Heiße Fehlerquelle Werkzeugdurchmesser beim Bohrenbeeinflusst den Wärmeeintrag
Im Bohrprozess wird die mechanische Leistung zu einem großen Anteil in thermische Energie umgewandelt. Ursächlich für diese Umwandlung ist die Umsetzung der Gesamtzerspanarbeit in
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Im Bohrprozess wird die mechanische Leistung zu einem großen Anteil in thermische Energie umgewandelt. Ursächlich für diese Umwandlung ist die Umsetzung der Gesamtzerspanarbeit in die Verformungs- und Reibarbeit, die zu einer Wärmeentwicklung im Bauteil führt [1]. Die in das Bauteil eingebrachte Wärme bewirkt Deformationen, die nur aufwändig abgeschätzt werden können. Wird an einem Werkstück eine Bearbeitungsfolge durchgeführt, so wird die in den Bohrprozess eingebrachte thermische Energie akkumuliert. Fertigungsungenauigkeiten durch Überschreiten der Form- und Maßtoleranzen sind die Folge [2]. Um die Auswirkungen des Bohrprozesses auf die Wärmeentwicklung ins Bauteil zu analysieren, ist die Kenntnis der signifikanten Einflussgrößen auf die Wärmeentwicklung von Bedeutung.
Am Beispiel der Bohrbearbeitung von Aluminium und Stahl werden die Auswirkungen auf die thermische Bauteilbelastung verdeutlicht. Für die experimentellen Untersuchungen wurde ein Versuchsaufbau realisiert, mit dem das instationäre Temperaturfeld in einem Werkstück sowie die auftretenden Kräfte und Momente erfasst werden können. Der Versuchsaufbau ist in Bild 1 dargestellt. Die Proben aus Stahl oder Aluminium werden in eine Probenaufnahme aus C 60 eingelassen. In dieser Aufnahme sind Thermoelemente sowohl in vertikaler (T 2 bis T 5) als auch horizontaler Richtung (T 4.1 bis T 4.4) eingebracht, die eine räumliche Erfassung des entstehenden Temperaturfeldes ermöglichen.
Die experimentellen Untersuchungen wurden auf einem Bearbeitungszentrum Chiron FZ 12 S durchgeführt. Die Maschine hat einen Drehzahlbereich von n = 20 bis 15 000 min−1, der für die Untersuchungen ausreichend ist. Darüber hinaus verfügt die Maschine über eine externe und interne Kühlschmiermittelzuführung und ist somit für Minimalmengenkühlschmierung (MMKS) geeignet.
Zerspanversuche erfolgten unterMinimalmengenkühlschmierung
Einflussgrößen der Untersuchung sind der Bohrerdurchmesser und der zu zerspanende Werkstoff. Fürs Zerspanen von Aluminium wählte man einen Vorschub von 0,2mm und eine Schnittgeschwindigkeit von 200 m/min. Fürs Bohren von Stahl wurde ein Vorschubwert von 0,1 mm und eine Schnittgeschwindigkeit von 75 m/min eingestellt. Die Bearbeitung erfolgte unter MMKS-Einsatz. Das zugeführte Aerosol wurde einkanalig zugeführt. Für die Versuche wurden wendelgenutete Bohrer RT 100F des Unternehmens Gühring mit einem Durchmesser von d = 6,5 bis 12 mm verwendet.
Das thermophysikalische Verhalten des Werkstoffes wird unter anderem durch die Wärmeleitfähigkeit, die Wärmekapazität und die Dichte bestimmt. Untersucht wurde die Temperaturfeldentwicklung bei zwei hinsichtlich ihrer thermischen Eigenschaften stark unterschiedlichen Werkstoffen, zum einen Bohrproben aus legiertem Vergütungsstahl (42CrMo4V), zum anderen aus einer Leichtmetall-Legierung (AlMgSi1). Die thermischen Werkstoffkennwerte der beiden Werkstoffe zeigt Tabelle 1.
In Bild 2 sind die experimentell aufgenommenen Temperaturen und das Bohrmoment für die verschiedenen Werkzeugdurchmesser über der Zeit dargestellt. Der Einfluss der Vorschubkraft auf die mechanische Leistung ist allerdings im Vergleich zum Bohrmoment erheblich geringer und wird in der Literatur häufig nicht berücksichtigt [3 und 4]. Die vertikal angeordneten Thermoelemente (T 2 bis T 5) zeigen erwartungsgemäß die höchsten Temperaturen, weil diese den geringsten Abstand zur hergestellten Bohrungswand aufweisen. In den nachfolgenden Kurvenverläufen wurden deshalb nur die vertikal angeordneten Thermoelemente berücksichtigt, um die Abhängigkeit vom Werkzeugdurchmesser zu gemessenen Temperaturen zu ermitteln.
