Marktlage Werkzeugmaschinenbau muss sich behaupten
Die Auftragsbücher sind noch voll. Aber die Auftragseingänge haben deutlich abgenommen. Zeit für die Unternehmen, die konjunkturelle Beruhigung für strategische Weichenstellungen zu nutzen.
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Die Stimmung im Werkzeugmaschinenbau ist durchaus gedämpft. Im ersten Quartal 2019 sank der Auftragseingang der deutschen Werkzeugmaschinenindustrie im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 21 %. Die Bestellungen aus dem Inland gingen um 10 % zurück. Die Auslandsorders verloren 27 %.
„Diese Minusraten sind nicht zuletzt auf eine extrem starke erste Jahreshälfte 2018 zurückzuführen“, kommentiert Dr. Wilfried Schäfer, Geschäftsführer des VDW (Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken), das Ergebnis. Der Basiseffekt werde im zweiten Halbjahr 2019 jedoch deutlich abnehmen.
Die Abkühlung der Weltwirtschaft sei nun endgültig auch in der deutschen Werkzeugmaschinenindustrie angekommen, so Schäfer weiter. Das Inlandsgeschäft, welches lange ein Gegengewicht zu den rückläufigen Auslandsorders gewesen sei, habe deutlich an Dynamik eingebüßt. Einziger Lichtblick sei momentan der Euroraum, der sehr viel stabiler läuft und nur 3 % verlor. Er könne jedoch den Verlust aus dem Nicht-Euro-Raum nur geringfügig stabilisieren.
Als Ursachen nannte Schäfer politisch verursachte Störungen im Welthandel, die auf die Schwellenländer durchschlagen, Wachstumsschwäche in China, strukturelle Schwächen beim größten Abnehmer Automobilindustrie und den Einbruch in der Halbleiterbranche. „Die internationale Automobilindustrie hatte ihre Anlageinvestitionen bereits 2018 auf weniger als 4 % gegenüber dem Vorjahr halbiert und dürfte 2019 noch unter diesem Niveau planen“, erläutert er.
Der VDW erwartet für 2019 dennoch einen Produktionszuwachs von 1 %. Dafür gehe er von einer Belebung der Nachfrage in der zweiten Jahreshälfte aus. Auch dürfte der Auftragsbestand noch geraume Zeit ausstrahlen.
Anfang des Jahres fasste Dr. Heinz-Jürgen Prokop, Vorsitzender des VDW, anlässlich der Jahrespressekonferenz die rückläufige Entwicklung noch so zusammen: „Die Auftragsbücher sind nach wie vor voll, die Kapazitäten waren 2018 durchschnittlich zu fast 94 % ausgelastet. Zum Teil stehen bei den Firmen Aufträge bis 2020 in den Büchern.“ Aktuell blockierten jedoch noch immer Fachkräftemangel und Engpässe bei den Zulieferungen das Geschäft. Diese Situation trägt nach Aussage von Prokop weit in das laufende Jahr, sodass der VDW und das britische Wirtschaftsforschungsinstitut Oxford Economics Anfang des Jahres noch einen neuerlichen Produktionszuwachs von etwa 2 % für 2019 erwarteten.
Umformtechnik sorgte 2018 für Rekordumsätze
Rückblickend war 2018 immerhin ein sehr gutes Jahr. So verzeichnete die Werkzeugmaschinenindustrie ein Plus von 7 % auf 17,1 Mrd. Euro. Treiber waren laut VDW vor allem der Inlandsabsatz und die Umformtechnik. „In Deutschland hat sich der Investitionsstau der vergangenen Jahre Ende 2017 aufgelöst. Im vergangenen Jahr konnten die Hersteller Maschinen im Wert von 5 Mrd. Euro hierzulande absetzen. Das entsprach einem Zuwachs von 17 %. Hinzu kamen Dienstleistungen im Wert von 1,5 Mrd. Euro. Und mit fast 9 Mrd. Euro und plus 14 % befand sich auch der deutsche Werkzeugmaschinenverbrauch auf Rekordniveau“.
