Porträt Wie man erfolgreiche Messen veranstaltet
Um auf Dauer eine erfolgreiche Messe zu veranstalten, reicht es nicht, ein aktuelles Thema zu besetzen. Dazu gehören auch der richtige Standort und Begeisterung für die Technik, erklären uns Vertreter der boomenden Messen SPS IPC Drives und Formnext.
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Die Hallen sind ausgebucht, manch ein Unternehmen hat keinen Ausstellerplatz mehr bekommen. Die Menschenmassen strömen durch die Flure, sodass man kaum noch durchkommt und die meisten Stände sind voller Besucher. Jährlich vergrößert sich die Messe, gerne gleich um eine ganze Halle. Dieses Szenario beschreibt sowohl die SPS IPC Drives, als auch die Formnext. Erstere ist eine etablierte Fachmesse für Automatisierungsthemen, die zweite eine junge Messe für die Additive Fertigung. Beide werden sie von der Messegesellschaft Mesago Messe Frankfurt Group veranstaltet.
1982: Alles begann in Remshalden
Zwar gab es schon einige Messegesellschaften in Deutschland, trotzdem wagt es Klaus Hilligardt 1982 in Remshalden bei Stuttgart und gründet dort unter dem Namen Mesago Messe und Ausstellungsorganisationsgesellschaft mbH eine weitere. Zu Beginn beschäftigt das Unternehmen vier Mitarbeiter. „Klaus Hilligardt gründete damals eine Art Garagenfirma, heute würde man Start-up dazu sagen. Er hatte viel mehr Ideen im Kopf, als er Mitarbeiter hatte“, erzählt der jetzige Mesago-Geschäftsführer Martin M. Roschkowski. Der Startschuss fällt mit der Veranstaltung „Haus-Energietechnik“ auf dem Messegelände in Sindelfingen 1982. Fünf Jahre später hat die SMT in Sindelfingen ihre Premiere, inzwischen eine Fachmesse mit Kongress für Systemintegration und Mikrotechnik. 1988 steigt Joseph Rath als Geschäftsführer ein. Gemeinsam mit Hilligardt leitet er das Unternehmen, das nun sechs Mitarbeiter beschäftigt. „Rath hat ihnen in vielen Jahren eine gewisse Erdung gegeben, sie auf strukturierte Füße gestellt, ohne dabei die Kreativität abzuwürgen“, beschreibt Roschkowski. Dadurch habe die Mesago einen großen Schub bekommen.
1988: Umzug nach Stuttgart, Eröffnung in Karlsruhe
Im selben Jahr zieht die Mesago von Remshalden in die neuen Räumlichkeiten in der Stuttgarter Rotebühlstraße, „zentral gelegen, gegenüber dem Feuersee“, erklärt Roschkowski. Ebenfalls 1988 ruft Mesago die EMV, eine Fachmesse mit begleitendem Kongress für elektromagnetische Verträglichkeit, in Karlsruhe ins Leben. 1990 öffnet die Fachmesse für elektrische Automatisierung als „SPS/PC ‘90“ und „Drives ‘90“ ihre Pforten in Sindelfingen. Wer sich erinnert: Viel Platz war dort nicht und die knapp über 100 Aussteller konnte man leicht überblicken.
1997: Das Automation Valley ist in Nürnberg
1997 wechselt der Veranstaltungsort nach Nürnberg. „Die SPS IPC Drives startete mit dem Umzug nach Nürnberg erst richtig durch“, schildert Roschkowski. „Es war einfach darin begründet, dass Sindelfingen als Gelände zu klein war. Weil wir als selbstständiger Veranstalter messeplatzunabhängig agieren können, gingen wir an den sowohl für unsere Aussteller als auch für die Besucher geografisch günstigsten Standort: Nürnberg. Die Stadt war schon damals das Automation Valley der Unternehmen. Somit war die Entscheidung relativ leicht zu treffen und zudem verstehen wir uns mit der Nürnberg Messe sehr gut.“ Dass der Umzug bei manchem Besucher für Verwirrung sorgte, erzählt Roschkowski mit einem Augenzwinkern: „Auch zur SPS 1997 hatten wir einen Mitarbeiter im Stuttgarter Büro sitzen, der alle, die dort zur SPS gehen wollten, auf das Nürnberger Messegelände schicken konnte.“ Ein typischer Messe- und Kongressveranstalter wie die Mesago bewertet den Erfolg nach Aussteller-, Besucher- und Flächenzahl. „Wenn wir das ansetzen, ist die SPS IPC Drives unser absolutes Flaggschiff – neben der PCIM oder der SMT“, so Roschkowski.
