Kupplung Wie die komplexe Antriebstechnik der Zugspitz-Seilbahn funktioniert

Seit über einem Jahr ist die Seilbahn Zugspitze im Betrieb. Die Antriebstechnik funktioniert tadellos. Mit dem Unfall im September 2018 hatte sie und ihr ausgefeiltes Sicherheitssystem nichts zu tun. Wir erklären, wie die Technik funktioniert.

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Die Seilbahn Zugspitze transportiert mittlerweile schon in der zweiten Saison Wintersportfans auf Deutschlands höchsten Berg.
Die Seilbahn Zugspitze transportiert mittlerweile schon in der zweiten Saison Wintersportfans auf Deutschlands höchsten Berg.
(Bild: KTR/Designer at Terzake.)

Die Seilbahn Zugspitze transportiert mittlerweile schon in der zweiten Saison Wintersportfans auf Deutschlands höchsten Berg. Zuvor schockierte im September 2018 ein Unfall, bei dem eine der beiden Fahrerkabinen zerstört wurde. Die Pendelbahn musste geschlossen werden. Wie lange sich die Bergungs- und Instandsetzungsarbeiten zogen würden, musste man im Herbst vergangen Jahres noch nicht. Umso erfreulicher war es, dass die Bahn noch vor Weihnachten 2018 wieder startklar war. Der Unfall ereignete sich bei einer Probebergung einer unbemannten Seilbahnkabine mit einem ebenfalls unbemannten Bergekorb. Dabei riss die Kette der elektrischen Seilwinde, mit deren Hilfe der Korb von der Bergstation zur Kabine abgelassen wird. Der Bergekorb prallte auf die Kabine.

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Zwei Antriebe in der Talstation

Mit dem Antriebssystem der Zugspitzbahn hatte der Vorfall nichts zu tun, daher griffen auch die darin verbauten Sicherheitseinrichtungen nicht. Für Störfälle ist die Antriebstechnik nämlich bestens gerüstet. Jedes der vier Tragseile hat einen Durchmesser von 72 mm und wiegt 143 t. Die Nennleistung der beiden Antriebe in der Talstation beträgt 1700 kW. Die Antriebe arbeiten simultan und übertragen jeweils die Hälfte der benötigten Gesamtleistung auf eine doppelrillige Antriebsscheibe, die über ein Zugseil mit der Kabine verbunden ist. Es sind stets beide Antriebe im Eingriff, um eine sichere Fahrweise mit definierten Reibwerten zu gewährleisten. Im Normalbetrieb, d.h. bei voller Nutzlast, ist die Treibfähigkeit nur über beide Antriebsscheiben sichergestellt. Jede Antriebsscheibe ist mit einer Betriebs- und einer Sicherheitsbremse ausgestattet, die jeweils auf getrennte, angeflanschte Bremsscheiben wirken.

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Sollten Motor oder Getriebe an einem der beiden Hauptantriebe ausfallen, ist es möglich, mit nur einem Antriebsstrang einen Betrieb der Seilbahn mit reduzierter Nutzlast aufrecht zu erhalten. Wenn beide Antriebsstränge nicht zur Verfügung stehen, werden die Fahrzeuge mit elektrohydraulischen Notantrieben in die Stationen gebracht. Hierfür werden zunächst die Hauptantriebe mit einer Schaltkupplung abgekoppelt. Die Notantriebe auf der gegenüberliegenden Seite der Seilscheibe werden dann eingekuppelt und übernehmen den Antrieb. Auch in diesem Fall müssen wieder beide Antriebe und beide Seilscheiben aktiv sein, um die nötige Treibfähigkeit zu gewährleisten.

Die Stirnradgetriebe wurden von SEW-Eurodrive gefertigt. Die Projektierung übernahm die Schweizer Landesgesellschaft von SEW-Eurodrive, die Alfred Imhof AG. Die Auslegung der Getriebe verantwortete Projektingenieur Peter Baumgartner, der auch die Auswahl der Kupplungen übernahm. Neben den typischen Eckdaten wie Drehmoment und Drehzahl waren dabei auch weitere Parameter zu berücksichtigen, wie die tiefen Temperaturen, die bei der Wahl des Schmierstoffs mitentscheidend sind.

Auslegung und Auswahl der Kupplungen

Bei der Verbindung von Motor und Getriebe entschied sich Baumgartner für eine drehelastische Rotex-Klauenkupplung aus dem Programm der KTR Systems GmbH. Diese Baureihe wird seit mehr als fünfzig Jahren gefertigt und immer wieder um neue Varianten ergänzt. Sie stellt eine drehschwingungsdämpfende Kraftübertragung sicher und kompensiert Unregelmäßigkeiten im Antriebsstrang. Dabei ist die Kupplung wartungsarm und kompakt.

