Informationsarchitektur Wie Unternehmen von kognitiver Produktion und digitaler Durchgängigkeit profitieren können

Ein Gastbeitrag von Uwe Weber und Hendrik Grosser*

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Digitale Durchgängigkeit und erweiterte Analysemöglichkeiten wirken sich positiv auf das Geschäft aus. Auch aufbrechende Lieferketten oder geänderte Produktionsstrategien verlieren damit ihren Schrecken und Unternehmen gewinnen ein hohes Maß an Resilienz.

Die Digitale Fabrik ist in der Lage, sämtliche Prozesse zu überwachen, um sofort korrigierend einzugreifen.
Die Digitale Fabrik ist in der Lage, sämtliche Prozesse zu überwachen, um sofort korrigierend einzugreifen.
(Bild: gemeinfrei / Pixabay)

Produktionsprozesse sind heutzutage stets mit einer Flut digitaler Daten verbunden. Wirkliche digitale Durchgängigkeit ist dagegen noch äußerst selten der Fall. Dabei würde sie einen nahtlosen und durchgängigen Informationsfluss entlang des gesamten Lebenszyklus von Produkten und Dienstleistungen mit sich bringen. Alle Informationen von Objekten, also sowohl von Produkten als auch Anlagen, die diese erzeugen, würden somit bestmöglich genutzt – etwa mithilfe des Konzepts des Digitalen Zwillings. Dabei könnten Softwaremodelle den Nutzern, beispielsweise Fertigungsplanern, ermöglichen, ihre in der physikalischen Umgebung bestehenden Ökosysteme, etwa aus eigenen Bauteil- und Sensordaten, zu simulieren, analysieren und letztlich zu kontrollieren. Ökosysteme bestehen zudem aber auch aus der Welt der Lieferanten, deren Daten und Informationen aber nur dann digital austauschbar sind, wenn zuvor eine gemeinsame Semantik gefunden wurde.

Erfolgsbeispiel Digital Thread

Ein gutes Beispiel für einen komplett durchgängigen Informationsfluss ist der Digital Thread eines Produktes. Dieser sammelt Daten entlang des kompletten Product Life Cycle, angefangen von den ursprünglichen Entwicklungsdaten im PDM/PLM-System über die Logistik- und Produktionsdaten in ERP-Systemen bis hin zu den Betriebsdaten im Asset Management System. Ein Vorteil ist, dass Produktdaten über verschiedenste Phasen und Systeme hinweg nachverfolgbar und nutzbar werden. Wenn beispielsweise bestimmte Teile im Betrieb regelmäßig nach einiger Zeit brechen, könnten Produktion und Entwicklung so nicht nur davon erfahren, sondern aufgrund einheitlicher Datenlage gemeinsam zügig Ursachen und Lösungen identifizieren. Da der Digital Thread auf Lebenszyklusdaten zugreifen kann, wäre es denkbar, dass ein Ersatzteil einer alten Maschine kurzfristig mit Hilfe von 3D-Druck bereitgestellt wird.

Welche Hürden stehen der digitalen Durchgängigkeit aber nun regelmäßig im Wege? Typische Herausforderungen für die ganzheitliche Analyse von Daten entstehen vor allem durch die technische Integration von Informationstechnologie, Betriebstechnik (kurz: OT) und Entwicklungstechnik (kurz: ET), zumal sie Prämissen wie Datensicherheit integrieren soll. Zudem fehlt aktuell in vielen Unternehmen die erforderliche nachhaltige Architektur für eine digitale Durchgängigkeit in Daten und Prozessen – hierzu bedarf es beispielsweise einer Plattformebene, die unternehmensweit Digital Twins, Data Lakes, Analytics und App Stores verbindet. Demgegenüber existieren auch Methoden und Werkzeuge, wie Low Code, die durchaus zügig Ergebnisse mit messbarem Erfolg erzielen können.

Eine weitere Hürde liegt darin, dass in der Industrie immer noch zu viele Datensilos existieren, die sich über den gesamten Lebenszyklus wie Produktentwicklung, Produktion und operativen Betrieb hin erstrecken. Auch in jeder dieser Phasen gibt es wiederum eigene Systemwelten mit weiteren Datensilos. Unternehmen sollten daher noch stärkere Anreize setzen, um Lösungen insbesondere über Daten- und Kommunikationsstandards sowie Ontologien zu etablieren.

Digitale Durchgängigkeit ist Basis für kognitive Produktion

Kognitive Produktion beschränkt sich nicht auf die Maschinenwelt, sondern beginnt schon im Planungsbereich: Schon hier wäre ein digitaler Produktionsassistent hilfreich, also eine durch Best Practices unterstützte Künstliche Intelligenz, die hilft, Entscheidungen für einen Planungsfall zu treffen. In der Praxis investieren manche Akteure Millionen in die Sensorik, erhalten aber keine brauchbaren Ergebnisse, da sie eben nicht den gesamten Kreislauf von Daten oder Cyber-Systeme und physische Systeme nur getrennt betrachten.

