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Topologisches Wälzschleifen
Verzahnungen sind in den seltensten Fällen unmodifiziert: Die einfache Evolvente existiert im Lehrbuch, nicht in der Praxis. Dort müssen die Konstrukteure Toleranzen, wie Lagefehler der Achsen, berücksichtigen: Die Zahnflanke wird mit einer Balligkeit von wenigen µm versehen. Wäre sie unmodifiziert, würde sich der geringste Lagefehler negativ auf Tragfähigkeit und Geräuschemission auswirken. Soll so eine Verzahnung mittels Wälzschleifen produziert werden, stellt dies besondere Anforderungen an die Maschine: Beim Schleifen muss der Achsabstand zwischen Werkzeug und Werkstück kontinuierlich geändert werden. Durch die Lage der Berührlinien und der Achsabschnitte führt dies jedoch zu einem “Abbildungsfehler“: Statt einer symmetrischen Wölbung kommt es zu einer Flankenverzerrung. In der Regel will man Verschränkungen nicht einfach eliminieren, sondern gezielt beeinflussen. Wenn der Kunde genau weiß, welche Last auftritt und wie sich seine Bauteile hierbei verformen, kann er den besten Wälzkontakt für diese Anwendung berechnen.
Selbst eine derart komplexe Verzahnung lässt sich per Wälzschleifen herstellen. Dazu müssen einerseits während des Schleifprozesses bestimmte Achsbewegungen miteinander abgestimmt werden, sodass eine feste Verbindung zwischen Shift- und Vorschubbewegung geschaffen wird. Andererseits benötigt man ein modifiziertes Werkzeug: Die Schleifschnecke muss Bereiche mit unterschiedlicher Geometrie aufweisen, die gezielt eingesetzt werden. Beim Abrichten lassen sich diese Bereiche mit Standardwerkzeugen erzeugen. Es liegt auf der Hand, dass die Berechnung der Schneckengeometrie und der eigentliche Bearbeitungsprozess eine sehr leistungsfähige Software erfordern. Einige Hersteller führen diese Berechnungen im eigenen Haus durch und spielen die Daten anschließend in die Maschine des Kunden ein. Dies kostet jedoch Zeit. Insbesondere bei der Prototypenfertigung oder Tests zieht jede noch so geringe Modifikation einen längeren Maschinenstillstand nach sich. Bei Kapp Niles hat man deshalb einen anderen Weg eingeschlagen.
Beim topologischen Wälzschleifen steht bei dem Unternehmen eine bedienerfreundliche Benutzerführung und die maschineninterne Berechnung aller notwendigen Daten, beziehungsweise Abricht- und Schleifbahnen im Vordergrund. Der Kunde hat von der Simulation über die Fertigung bis hin zur Kontrolle in 2D- und 3D-Darstellung alle Möglichkeiten, die Verschränkung in seinem Sinn zu beeinflussen. Nach der Dateneingabe wird die Schneckenbreite mit einer maximal möglichen Anzahl der Shiftbereiche versehen. Beim topologischen Wälzschleifen möchte man möglichst viele Bereiche auf der Schnecke haben, um die Schnecke maximal auszunutzen. Allerdings müssen diese Bereiche groß genug sein, um die gewünschte Geometrie zu erzeugen. Die generierte Anzahl wird vom Maschinenbediener übernommen und auf der Simulationsseite kontrolliert. Wird der Maschinenbediener mit Werkzeugverschließ und Qualitätsverlust beim Schleifen infolge einer hohen Anzahl der Shiftbereiche konfrontiert, ist es möglich diese Anzahl zu reduzieren und somit die bestmögliche Verzahnungsqualität zu gewährleisten.
Geschwindigkeit – Mehrrilliges Abrichten
Ein wesentlicher Vorteil des Wälzschleifens ist die Zeitersparnis. Durch die Verwendung hoher Gangzahlen am Werkzeug kann die Vorschubgeschwindigkeit erhöht und die Bearbeitungszeit entsprechend verringert werden. Als nächster Schritt zur Zeitreduzierung war es zweckmäßig, die Abrichtzeiten zu verringern. Dies gelang durch das gleichzeitige Abrichten mehrerer Gänge mit einem Abrichtwerkzeug.
Der Schleifmaschinenhersteller hat dieses Verfahren genau untersucht, um alle Verbesserungspotenziale auszuschöpfen. Dies beginnt bei der Fertigung des Abrichtwerkzeugs. Mehrrilliges Abrichten erfordert Vollprofilabrichtrollen: Werkzeuge, die keinen separaten Kopfabrichter brauchen. Zur Herstellung nutzt Kapp Niles das sogenannte Negativverfahren. Bei diesem Verfahren werden Diamantkörner nicht direkt auf den Grundkörper, sondern in eine Negativform aufgebracht und vernickelt. Danach wird diese abrasive Form mit einem separat hergestellten Grundkörper verheiratet. Um die Abrichtzeit möglichst gering zu halten, müssen die Anzahl der Rillen an Abrichtrolle und Schnecke aufeinander abgestimmt sein. Im Idealfall sind sie gleich, sodass für eine Zustellung nur ein Hub nötig ist. Aus technologischen Gründen ist dies jedoch nicht immer möglich. Bei einer Kombination aus fünf Gängen an der Schnecke und drei Rillen an der Rolle würde letztere jedoch ungleichmäßig verschleißen. Um dies zu vermeiden und damit die Standzeit der Rolle zu erhöhen, arbeiten Maschinen von Kapp Niles mit einem Algorithmus, der für eine gleichmäßige Abnutzung sorgt.
Die Beispiele belegen, dass selbst bei einer bewährten Technik wie dem Wälzschleifen noch große Fortschritte bezüglich Produktivität und Qualität möglich sind. Zu den schnelleren Antrieben, den neuen Werkzeugkonzepten und den intelligenten Steuerungen kommen noch Verbesserungen hinzu, wie beispielsweise das vollautomatische Umrüsten der Spannmittel oder integrierte Automationslösungen in der neuen Pick-Up Wälzschleifmaschine. MM
* Martin Witzsch ist freier Journalist in 91056 Erlangen, Tel. (0 91 31) 9 26 67 25, info@witzsch.com
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