Schmieden Kurbelwellen lassen sich gratlos herstellen

Autor / Redakteur: Neelam Frederike Rasche / Stéphane Itasse

Kurbelwellen sind ein fester Bestandteil in jedem Verbrennungsmotor vom Stadtauto bis zum Lastwagen. Mit den Verfahren Querkeilwalzen und mehrdirektionales Schmieden lassen sich diese hoch belasteten Schmiedeteile schneller und günstiger fertigen.

Anbieter zum Thema

Das IPH in Hannover erforscht, wie sich Kurbelwellen mit weniger Energieverbrauch und Nacharbeit herstellen lassen.
Das IPH in Hannover erforscht, wie sich Kurbelwellen mit weniger Energieverbrauch und Nacharbeit herstellen lassen.
(Bild: IPH)

Kurbelwellen werden aufgrund ihrer komplexen Beanspruchung meist durch Schmieden hergestellt, da dadurch die nötige Härte und Duktilität erzeugt werden kann. Die Produktion erfolgt jedoch immer noch meist durch Prozesse, die viel Energie verbrauchen und durch die Abtrennung von Grat als Nacharbeit gekennzeichnet sind. Am Institut für Integrierte Produktion Hannover (IPH) wurde deshalb eine vierstufige Stadienfolge zur Herstellung einer präzisionsgeschmiedeten, gratlosen Zweizylinderkurbelwelle erforscht (Bild 2). Die Verfahrensschritte sind:

  • Querkeilwalzen,
  • Querfließpressen,
  • mehrdirektionales Schmieden und
  • Fertigschmieden.

Durch Querkeilwalzen wird an einem zylindrischen Rohteil eine Massenvorverteilung erzeugt, sodass Bereiche, die später zu Kurbelwangen umgeformt werden, ein höheres Volumen aufweisen. Jene Bereiche werden beim anschließenden Querfließpressen quer zur Längsachse verschoben. Durch mehrdirektionales Schmieden werden die Hublager verschoben, die Vorform auf die finale Länge des Bauteils verkürzt und die Kurbelwangen vorgeformt. Die finale Geometrie wird im vierten Schritt geschmiedet.

Weglassen des Querfließpressens würde noch zu Bauteilfehlern führen

Eine Verkürzung der Stadienfolge durch Weglassen des Querfließpressens würde zusätzlich Zeit und Kosten sparen. Bisher ist das problematisch, da die rotationsymmetrische Geometrie nach dem Querkeilwalzen zu einer asymmetrisch geformten Kurbelwellenvorform im mehrdirektionalen Werkzeug gratlos umgeformt werden soll. Ohne Anpassung der beiden Werkzeuge treten Bauteilfehler wie Grat oder Unterfüllung im Bereich der Kurbelwangen auf.

Bildergalerie
Bildergalerie mit 9 Bildern

Beim Querkeilwalzen rollt ein zylindrischer Rohling zwischen zwei gegenläufigen, mit Keilen besetzten Werkzeugplatten hindurch. Die Keile schneiden dabei in den Rohling ein und reduzieren lokal den Durchmesser. Dabei überträgt sich die Werkzeugkontur auf das Bauteil, sodass eine rotationssymmetrische Geometrie mit einer definierten Massenvorverteilung entsteht (Bild 4, oben). Vorteile dieses Verfahrens sind wenig Materialüberschuss und geringe Anlagen- und Werkzeugkosten bei der Verwendung von Flachbacken. Wichtige geometrische Parameter sind der Schulterwinkel α, die Querschnittsflächenreduktion ΔA und der Keilwinkel β. Der Schulterwinkel bestimmt, in welchem Winkel die Massenanhäufungen mit dem Ausgangsdurchmesser zu den durchmesserreduzierten Bereichen abgegrenzt sind, sodass 90° den maximal möglichen Winkel darstellen. Übliche und auch im Projekt verwendete Werte schwanken zwischen 30° und 89°. Die Querschnittsflächenreduktion ΔA ergibt sich rechnerisch aus den Bereichen mit unterschiedlichem Durchmesser und gibt das Verhältnis zwischen Ausgangsquerschnittsfläche und reduzierter Querschnittsfläche an. Das Querschnittsflächenverhältnis wird in Prozent angegeben und liegt meist zwischen 25 und 60 %. Die Werte im Projekt wurden von 30 bis 60 % variiert. Der Keilwinkel gibt an, wie stark sich der Keil beim Einschneiden in das Werkstück verbreitert und wie schnell dadurch das Material verdrängt wird (Bild 4, unten). Übliche Werte liegen zwischen 3° und 7°; in der vorliegenden Konstruktion wurden 5° gewählt. Neben den geometrischen Parametern sind noch Prozessparameter wie Umformgeschwindigkeit, Werkstücktemperatur und Halbzeugmaterial einzustellen. Mit Querkeilwalzen können Wellen mit Schrägen, Stufen, Flanken und Wandungen hergestellt werden.

Vertikale Stößelkraft wird beim mehrdirektionalen Schmieden umgelenkt

Das mehrdirektionale Schmieden gehört zu den Druckumformverfahren, die einen Schmiedevorgang in horizontaler und vertikaler Richtung beschreiben. Die vertikale Kraft des Pressenstößels wird durch Keile beim Schließen des Gesenks in die Horizontale umgelenkt (Bild 5). Das Bauteil kann dadurch innerhalb der horizontalen Ebene umgeformt werden. Ein mehrdirektionales Umformen, also zeitgleich aus zwei Richtungen, wird erst durch weitere Keile am formgebenden Werkzeug (Bild 7) möglich, was im Folgenden näher erläutert wird.

(ID:44090961)