Immerhin 26 % der Werkzeugmaschinenproduktion macht die Umformtechnik aus; sie kletterte 2018 um 9 % nach oben. Umformtechnik, speziell Pressen, kommt zumeist in Großprojekten zum Einsatz. Deshalb benötigt sie längere Durchlaufzeiten vom Auftragseingang bis zur Auslieferung und weist daher geringere Konjunkturschwankungen auf als die Zerspanung.
Auslandsmärkte entwickelten sich sehr unterschiedlich
Rund 70 % der deutschen Werkzeugmaschinenproduktion werden im Ausland verkauft. 2018 sind die Exporte um 3 % gestiegen. Den höchsten Wachstumsbeitrag lieferte von Januar bis November Südostasien mit plus 39 %.
Den höchsten Rückgang verzeichnete Mittelamerika, sprich Mexiko, mit minus 15 %. Trotz eines Nachfolgeabkommens zum Nafta-Vertrag verbreiten die Wirtschaftsexperten von Oxford Economics wenig Hoffnung auf einen nachhaltigen Aufschwung. Das Land sei weit von seinem einstigen Stellenwert für die deutschen Hersteller entfernt.
Der größte Markt, Europa, der etwa die Hälfte der deutschen Exporte aufnahm, entwickelte sich mit plus 3 % laut VDW solide. Wachstumstreiber war Osteuropa mit plus 8 %, während Westeuropa stagnierte.
Bei Betrachtung einzelner Märkte zeigt sich, dass China trotz wirtschaftlicher Beruhigung mit großem Abstand der wichtigste Markt für die deutschen Hersteller bleibt. Mit einem Zuwachs von 5 % in den ersten elf Monaten 2018 nimmt das Land 22 % der deutschen Ausfuhren ab, gefolgt von den USA mit rund 13 % Anteil und einem Zuwachs von 7 %. Auf Rang 3 liegt Italien mit einem Anteil von 6 %, gefolgt von Polen. Unter den Top 15 sind außerdem die Schweiz und Spanien mit zweistelligem Wachstum hervorzuheben.
Weniger gut lief es dagegen in Frankreich, Österreich und Indien. Erwartungsgemäß gingen auch die Exporte nach Großbritannien um satte 15 % zurück. Und zwei weitere Sorgenkinder, Russland und die Türkei, haben sich gegenläufig entwickelt.
Inlandsnachfrage wurde 2018 auch durch Importe gedeckt
Zwischen Januar und November haben fast alle Lieferanten unter den Top 15 zugelegt. Etwa 30 % der Importe kamen laut VDW aus der Schweiz, dem traditionell größten Herkunftsland. Dort produzieren zahlreiche Tochterunternehmen deutscher Hersteller, die ihre Mütter in Deutschland mit Komponenten und Maschinen beliefern. Zweistellige Zuwächse verzeichneten außerdem die Republik Korea, China, Polen, die Niederlande, Großbritannien und Frankreich. Nicht profitieren konnten hingegen die USA, Spanien und die Türkei.
Die gute Auftragslage der deutschen Werkzeugmaschinenindustrie spiegelte sich auch in der Beschäftigung wider. Ende 2018 arbeiteten 75.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Branche. Das waren reichlich 4 % mehr als binnen Jahresfrist.
Top 3 im internationalen Werkzeugmaschinengeschäft
Wo immer auf der Welt in Produktionstechnik investiert wird, sind die deutschen Hersteller dabei, denn sie gehören laut Heinz-Jürgen Prokop zu den Topanbietern. „Weltmeister im Export, Vizeweltmeister in der Produktion, jeweils Bronze bei Verbrauch und Import“, so Prokop. Größter Markt, größter Importeur und größter Produzent sei jeweils China. Dauerwettbewerber Japan folge in der Produktion und beim Export jeweils dicht auf den deutschen Fersen. MM
* Dipl.-Ing. Annedore Bose-Munde ist Fachredakteurin in 99094 Erfurt, Tel. (03 61) 78 94 46 95, info@bose-munde.de, www.bose-munde.de
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