später gab es die ersten Wendelbohrer zur Metallverarbeitung und 1829 fand die Geburt der Mikrometerschraube durch Henry Maudslay statt. Etwas später kam man auf die Idee Kaliber- und Ringlehren zu verwenden, die Withworth ersonnen hat. Und 1861 hat das Unternehmen Brown&Sharpe die erste Universalfräsmaschine präsentiert. Zeitgleich gab es erste richtige Fräser, denn bis dato verwendete man quasi feilenartige Werkzeuge für die flächige Werkstückbearbeitung. Zehn Jahre später bringt das gleiche Unternehmen das erste System zum Schärfen von Fräswerkzeugen auf den Markt. Parallel machte die Metallurgie in Sachen Stahl- und Eisenerzeugung sowie beim Gießen große Fortschritte. Und die Drehmaschine hat aufgrund einer weiteren Idee von Maudslay eine Zugspindel verpasst bekommen, die das Drehen von Hand überflüssig und wesentlich präziser macht – eine wichtige Voraussetzung für die Herstellung exakt runder Kolben, Stangen und Rohren für die aufkeimende Motorisierung der Welt.
Das Aus für die Muskelkraft
Die Fräsmaschine, Messmittel, harte Werkzeuge mit Wolframanteil, Spannsysteme für Werkstück und Fräser, das metallurgische Know-how, um stabilere Maschinen zu bauen, waren also Mitte des 19. Jahrhunderts vorhanden und entwickelten sich rapide weiter. Allein, es wurde der Ruf nach einer neuen Antriebskraft laut. Denn die relativ unzuverlässige Wasser- oder Windkraft oder die zeitlich und niveaumäßig begrenzte Muskelkraft von Mensch und Tier reichten nicht mehr aus, um mit dem Vorhandenen auch präzise und nicht zuletzt günstigere Metallbauteile zu fertigen.
Globaler Maschinenbaugalopp
Dank James Watt, wurde zwar schon viel Dampf gemacht und auch Maschinen damit unabhängig über lederne Transmissionsriemen betrieben, doch war die Dampfmaschine nach Ansicht einiger Technikhistoriker nicht allein der Grund für die industrielle Revolution in dieser Epoche. Auch die Werkzeugmaschinen an sich hätten einen großen Anteil daran. Denn ohne eine stetig steigende Präzision bei der Fertigung von Maschinenbauteilen und dabei sich erweiternden Machbarkeitsgrenzen bei der Bearbeitung von neuen Metalllegierungen, wäre der Dampfmaschine irgendwann die Puste ausgegangen. Denn ihre Effizienz hätte sich an einem bestimmten Punkt nicht weiter steigern lassen, wenn sich nicht auch die Werkzeugmaschinen verbessert hätten, so die Meinung der Experten. Hinzu kam nach Aussage vieler Kenner der Maschinenbauentwicklung der mechanische Webstuhl plus Dampfmaschine als Antrieb, sowie schließlich die Einteilung der damals existierenden Maschinen in Kraft-, Arbeits- und Werkzeugmaschinen, die gegenseitig für Verbesserungen sorgten.
Bremsklotz Zunftwesen hat ausgedient
Zumindest in England, den USA und Frankreich kam es zu einem rasanten Maschinenbauboom. Deutschland hinkte aufgrund der Kleinstaaterei mit Zöllen und dem begrenzten Zugang zum maritimen Welthandel hinterher.
Auch die biedermeiersche „Bescheidenheit“ der Kleinbürger sowie das starre Zunftwesen in Deutschland, heißt es, haben den industriellen Wandel zunächst gehemmt. Erst die preußischen Reformen um 1807 und 1811 sowie die Aufhebung des Zunftwesens in Kombination mit der rechtlich abgesicherten Gewerbefreiheit, führten allmählich zum Umdenken und zu mehr Selbstbewusstsein. Hinzu kamen Visionäre, wie der Göttinger Philosoph und Ökonom Johann Beckmann, den man zu Recht als Begründer der wissenschaftlichen Disziplin „Technologie“ bezeichnen kann. Durch seine Lehrbücher und Vorlesungen trat der zwingende Gehorsam gegenüber den Meistern der Zünfte allmählich zurück und der freie Erfindergeist bekam auch hierzulande die Chance sich zu entfalten – bis heute. Borsig in Berlin, Klett in Nürnberg und Hagen&Baehren in Köln gehörten zu den einflussreichsten Maschinenbauern dieser Zeit. Dazu muss man jedoch anmerken, dass einige deutsche Staaten, insbesondere Preußen, die Unternehmen auch finanziell unterstützten. Unternehmen wie Friedrich Deckel in München oder Alfred A. Schütte in Köln-Deutz gesellten sich alsbald zur neuen deutschen Maschinenbauerwelt.