Im Cyber-physischen System sollte idealerweise die Digitale Fabrik das Cyber-System bilden, das mittels kognitiver Fähigkeiten in die Lage versetzt wird, Best Practices zu definieren. Aufgrund dieser Intelligenz lassen sich auf der operativen Ebene beispielsweise Abweichungen von einer Norm oder auch Fälle von Energieverschwendung frühzeitig erkennen.

Die Digitale Fabrik wäre so auch in der Lage, sämtliche Prozesse zu überwachen, um sofort korrigierend einzugreifen, beispielsweise wenn pandemiebedingt Lieferketten gestört und kurzfristig Entscheidungen zu treffen sind, welche Produkte mit welchen Alternativen noch gefertigt werden können und welche anderen zurückzustellen sind. Denkbar sind sogar Metaverse-Plattformen, die es ermöglichen, den digitalen Planungsassistenten in 3D zu realisieren und Bauteile frühzeitig visuell beurteilen zu können.

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Mehr Effizienz im Presswerk

Die Fachtagung von MM MaschinenMarkt und blechnet

Presswerke sind eine Millioneninvestition, entsprechend viel Output erwartet man von ihnen. Wie lassen sich Kosten senken und die Effizienz erhöhen? Vor dem Hintergrund der Herausforderungen von Qualität, Flexibilität, sinkenden Losgrößen und Verfügbarkeiten gilt es die Produktion für den steigenden Kostendruck fit zu machen. Lösungen, die Sie sofort in Ihrem beruflichen Alltag unterstützen, finden Sie als Entscheider auf unserer praxisnahen Fachtagung.

Informationsarchitektur als Strategie und Rahmen

Entscheidende Vorteile beim Aufbau von digitaler Datendurchgängigkeit bietet eine Informationsarchitektur: Sie unterstützt eine Daten- und Informationsstrategie mit dem Ziel, eine gemeinsame Semantik von Daten zu schaffen sowie die Quellen zu klassifizieren, die diese Informationen erzeugen. Die Architektur muss nicht ausufernd, sondern strategisch angelegt sein. Am Beispiel der Energieeffizienz erläutert, regelt sie etwa folgende Bereiche:

  • Welche Informationen werden aus der Fabrik benötigt, um bestimmte rechtliche, fachliche oder analytische Anforderungen zu erfüllen?
  • Wo kommen diese Daten her?
  • Sind sie manuell abrufbar oder erfolgt dies automatisiert?
  • Reicht die Qualität aus?
  • Wie definiere ich die Semantik?

Eine Stückliste für den Einkauf hat wenig mit der Stückliste zu tun, die der Entwickler nutzt. Die Informationsarchitektur weist auch Objekten wie einer Einkaufsstückliste oder einer Entwicklerstückliste jeweils eindeutige Bedeutungen zu, die als Taxonomie im ganzen Unternehmen gelten.

Auf diese Weise hindert eine Informationsarchitektur die Beteiligten daran, wie aus Scheuklappen heraus für jedes Problem ein einzelnes Projekt aufzusetzen. Ansonsten würden nur Einzellösungen entstehen. Der eigentlichen Komplexitätsfalle entgeht das Unternehmen so nicht, im Gegenteil, es verschärft sie sogar noch.

OPC UA ermöglicht Austausch und Interaktion

Bei der Realisierung von Informationsarchitekturen spielt der Einsatz von Framework und Standards eine wichtige Rolle. Die Daten aus den Silos sind nicht ohne Weiteres zusammenführbar und somit interpretierbar. Frameworks wie OPC UA ermöglichen etwa, Daten aus unterschiedlichen Quellen zusammenzuführen und auf der Basis eines Informationsmodells einheitlich interpretieren zu können. Ein Beispiel, wie eine solche Vernetzung mit dem Kommunikationsstandard OPC UA in der Praxis aussehen kann, wurde kürzlich mit einem Autorenteam der Deutschen Bahn im Whitepaper „Von Daten zur Wertschöpfung: Maschinen sprechen lassen und sie richtig verstehen“ dargestellt.

Digitale Durchgängigkeit entlang ganzer Lebenszyklen und Architektur als strategisches Ordnungselement sind die Schlüssel für erfolgreiche Unternehmen. Heute geforderte Konzepte wie der Digitale Zwilling oder die bestmögliche Nutzung von Daten und Informationen entlang ganzer Wertschöpfungsketten werden nur gelingen, wenn Komplexität mit ihrer Hilfe beherrschbar gemacht wird.

Dieser Beitrag ist ursprünglich auf unserem Partnerportal Industry of Things erschienen.

* Uwe Weber und Hendrik Grosser arbeiten beim Digital Engineering Center der Managementberatung Detecon.

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