Prozessoptimierung Mehr Effizienz im Presswerk
Laufen, laufen, laufen müssen sie: Presswerke erfordern hohe Investitionen, entsprechend viel Ausbringung wird von den Maschinen erwartet. Bei näherer Betrachtung zeigen sich viele Möglichkeiten, um doch noch mehr herauszuholen.
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Neun Handlungsfelder zur Effizienzsteigerung in Presswerken nannte Stephan Paul, Leiter Customer Service Center bei Schuler, beim jüngsten Tech-Day des Unternehmens in Gemmingen: Produktionsanlagen, Anlagennutzung, Werkzeuge, Qualität, Mitarbeiterqualifikation, Führungsleistung, Wertstrom, präventive Wartung und Logistik. Dabei ist der OEE immer im Gesamtbezug zum Presswerk zu sehen, sagte Paul: „Man muss das Optimum zwischen einem hohen Nutzungsgrad, niedrigen Beständen und dem dafür nötigen schnelleren Rüsten finden. Es gilt also, die Anlagenverfügbarkeit zu interpretieren und Maßnahmen daraus abzuleiten.“
Doch müssen erst die Grundlagen stimmen. „Das werkzeugfallende Teil muss in einwandfreier Qualität im Werkzeug herstellbar sein, im Anschluss muss im Presswerk die Hubzahl gesteigert werden. Dabei steht die Prozesssicherheit der Herstellung im Fokus. Ist das Prozessfenster robust, so können wir anschließend die Einstellhubzahl in Abhängigkeit von der Teilequalität maximieren“, berichtete Christian Först, Leiter Presswerk 3 Ingolstadt der Audi AG. Damit habe der Autohersteller nach einem Anlauf Produktivitätssteigerungen von bis zu 50 % realisiert.
Viele Einflüsse auf Anlagenverfügbarkeit im Presswerk
Betrachtet man die Anlagenverfügbarkeit, erkennt man nach den Worten von Paul, dass Verluste hier vielfältige Gründe haben. Dazu zählen beispielsweise ein zu langer Rüstprozess, aber auch die technischen Voraussetzungen der Produktionsanlage. Einen weiteren Aspekt bringt Dr. Josef Meinhardt, Steuerung Planungssystematik und Produktionstechnik in den Presswerken der BMW Group, ein. „Durch optimal zugeschnittene Fertigungskonzepte können wir viele Störungen von vorneherein ausschließen. Dazu bringen wir uns frühzeitig in die Entwicklung eines Fahrzeugs ein, um das Produkt aus fertigungstechnischer Sicht mitzugestalten“, erläuterte er auf Anfrage von MM Maschinenmarkt.
Auch BSH Hausgeräte hat hierzu einige Erfahrungen gesammelt. Wie eine Unternehmenssprecherin erläuterte, sieht der Hausgerätehersteller viele Punkte, die Potenzial für mehr Effizienz im Presswerk bieten, darunter die Qualifizierung von Anlagenbedienern und Instandhaltern, eine strikte Trennung der Blechsorten, Fehlervermeidung und -erkennung bei Sichtteilen aus Edelstahl oder eine Reduzierung beziehungsweise Kompensation der Effekte von Chargenschwankungen im Rohmaterial. Christer Bäckdahl, Chief Technical Officer Product Development des Herstellers AP&T, hebt zudem die Vorteile eines einheitlichen Maschinenparks hervor. „Unsere Ausrüstung ist dazu ausgelegt, dass sie miteinander interagiert und damit eine hohe Verfügbarkeit sowie eine einfache Bedienung sicherstellt. Die Steuerungen sind aufeinander abgestimmt und sichern eine volle Kommunikation untereinander. Das erleichtert zudem die Datensammlung für Industrie 4.0“, sagte er.
Gute Vorbereitung verkürzt die Rüstzeiten
Um Verbesserungen beim Rüsten zu erreichen, muss man laut Paul zwischen dem externen und dem internen Rüsten unterscheiden. Das externe Rüsten hat Einfluss auf den OEE, wenn die Rüstvorbereitung (externes Rüsten) nicht vollständig durchgeführt wurde und somit dann Tätigkeiten in das interne Rüsten, sprich bei bei Anlagenstillstand, auflaufen. „Das externe Rüsten braucht einen Standard, es darf nachher nichts im internen Prozess stören“, erläuterte er. Beim internen Rüsten hingegen variiere die Dauer und hänge auch vom Automatisierungsgrad der Anlage ab.
Potenzial bei den Rüst- und Ladezeiten sieht auch Victor Rodrigues, Technical Office Director beim Pressenhersteller und Automobilzulieferer Gestamp. „Wir reduzieren die Prozessanpassungen und die Zeiten zum Laden neuer Coils, Platinen und Werkzeuge. Indem wir effiziente Standards entwickeln, können wir Verbesserungen bei den meisten Pressen erreichen“, sagte er auf Anfrage von MM Maschinenmarkt. Diese Standards für den Werkzeugwechsel könnten auch bedeuten, dass man den Automatisierungsgrad erhöhen müsse, um die Gesamtzeit zu optimieren.
Standards bei Komponenten und Prozessen im Presswerk
Bäckdahl verweist auf die Bedeutung standardisierter Komponenten für diese Prozesse: „Indem wir standardisierte Komponenten für die Wechsel und automatisierte Systeme zum Andocken haben, können wir kurze Wechselzeiten sicherstellen.“ Die Abläufe werden außerdem simuliert, bevor die Produktionsausrüstung konstruiert wird, um eine optimale Performance zu erreichen.
Um die Ausbringungsleistung zu erhöhen und Performance-Verluste zu reduzieren, lassen sich laut Paul die Bewegungskurven von Transfer, Automation und Stößel optimieren. Dafür sei eine entsprechende Werkzeug- und Tooling-Gestaltung unabdingbar. Claus Dratz, stellvertretender Vertriebsleiter Deutschland bei Fagor Arrasate, verweist hierzu auf die Software des Pressenherstellers. So zeigt Visual Stamp beim Auftreten unzulässiger Kräfte während des Stanzens oder Schneidens auf einer Presse anhand von Grafiken, ob der Grund dafür in den Einstellungen der Presse oder im Werkzeug zu suchen ist. „Die Analyse erfolgt in Echtzeit durch ein autonomes, cyber-physisches System, welches in die Pressensteuerung eingebunden ist“, sagt Dratz. Das Simulationsprogramm Syncro optimiert den Prozess zwischen Presse und elektronischem Transfer beziehungsweise Ladefeeder. Damit werden an einem virtuellen Modell die Bewegungskurven sowie Geschwindigkeiten von Presse und Transfer berechnet, verglichen und auf Interferenzen geprüft. Die Software Syncro 3D schließlich berechnet und steuert die Ausführung von Pressenzyklen, optimiert dabei die Hubzahlen und führt zu einer höheren Ausbringung.
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