Deutschland mausert sich
Die Zeit des Aufbruchs war überall zu spüren. Wissenschaftler wie Conrad Röntgen, Marie Curie und Albert Einstein stießen Tore auf, die neuen Technologien den Eintritt in unsere Welt ermöglichten, welche sich auch auf den Maschinenbau auswirken sollten. Parallel verdrängte der elektrische Antrieb allmählich die Dampfmaschine und der Schnellarbeitsstahl war ein materialtechnisches Highlight der Pariser Weltausstellung im Jahre 1900. Doch seine Bearbeitung gelang nur mit höheren Drehzahlen. Speziell die Elektrifizierung bahnte sich auch deshalb rasch den Weg in die industrielle Welt. Zunächst wurden Maschinen, wie bei der Dampfmaschine üblich, zentral und über Transmissionsriemen damit betrieben, bis der elektrische Einzelmotor aufkam. Sein Einsatz an jeder einzelnen Maschine sparte der Industrie damals rund 50 % der Energie, die zuvor durch Reibung der Riemen bei der Transmission ungenutzt als Wärme verpuffte. Damit gelang nun auch die präzise Metallbearbeitung mit Werkzeugen aus Schnellarbeitsstahl. Die Hauptzeitverkürzung, statt wie heute meist die Nebenzeitverkürzung, stand damals im Fokus der Werkzeugmaschinenentwicklung. 1901 hat es deshalb sogar ein Wettdrehen gegeben, um herauszufinden, welcher Schneidstahl der Beste ist. Allerdings führten die erhöhten Vorschübe und Drehzahlen, die mit dem Schnellarbeitsstahl möglich waren, auch dazu, dass selbst die als ideal bezeichneten Werkzeugmaschinen von Loewe nach vier Wochen verschlissen waren: Zahnräder brachen, Wellen und Lager wurden zerstört.
Maschinen sind zu schwachbrüstig...
Die zuvor geschilderten Innovationen führten dazu, dass sich die Maschinenbauer die Gesamtkonstruktion näher anschauen mussten, um die künftigen System stabiler zu machen. Stahlräder ersetzten deshalb die bisherigen Typen aus Stahlguss oder Eisen. Lagersysteme und Spindeln wurden verstärkt. Öl als Schmierstoff verdrängte das bisher genutzte Fett, was soweit gedieh, dass man die Maschinengetriebe irgendwann in ein Ölbad platzierte. Die Maschinen wurden also leistungsfähiger und damit produktiver. Eine Voraussetzung für die kommende Massenproduktion im 20. Jahrhundert. Gleichzeitig dachte man über neue Arten der Betriebsführung nach und musste rationalisieren, um günstiger zerspanen zu können. Der Taylorismus kam in den USA auf und mit ihm das Fließband und die Akkordarbeit.
Deutschland setzt auf Spezialsysteme
In Deutschland meisterte man die nötige Rationalisierung durch Spezialisierung der Maschinen. Universaldrehmaschinen etwa, wurden nicht mehr für alle Arbeiten, wie Schruppen, Schlichten, Bohren, Polieren und Gewindeschneiden verwendet, sondern es kristallisierten sich an die Anwendung spezifisch angepasste Bearbeitungssysteme heraus, um die Kapazität an anderen Fertigungsanlagen zu erhöhen und damit unwirtschaftliche Unter- oder schädliche Überbelastungen zu vermeiden. Aus der Universaldrehbank leitete man die Revolverdrehbank, die Bolzendrehbank, die Abstechmaschinen sowie die Schrupp- und Zugdrehbank ab. Letztere diente etwa zur Herstellung aller einfachen zylindrischen Bauteile. Für die Wellenbearbeitung setzte man die Schruppdrehbank ein und der Universaldrehbank blieb die Fertigung von präzisen Gewinden, Spitzen- und Futterarbeiten sowie von Spezialteile vorbehalten, die die Belastungen beim Schruppen nicht aushielten. Auch Mehrspindel-Drehautomaten gab es, die die Bearbeitungsfolge am Werkstück auf mehrere Arbeitsstationen verteilen konnte. Die damalige Gildemeister & Comp. Aktiengesellschaft aus Bielefeld entwickelte 1901 etwa einen Mehrspindler, bei dem die Werkzeuge für die einseitige Drehbearbeitung umlaufen konnten. Etwas mehr als 10 Jahre später ergänzte das Unternehmen das Portfolio durch Maschinen mit umlaufendem Werkstück.