Motorseitig: Rotex in „XXL“ mit Schwungscheibe

Im Hauptantrieb der Seilbahn Zugspitze kommt eine Rotex-Version der Baugröße 160 zum Einsatz, die für Nenndrehmomente bis 19.200 Nm und eine Betriebsdrehzahl von 1495 min-1 ausgelegt ist. Eine Schwungscheibe mit einem Durchmesser von 900 mm und einer Dicke von 235 mm erhöht die Laufruhe im Antriebssystem und damit den Fahrkomfort. Insgesamt bringt die Kupplung ein Gewicht von 1,3 t auf die Waage und gehört aufgrund dieser Größe nicht zum Katalogprogramm vom KTR, sondern wird immer individuell vom Geschäftsfeld „Engineered Business“ projektiert.

Seilscheibenseitig: Drehelastische Bolzenkupplung

Die Verbindung zwischen Getriebe und Seilscheibe übernimmt eine drehelastische, durchschlagsichere Bolzenkupplung aus dem Revolex-Programm von KTR. Die Revolex KX-D SD-355 wurde für drehmomentstarke Antriebe entwickelt. Konische Stahlbolzen mit Elastomerringen gewährleisten die Drehmomentübertragung zwischen den beiden Nabenhälften. Dabei werden Verlagerungsfehler ausgeglichen sowie ein sanfter Anlauf des Antriebs und somit der Kabine erreicht. Im Wartungsfall ist die Demontage der Elastomerringe samt Bolzen im eingebauten Zustand möglich.

Bolzenkupplung mit Außendurchmesser von 1,20 m

Die Revolex-Kupplung im Antrieb der Seilbahn überträgt Nennmomente bis 300.000 Nm bei einer Betriebsdrehzahl von 59,3 min-1. Die Welle-Nabe-Verbindung wird über einen KTR-Außenspannsatz der Baureihe 620 realisiert. Die Bolzenkupplung erreicht einen Außendurchmesser von 1,20 m und ein Gewicht von 3,6 t. Da beim Notbetrieb der Hauptantriebsstrang abgekoppelt wird und der Hilfsantrieb eingreift, ist sie schaltbar ausgeführt.

Die Kupplungen auf der anderen Seite der Seilscheibe, die den Hilfsantrieb mit dem Gesamtantrieb verbinden, müssen ebenfalls schaltbar ausgeführt sein. Diese elektrohydraulischen Antriebe werden nur dann eingeschaltet, wenn die Hauptantriebe ausfallen und die Kabinen kontrolliert in die Stationen gefahren werden sollen. Hier ist keine Elastizität beim Anfahren des Antriebs erforderlich – schon deshalb, weil die Hydraulik für diese Elastizität sorgt. Daher ist in diesem Antriebsstrang eine doppelkardanische Ganzstahlzahnkupplung vom Typ Gearex SD-80 verbaut. Die Naben mit ballig geformter Verzahnung übertragen Nennmomente bis 300.000 Nm formschlüssig und gleichen dabei axiale, radiale und winkelige Wellenverlagerungen aus. Im Hilfsantrieb der Zugspitzbahn arbeitet die Kupplung mit einer Betriebsdrehzahl von maximal 8,4 min-1.

Elektrische isolierende Kupplungen

Beide drehelastische Kupplungen im Hauptantrieb sind elektrisch isolierend gebaut. „Wir verwenden in diesen Fällen Sonder-Elastomere, die einen Stromdurchgang verhindern“, erklärt Ansgar Silies, Produktmanager bei KTR. Diese Anforderung wird in Anwendungen gestellt, in denen sich Kriechströme negativ auf die Lebensdauer der Antriebskomponenten – vor allem der Wälzlager – auswirken können. Bei Seilbahnantrieben gibt es noch weitere Gründe für die elektrische Isolierung. Baumgartner erläutert: „In die Zugseile werden berührungslos Signale eingekoppelt, die der Kommunikation mit der Kabine dienen. Außerdem kann man anhand des stromführenden Seils Unregelmäßigkeiten in der Seilführung erkennen: Sobald sich das Zugseil nicht mehr am vorgesehenen Ort befindet, wird es unumgänglich geerdete Komponenten wie das Tragseil oder den Boden berühren. Das lässt sich wiederum messtechnisch erfassen. Aus diesen Gründen ist es erforderlich, dass Seil und Seilscheibe gegenüber dem Antriebsstrang elektrisch isoliert werden.“

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