2002: Wieso Frankfurt in Stuttgart ist
Die Mesago wurde vor nunmehr 16 Jahren von der Messe Frankfurt akquiriert, die 100-prozentige Eignerin der Mesago Messe Frankfurt GmbH mit Sitz in Stuttgart ist. „Weil unser Portfolio so gut zu dem der Messe Frankfurt passt, wurde die Mesago 2002 Bestandteil der Messe Frankfurt Group. Das war der Zeitpunkt, als Herr Hilligardt und Herr Rath beschlossen, sich perspektivisch aus dem Unternehmen zurückzuziehen“, erzählt Roschkowski weiter. Im selben Jahr wird die PCIM ins Portfolio der Mesago integriert. Ein Event für die Leistungselektronik, bestehend aus Messe und Konferenz, das bis heute als Gipfeltreffen der Branche unter dem Namen PCIM Europe in Nürnberg bekannt sei, beschreibt die Mesago die Veranstaltung. Im Jahr 2005 verlässt Hilligardt dann das Unternehmen und Rath übernimmt die Leitung. Ab April 2007 verstärkt Johann Thoma die Geschäftsführung der Mesago, im Jahr 2010 verlässt Rath das Unternehmen. Petra Haarburger schließt sich 2011 der Geschäftsführung an. Zum ersten Februar 2016 übernimmt Martin M. Roschkowski als neuer Geschäftsführer das Ruder von Thoma sowohl bei Mesago Messe Frankfurt als auch deren Töchtern Mesago Messemanagement sowie Mesago PCIM und lenkt gemeinsam mit Petra Haarburger das Unternehmen.
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2015: Die Additive Fertigung bleibt in Frankfurt
Der neueste Zuwachs in Sachen Veranstaltung ist die Formnext. „Das war eine richtig schwierige Geburt“, erinnert sich Sascha Wenzler, Bereichsleiter der Formnext. Sie ging aus der Euromold hervor, einer Messe für Werkzeug- und Formenbau, die auch immer mehr 3D-Druck-Maschinenbauer als Aussteller anzog. 2014 kündigte die Euromold an, von Frankfurt nach Düsseldorf umzuziehen. Einige der Aussteller aus dem additiven Bereich sahen ihre Zukunft jedoch nicht in einer anderen Stadt. Für sie war Frankfurt das, was Nürnberg für die SPS IPC Drives ist: der perfekte Standort. An der hessischen Metropole begeisterten der Messeplatz und der Anschluss an den Flughafen die Aussteller, ein wichtiges Argument, um internationale Besucher anzulocken. Also taten sich die Aussteller, darunter große Namen der AF-Branche, wie 3D Systems, Arburg, Concept Laser (heute GE Additive), EOS, Fraunhofer IPT, Renishaw, SLM Solutions und Stratasys, mit der Messegesellschaft Frankfurt zusammen. „Wenn du mit deinen Kunden über deren Bedürfnisse sprichst und vor allem zuhörst und die Wünsche auch noch erfüllen kannst, dann funktioniert so eine Geschichte”, erklärt Wenzler.
Das ist ein Teil von dem, was den Erfolg der Mesago-Messen ausmacht: intensiver Dialog mit den Kunden und die Bedürfnisse der Kunden erfüllen. Aber dazu gehören auch die Bedürfnisse der Besucher, also der Kunden der Kunden. „Deswegen orientiert sich das Konzept der Formnext auch am Bedarf der Besucher”, fügt Wenzler an. Doch das machte den Start der neuen Messe erst einmal so schwierig, da der Zeitdruck enorm war. Ende 2014 startete ein Team aus Ausstellern und dem Messeveranstalter damit, herauszufinden, wie sie den Bedarf des Marktes am besten abdecken könnten. Bereits im Januar 2015, nur zwei Monate später, wurde das neue Messekonzept vorgestellt. In den letzten Jahren wurde immer weiter zusammen daran gefeilt, manches ging sogar einen „natürlichen” Weg. So wurde der Werkzeugbauer vom Aussteller eher zum Besucher auf der Formnext und rund um die AF-Maschinen kamen nach und nach die vor- und nachgelagerten Prozesse und Werkstoffe dazu. Außerdem setzen die Veranstalter inzwischen auf Wissensvermittlung, die sie mit verschiedenen Seminaren abdecken. Die Begeisterung für seine Messe, sein Thema, sieht man dem Frankfurter Team an. Auch das gehört zum Erfolgsrezept.