Fräsen mit ergonomischen Vorteilen
Im Hinblick auf die Universalfräsmaschine lief die Entwicklung ähnlich. Automatische Kegelräder-Drehmaschinen, die Vertikalfräsmaschine, Spiralbohrer-Fräs- und Hinterfräsmaschinen wurden vorgestellt, sowie die Schneckenfräsmaschine, die horizontale Universalfräsmaschine und diverse Planfrässysteme. Nicht selten wurden diese zerspanungstechnischen Sonderlinge mit Preisen ausgezeichnet. Die Lang- und Vertikalfräsmaschine von J. E. Reinecker konnte man damals schon relativ bequem bedienen. Denn mit der Hand konnte sowohl die Spindel- als auch die Vorschubgeschwindigkeit über Schieberäder reguliert werden. Die Wanderer-Werke wurden für die Idee geehrt, dass sie ihre Werkzeugmaschinen mit Stufenräderantrieben ausstatteten, die sie für den Elektromotor- oder den Einzelscheibenantrieb vorbereiteten, weil die Antriebswelle stets eine konstante Geschwindigkeit hatte.
Rationalisierung markiert die Kriegszeit
Der deutsche Maschinenbau hatte mit seinen Ideen auch in Europa Erfolg. Gleichzeitig erhöhten sich die Nachfrage und der Exportanteil von Werkzeugmaschinen, der 1913 bei rund 30 % lag. Bis zum Ersten Weltkrieg vergrößerte sich auch die Zahl der Unternehmen. Die Index-Werke beispielsweise gehörten dazu. Und 1910 gab es bereits 35 Aktiengesellschaften, die je auf ein Kapital von über 70 Mio. Reichsmark zugreifen konnten (Das sind umgerechnet rund 275 Mio. Euro). Mit dem Krieg musste zwangsläufig wieder rationalisiert werden, um die Materialeffizienz zu erhöhen und die Arbeitskräfte besser einzusetzen. Das führte dazu, dass noch weitere Spezialmaschinen gebaut wurden, sogenannte Einzweckmaschinen, deren Bedienung sehr schnell gelernt werden konnte. Es wurde vereinheitlicht und genormt, was letztlich zum Fortschritt gereicht hat, wenn man Deutschlands Maschinenbau mit dem anderer Länder vergleicht, die dem Druck nicht ausgesetzt waren. Das wirkte sich auf den Maschinenbau insoweit aus, dass man die Anlagen aus möglichst wenigen unterschiedlichen Einzelteilen aufbaute. Eine Art frühes Modulsystem entstand also schon damals. 1920 fand die erste technische Messe in Leipzig statt, damals mit Frankfurt am Main, die führende Messestadt in Europa. Angeregt wurde das Event durch den Verein Deutscher Werkzeugmaschinen VDW. Allerdings gab es noch kein zusammenhängendes Messegelände, sondern die Aussteller verteilten sich auf sogenannte feste Messepaläste in der Stadt.
Maschinenleistungs-Schneidstoff-Ping-Pong
Als Rationalisierung kann man dabei auch die stetige Steigerung der Maschinenperformance betrachten, die sich nach dem Krieg fortsetzte. Ein anderes Wettrüsten setzte im Zuge dessen ein, nämlich das zwischen der Leistungsfähigkeit der Zerspanungsmaschinen und der Schneidstoffe. Zu erwähnen sei hier das Sinterhartmetall „Widia“, das bei Osram 1926 entwickelt wurde. Eine weitere Kürzung der Hauptzeiten ließ sich so machen, aber nun musste man wieder am Maschinenkonzept heran, um das Potenzial des neuen Schneidstoffs voll ausschöpfen zu können. Gehärtete und geschliffene Getriebekomponenten waren eine Lösung dafür, Gleitflächen mussten geschmiert werden, was zur Einführung der Zentralschmierung mit unter Druck gesetztem Öl veranlasste. Der elektrische Einzelantrieb setzte sich in Deutschland bis 1930 nun flächendeckend durch. Aufgrund der verbesserten Zerspanungsleistung mit Widia entwickelte sich mit entsprechenden Maschinen, wie etwa der Riesen-Karusseldrehbank von Schiess auch die Großteilebearbeitung für Turbinen und Schiffsantriebe.
