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Elektromobilität treibt die Umformtechnik weiter an

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Eine größere Herausforderung sieht Liewald in der Erschließung neuer Geschäftsfelder für die Massivumformung. Der Grund: In dieser Branche sind die Produktionsstrukturen besonders kapitalintensiv und benötigen daher besonders große Losgrößen. Damit kleinere Stückzahlen für die Massivumformer rentabler werden, müssen sie ihre Fertigung effizienter, flexibler und automatisierter gestalten. Liewald veranschaulichte das auf dem Kolloquium anhand eines Konzepts für eine digital unterstützte Fertigung im Schmiedebetrieb: Dabei wird zuerst die CAD-Zeichnung der Zielgeometrie eines Kunden in eine Deep-Learning-Software eingegeben. Diese erstellt automatisch einen Stadienplan zur Herstellung des Produktes.

Digitalisierung kann den Massivumformern neue Absatzmärkte eröffnen

Nachdem ein Mitarbeiter den Stadienplan überprüft, eventuell angepasst und freigegeben hat, errechnet die Software eine Prozesssimulation, die wiederum ein Mitarbeiter freigibt. Danach erfolgt eine teilautomatisierte Konstruktion des Werkzeugs. Für Bauteile, die in ähnlicher Form bereits produziert wurden, kann die Software das Werkzeug selbstständig konstruieren. Dabei lernt sie mit jeder Konstruktion besser, die Prozesse und Konstruktionen mit einzubeziehen – insbesondere, wenn ein Mensch zuvor eingegriffen und korrigiert hat.

Nach Freigabe der Werkzeugkonstruktion durch einen Mitarbeiter wird entschieden, ob das Werkzeug konventionell oder mit additiven Verfahren – einschließlich Nacharbeiten – gefertigt wird. Letztere ermöglichen eine schnellere und flexiblere Werkzeuggestaltung, führen aber eventuell zu einer geringeren Standzeit. Bei der Fertigung des Kundenproduktes werden die Werkzeuge automatisch zur Presse transportiert und eingewechselt.

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Mit diesem Gesamtkonzept lassen sich laut Liewald die Kosten senken, Aufträge schneller abwickeln und auch kleinere Losgrößen wirtschaftlich fertigen. Als Nachteile nennt er den Entwicklungsaufwand für die Ausrichtung aller Prozesschritte entlang des digitalen Zwillings und die hohen Anfangsinvestitionen für die Automatisierung.

In neuen Bauteilen für die Elektromobilität sieht der Institutsdirektor ausdrücklich Chancen für die Branche, wenn sie mit neuartigen Verfahren der Massivumformung gefertigt werden. Diese Bauteile müssen allerdings erst identifiziert und analysiert werden. Eine Möglichkeit sind Komponenten von Asynchronmotoren: So könnten Blechpakete im Stator durch das kompaktierte Walzen und kompaktierte Schneiden hergestellt werden. Beim kompaktierten Walzen erfolgt der Walzvorgang nach dem Isolieren sowie das Fügen von mehreren Elektroblechen zu einem Blechpaket. Durch das Walzen wird die Dicke der einzelnen Blechlagen verringert, was den Motorwirkungsgrad erhöht. Auch das kompaktierte Schneiden beginnt mit dem Isolieren und Fügen der Elektrobleche zu kleineren Blechpaketen, anschließend werden sie auf die gewünschte Größe geschnitten. Dadurch können dünne Bleche, die einzeln nicht schneidbar sind, im Verbund geschnitten werden. Diese dünnen Bleche führen wiederum zu einem hohen Wirkungsgrad des Elektromotors.

Elektromobilität bietet der Massivumformung auch Chancen

Ein anderes Beispiel für neuartige Bauteile sind Kurzschluss-Käfigläufer. Derzeit werden sie durch eine gebaute Ausführung oder durch Aluminiumdruckguss auf das Blechpaket hergestellt – Druckguss mit Kupfer ist nicht wirtschaftlich. Für eine einfachere Montage und Herstellung kann der Käfig in einem neuen Konzept durch Voll-Vorwärts-Fließpressen gefertigt werden. In einem weiteren Konzept wird der Käfig direkt auf die Blechpakete gepresst, was die Formfüllung und damit den Wirkungsgrad erhöht.

Wie sich Leichtbau mit Blech, beispielsweise für die Elektromobilität, in der Praxis realisieren lässt, zeigten Stefan Köhler vom Institut für Produktionstechnik und Umformmaschinen (PTU) Darmstadt und Martin Heckmann von Läpple Automotive in ihrem Vortrag. Die Versteifung durch Rippen oder Stege findet man als Leichtbauprinzip in der Natur, wie Köhler erläutert. „Damit lässt sich ein konventionelles Blech um bis zu dem Faktor 43 versteifen“, sagt der Wissenschaftler. Die Stege werden mittels Laserschweißen aufgebracht, in einem zweiten Schritt wird das Blech umgeformt. Die Versuche am PTU starteten zunächst mit Hochdruck-Blechumformung, mittlerweile arbeiten die Forscher mit starren Werkzeugen. „Die Ausbringung ist höher und es gibt die Möglichkeit zur Stegunterstützung, was die Prozessgrenzen etwas verschiebt“, berichtet Köhler.

In einem Transferprojekt mit Läpple hat er einen ersten Prototypen erstellt; als Bauteil wurde ein Unterfahrschutz ausgewählt – das Strukturbauteil hat keine Sichtfläche, bisher eine hohe Blechdicke und bietet auch mit einer geringen Umformung der Stege eine Möglichkeit zur Versteifung. „Wir haben mit Stegblechen entweder den Versteifungsfaktor verdreifachen können oder mit dünnerem Blech eine Gewichtsersparnis von 20 % erreicht“, bilanziert Köhler.

„Aus der Versteifung und Verstärkung der Bleche resultiert ein Karosserieleichtbau mit etablierten Werkstoffen zu moderaten Kosten“, ergänzt Heckmann. Betrachtet man die Wirtschaftlichkeit des Prototypen, ergeben sich bei einer Produktion von 5000 Stück pro Jahr geschätzte Leichtbaukosten von 2,28 Euro pro Kilogramm, bei 25.000 Stück pro Jahr sinken sie auf 1,07 Euro pro Kilogramm und bei 120.000 Stück pro Jahr auf 0,66 Euro pro Kilogramm. Damit liegt man stets in dem Rahmen, den die Automobilindustrie als Leichtbaukosten akzeptiert.

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