2017: Von Frankfurt nach Russland
„Passend zur Formnext haben wir im vergangenen Jahr in Russland die Rosmould gekauft. Eigentlich eine Werkzeug und Spritzgussmesse, aber durch die thematische Nähe zu den Besuchern bietet sie der Additiven Fertigung auch in Russland eine sehr gute Plattform. Wir sind uns sicher, dass wir dadurch diese Messe noch stärker weiterentwickeln“, ergänzt Roschkowski. Im Verbund der Messe Frankfurt Group ist die Mesago zwar international aufgestellt und in Moskau gibt es sogar eine Tochtergesellschaft der Messe Frankfurt Group. Doch bis dahin hatte man noch nie Messen aus dem Mesago-Portfolio in Russland ausgerichtet. „Witzigerweise war die erste Messe, die wir auf internationale Beine gestellt haben, die PCIM. Diese haben wir 2002 in China etabliert. Erst danach kam die SPS im 20. Jahr ihres Bestehens mit zugegebenermaßen größeren und schnelleren Schritten nach Italien, China, Indien und ganz neu im September 2018 auch nach Dubai!“ In Indien sei man zwar noch nicht da, wo man die Messe gerne hätte, aber Roschkowski ist zuversichtlich, dass sie sich in den nächsten Jahren positiv weiterentwickelt.
Technik und Netzwerken liegt in der Mesago-DNA
„Wir fokussieren uns auf Themen mit hoher technologischer Relevanz in der industriellen Produktion. Wir bringen Lösungsanbieter und Lösungsanwender zusammen. Dieser Austausch im hochtechnologischen Feld ist einer der Erfolgsfaktoren der Mesago. Einer, den wir konsequent pflegen und entwickeln. Das ist Bestandteil unserer DNA”, antwortet Roschkowski auf die Frage nach dem Erfolgsrezept. „Unsere Mitarbeiter sind der Schlüssel zum Erfolg; ihr Engagement und Herzblut, mit dem sie Menschen zusammenbringen. Diese DNA ist fest in unserem Leitbild verankert und manifestiert sich in unserem Claim ,Connecting bright minds‘. Das ist uns zugleich Anspruch als auch eine Hommage an unsere Kunden.“ Heute hat die Mesago über 140 Mitarbeiter, vorwiegend ist das Messegeschäft laut Roschkowski weiblich geprägt: Es sei ein Mix aus erfahrenen Kolleginnen und Kollegen, aber auch an neuen Talenten mangele es nicht – und davon lebe die Mesago. So könne sie sich als Unternehmen gut weiterentwickeln.
20..: Die Zukunft ist digital – auch für Messen
Die Währung Quadratmeter Ausstellungsfläche als Einnahmequelle sieht Wenzler nicht mehr alleine als Kernelement eines Messeveranstalters. „Zwar wird kein Unternehmen eine Maschine für mehrere Hunderttausend Euro kaufen, ohne sie vorher gesehen zu haben”, stellt Wenzler fest, „aber mehr und mehr werden Messen zu Plattformen des Austauschs und der Wissensvermittlung einer Community, als dass nur Maschinen alleine auf ihren Plätzen stehen.” Zudem hält die Digitalisierung und entsprechende Technik Einzug ins Messegeschehen. Schon auf der Formnext 2017 konnte man bei dem israelischen Aussteller Xjet mit einer VR-Brille den Vorgang in dessen Maschine simuliert betrachten. Und direkt in der Maschine, mitten im Druckprozess zu sitzen, ist das nicht faszinierender, als an einem Ausstellungsstück nur die Blechfassade zu betrachten?
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