Der Baukasten und der Leichtbau kommen
Für die produktive Massenfertigung setzte man ab Ende der 1930er Jahre zwar wieder verstärkt auf Universalmaschinen, achtete aber darauf, dass man Sondersysteme aus einer Baukastenbasis fertigen konnte, die die Universalmaschinen zur Verfügung stellten. Und man glaubt es kaum, es spielte damals schon der maschinelle Leichtbau eine immer größer werdende Rolle. Freilich nicht mit Komponenten aus carbonfaserverstärkten Kunststoffen, jedoch gelang es, belastbare und dennoch leichtere Fertigungssysteme durch eine ausgeklügelte Zellenbauweise mit Stahlschweißkonstruktionen zu erreichen. Für dynamische Steifigkeit sorgte außerdem der Gussleichtbau. Dann gab es wieder Krieg, doch in maschinenbaulicher Hinsicht entwickelte man aus ähnlichen Gründen wie während des Ersten Weltkriegs fleißig weiter.
Erste Steuerungen greifen ins Geschehen ein
In der Literatur wird für diese Zeit angegeben, dass wichtige Verbesserungen bei den Maschinen neue Steuerungssysteme waren, die das Nachformen relativ komplexer Konturen mit Schablonen ermöglichten. Maschinen mit Leitlinealen oder Typen, die ein Modell mit Fühlern abtasten konnten, um die Kontur aufs Werkstück zu übertragen, gab es bereits. Aber der Nube-Kopierfräsautomat war ein Neuling, der von AEG mit der sogenannten Eltas-Steuerung ausgerüstet wurde. Elektronik und Maschinenbau gingen von da an unweigerlich Hand in Hand, mit revolutionären Schritten für die Entwicklung künftiger Maschinen. Die Fühlergesteuerten Anlagen übernahmen die Aufgaben von Facharbeitern bei der Massenfertigung und sie gaben den Impuls zur Automatisierung. Bis Kriegsende hießen die Ziele Automatisierung, leichtere Bedienbarkeit und Einsatz elektrischer Steuerungen. Das hat sich bekanntlich seitdem gar nicht so sehr geändert.
Nachkriegsaufwind pusht auch den Maschinenbau
Nach dem Zweiten Weltkrieg ging es in der Bundesrepublik dann doch schneller wieder aufwärts als von vielen erwartet. Dieser Aufwind beflügelte auch den Maschinenbau. Viele sehen die 50er Jahre außerdem als Übergangsphase von der automatisierten Werkzeugmaschine hin zu automatisierten Fertigungsprozessen.
Als wichtigen Schritt für diesen Umbruch wird das Fließprinzip genannt, bei dem aus einzelnen Produktions- und Transportsystemen quasi die heute bekannte Wertschöpfungskette mit zeitlich aufeinander abgestimmten Arbeitsabfolgen geschmiedet wurde – vom Lager bis zur Auslieferung. Die Zerspanungsmaschinen setzten sich außerdem immer stärker aus Standardelementen zusammen, um noch günstiger bauen zu können. So entwickelten sich auch die Transferstraßen in der Fertigung. Bis Mitte der 60ger Jahre herrschte dabei die sogenannte starre Verkettung vor, bei der der Produktionstakt den Ton angab, der durch den am längsten dauernden Step in der Fertigungskette bestimmt wurde. Ein Nachteil dieser Philosophie war der Stillstand der gesamten Abfolge, wenn nur ein System ausfiel. Vor allem die Automobilindustrie hatte großen Anteil an der Entwicklung der Fertigungsabläufe in dieser Zeit. Das Wichtigste in der Fließfertigung war ihre Steuerung. Weil Experimente mit analogen Steuerungssystemen, in denen etwa Frequenzverläufe als Töne für Steuerimpulse von Band abgespielt wurden, nicht so richtig funktionierten, leistete dieses Manko den Vorschub für die zahlenbasierte NC-Steuerung, die auch durch ihre Anwendungsflexibilität im wahrsten Sinne des Wortes punktete.
Die Zerspanung wird digital
Und im Lauf der Jahrzehnte konnten durch sich steigernde Rechnerleistungen auch immer mehr Punkte von Bahnverläufen bei der Zerspanung immer schneller berechnet und auf die Achsenbewegung der Werkzeugmaschinen übertragen werden. Die ersten Anlagen wurde mithilfe eines damals Digitalrechner genannten Computer gesteuert, in dem man die Bewegungsdaten in Lochkarten codierte, die dann direkt in die Maschine eingegeben werden konnten.
Die numerische Steuerung erlaubte einmal mehr, dass die Maschinen und ihre Möglichkeiten besser ausgenutzt werden konnten, einschließlich der Werkzeuge. Klar, dass man anschließend auch wieder die Maschinen dem neuen Leistungsniveau angepasst hat.