Größtes Bohrmoment betrug etwa 6 Nm bei der Stahlzerspanung
Das größte stationäre Bohrmoment ist etwa Mb = 6 Nm bei einem Bohrerdurchmesser von d = 12 mm bei der Stahlzerspanung. Andererseits wird die maximale Temperatur im Fall A mit 67 °C gemessen, bei einem deutlich niedrigeren stationären Bohrmoment mit ungefähr Mb = 2 Nm (Bild 2a). Darüber hinaus ist festzustellen, dass der Bohrmomentverlauf in den Fällen A und B sehr unstetig ist (Bilder 2a und 2b). Ein Grund dafür könnten Spanklemmer sein und ein schwieriger Spanabtransport durch die im Vergleich zu Fall C (Bild 2c) kleineren Spannuten [3]. Die höhere Temperaturentwicklung in den Fällen A und B ist offensichtlich auf das stark ansteigende Bohrmoment im späteren Verlauf der Bohrungsbearbeitung zurückzuführen. Jedoch ist auch die Drehzahl bei kleineren Durchmessern höher, so dass der erwärmte Bohrer häufiger über die Bohrungswand streicht als bei niedrigeren Drehzahlen.
Die in den Experimenten aufgenommenen Temperaturwerte für die Aluminiumzerspanung über der Zeit mit verschiedenen Bohrerdurchmessern (Fall A bis C) sind in Bild 3 dargestellt. Die höchste Temperatur von T = 33 °C wird gemessen bei Verwendung des 12-mm-Bohrers. In diesem Fall ist auch die mechanische Leistung am größten. Die geringste Temperatur von T = 27 °C wird bei dem Bohrer mit 6,5 mm Durchmesser gemessen. Damit bleibt bei deutlich höherer Drehzahl im Fall A (Bild 3a) die Temperatur signifikant unter der in Fall C (Bild 3c), Aluminium zeigt damit ein anderes Temperaturverhalten als Stahl beim Bohren. Eine mögliche Erklärung ergibt sich aus dem um den Faktor 5 höheren Wärmeleitfähigkeitskoeffizienten α des Aluminiums im Vergleich zum Stahl. Die eingebrachte Wärme wird somit schneller ins Bauteil abgeführt und es findet keine so ausgeprägte Akkumulation der thermischen Energie in der Randzone der Bohrungswand statt.
Die Untersuchungen zeigen die Problematik bei der Bohrungsbearbeitung sowohl von Stahl als auch Aluminium. Auch 10 s nach der Bohrungsbearbeitung liegt noch eine instationäre Temperaturfeldverteilung vor mit einer signifikanten Temperaturabweichung zur Umgebung. Eine Bohrungsfolge würde damit zu einer Akkumulation der thermischen Energie führen. Fertigungsungenauigkeiten wären die Folge.
Beim Bohren in Stahl mit kleinen Durchmessern traten Probleme bei der Spanabfuhr auf
Die Versuchsergebnisse zeigen deutlich den erheblichen Einfluss des Werkzeugdurchmessers auf das entstehende Temperaturfeld. Die erwartete Leistungssteigerung zu größeren Durchmessern aufgrund des größeren überstrichenen Bohrungsgrunds wurde bei der Aluminiumzerspanung bestätigt. Bei Stahl hingegen traten bei kleineren Durchmessern erhebliche Probleme bei der Spanabfuhr auf. Der daraus resultierende stark ansteigende Bohrmomentverlauf mündete in einer starken Temperaturentwicklung im Bauteil.
In weiteren Untersuchungen liegt der Fokus auf dem Einfluss der Schnittgeschwindigkeit und dem Vorschub auf das sich einstellende Temperaturfeld. Anschließend soll die Temperaturentwicklung im Bauteil durch eine Finite-Elemente-Simulation berechnet werden, um daraus auf mögliche Deformationen des Bauteils zu schließen.
Prof. Dr.-Ing. Klaus Weinert ist Leiter des Instituts für Spanende Fertigung (ISF) der Universität Dortmund; Dipl.-Ing. Sven Grünert ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut. Weitere Informationen: Sven Grünert, 44227 Dortmund, Tel. (02 31) 755-48 60, gruenert@isf.de. Die Ergebnisse dieses Berichtes sind Teil eines Forschungsprojektes, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird.
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