Weil konventionelle Werkzeugmaschinen damals aber wesentlich günstiger waren, die Lieferfristen für NC-Maschinen lang und der Programmieraufwand groß waren, dauerte die breite Einführung bis in die 60er Jahre, wobei die Typen aus deutscher Fertigung mit meist mit Lochstreifen bedient wurden. Die Datenübertragung per Magnetband wurde in England favorisiert. Waldrich Siegen gehörte dabei zu den ersten Herstellern einer NC-Maschine in Deutschland. Es handelte sich um die Walzenkalibrier-Drehmaschine Numeromat mit Bahnsteuerung, die AEG entwickelt hatte. Siemens hatte bereits eine Steuerung im Sortiment, die mit Lochstreifen oder per Handeingabe funktionierte. Siemens präsentierte 1970 ein NC-System, das damals 13 Werkzeugmaschinenhersteller bereits integriert hatten. 1976 brachte Siemens in Zusammenarbeit mit dem japanischen Unternehmen Fanuc den Mikroprozessor CNC Sinumerik 7 an den Start. Der Siegeszug der NC-gesteuerten Werkzeugmaschinen war aufgrund der deutlichen Vorteile nun nicht mehr aufzuhalten.
Das neue Niveau der Präzision
In Japan vollzog sich der nächste Optimierungsschritt für Werkzeugmaschinen, der durch die Entwicklung und Einführung des elektrischen und elektrohydraulischen Schrittmotors markiert wurde, wodurch die Steuerung der Positionierung der Maschinenachsen präziser werden konnte. Die Elektronik und damit auch Sensoren, die Mikroprozessoren, die Software wurden leistungsfähiger und kleiner. Es folgte der Schritt der Visualisierung der Maschinenabläufe per Bildschirm. Anfangs noch mit Röhrenbildschirmen in grün oder grau, gelingt die Datenübertragung heute per modernem Touchscreen in Farbe und man kann sogar vor der Bearbeitung feststellen, ob das Programm in Ordnung ist, oder ob es zu Kollisionen kommt.
Automation und Verfahrenskombination
Parallel dazu erkennt man einen Trend zur Verfahrenskombination mit Lasern und Additiver Fertigung. Bearbeitungszentren können heute drehen und fräsen, sie holen und setzen automatisch die Werkzeuge ein oder platzieren sie zurück in automatische Magazin mit zig Werkzeugen, sie prüfen den Zustand von Werkzeugen mit Lasern und werden von Robotern in diverser Art und Weise unterstützt, um produktiver zu sein. Man automatisiert sogar die Herstellung von Kleinserien und Einzelstücken, ein Trend, der vor wenigen Jahrzehnten noch als unwirtschaftlich betrachtet wurde.
Die Systeme werden kommunikativ und smart...
Schon heute muss man, um eine Maschine zu bedienen nicht unbedingt davor stehen. Cloud & Co machen das per Tablet-PC oder Smartphone möglich und die Bedienung erfolgt in nahezu jeder Sprache der Welt, wenn es sein muss. Viele Standardprozesse der Zerspanung sind als perfekte Abläufe im Datensatz der Steuerung enthalten. Und Mechanik, Elektronik inklusive Software ebnen im Zusammenspiel den Weg in die vernetzte Fabrik, in der alles automatisch ablaufen soll – mit minimalem Eingriff durch den Menschen. Die beteiligten Systeme, darunter auch die Werkzeugmaschinen und sogar die Produkte, sollen miteinander kommunizieren, um mithilfe der Künstlichen Intelligenz sich selbstständig zu optimieren. Diese Revolution, die nicht nur den Werkzeugmaschinenbau umgestaltet hat, wird Digitalisierung genannt, und sie ist bis heute nicht am Ende ihrer Möglichkeiten angelangt.
Bitte keine Innovationsphobie...
Es bleibt abzuwarten, ob sich der Mensch damit ein arbeitsfreies Paradies schafft, oder sich selbst abschafft. Zur allgemeinen Beruhigung sei erinnert, dass jede skeptisch betrachtete Umwälzung in der Industrie auch stets für neue Jobs gesorgt hat. Wie die heutigen smarten Werkzeugmaschinen, müssen die Menschen einfach flexibel sein und können sich im Gegensatz zur „intelligenten“ Technik vor allem auf ihre Kreativität verlassen, um sich den Umständen folgerichtig anzupassen. Das haben wir bereits mit der Erfindung und Nutzung des Faustkeils bewiesen, der den langen Weg bis zur smarten Werkzeugmaschine wahrscheinlich initiiert hat. MM
(ID:46027413)