Getriebe Neues Getriebeprinzip: Präzision liegt in der Luft

Autor / Redakteur: Bastian Minke und Volker Sprenger / Stefanie Michel

Um Composite-Bauteile herzustellen, sind spezielle Maschinen und Prozesse nötig. Für ein neues Fertigungsverfahren wurde eine Maschine mit Portalkonstruktion und flexibel schwenkbarem Roboterkopf entwickelt – dank eines neuen Getriebes. Das Ergebnis: Zeitersparnis in der Fertigung und hohe Präzision.

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Namhafte Flugzeugbauer vertrauen auf die Hochleistungsmaschinen von Electroimpact, in denen das Galaxie-Antriebssystem zum Einsatz kommt.
Namhafte Flugzeugbauer vertrauen auf die Hochleistungsmaschinen von Electroimpact, in denen das Galaxie-Antriebssystem zum Einsatz kommt.
(Bild: ©Vaidas Bucys - stock.adobe.com)

Die Produktion von Composite-Bauteilen für die Luftfahrtindustrie stellt höchste Anforderungen an die Komplexität, Präzision und Wiederholgenauigkeit automatisierter Fertigungsschritte. Bei Electroimpact in der Nähe von Seattle, einem der weltweit führenden Anbieter von Maschinen und Automatisierungslösungen für die Luftfahrtindustrie, setzt man daher auf das verdrehsteife und spielfreie Getriebe Galaxie der Wittenstein SE. Mit Leistungsdaten, die bislang in dieser Baugröße unvorstellbar waren und in ihrer Kombination weltweit einzigartig sind, bewährt sich das Galaxie auch hier als Enabler der nächsten Generation von Hochleistungsmaschinen made by Electroimpact.

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Das Galaxie basiert auf einer grundlegend neuen, patentierten Getriebekinematik. Der Kern der Innovation: ein Wälzlager mit polygonförmigem Innenring und ein segmentierter Lageraußenring – beides vollkommene Neuentwicklungen. Jeweils bezogen auf den Stand der Technik bei koaxialen Hohlwellengetrieben mit ähnlichem Außendurchmesser erreicht die Galaxiekinematik bis zu 170 % mehr maximales Drehmoment, eine bis zu dreifach höhere Überlastsicherheit, je nach Vergleichsgetriebe drei- bis fast sechsmal mehr Verdrehsteifigkeit und bis zu 70 % größere Hohlwellendurchmesser. Dies sind nur einige der Leistungsmerkmale, mit denen die neue Getriebegattung Galaxie Konstrukteuren völlig neue Perspektiven eröffnet – wie beispielsweise bei der US-amerikanischen Electroimpact Inc., einem Spezialisten für das Fertigen von Composite-Bauteilen.

Automatisierte Anlagen für Laminiervorgänge in der Flugzeugindustrie

Electroimpact ist ein etabliertes und weltweit führendes Unternehmen im Bereich Konstruktion und Fertigung von Werkzeugen und Automationssystemen für die Luft- und Raumfahrt. Das breite Spektrum der Projekte des Unternehmens umfasst vollautomatische Montagesysteme für die Tragflächen von Verkehrsflugzeugen, Nietmaschinen mit Werkzeugen für die Tragflächen- und Rumpfmontage, hochentwickelte Fiber-Placement-Maschinen, Montagerobotersysteme sowie Handhabungssysteme für Raumfahrzeuge. Zu den Kunden gehören unter anderen Airbus, Boeing, Bombardier, Embraer, Kawasaki Heavy Industries, Mitsubishi Heavy Industries, Fuji Heavy Industries, Spirit Aerosystems, Vought, Northrop-Grumman, Israeli Aircraft Industries, Xi’an Aircraft of China, Nasa und General Electric.

Electroimpact sieht seine Mission darin, die Luft- und Raumfahrtindustrie als führender Anbieter mit automatisierten Anlagen zu beliefern. Neben anderen Lösungen hat das ingenieurtechnisch fokussierte Unternehmen die AFP-Technologie (Automated Fiber Placement) entwickelt, die Schnitte und Materialaufträge mit den vom Kunden vorgegebenen Endmontagetoleranzen bei Vorschubgeschwindigkeiten bis 2000 ipm auf komplexen Rampenflächen ermöglicht und beim Layup von Bauteilen für Geschwindigkeiten bis 4000 ipm zertifiziert ist. Alle Laminiervorgänge lassen sich komplett bidirektional durchführen; der Bediener kann die Vorschubgeschwindigkeit beeinflussen, ohne dass sich dies auf die Schnittpräzision auswirkt.

Neue Maschinengeneration reduziert Arbeitsschritte für Composites-Bauteil

Namhafte Flugzeugbauer vertrauen auf die Hochleistungsmaschinen von Electroimpact – so auch das nur wenige Kilometer entfernte Werk von Boeing. Zur Entwicklung und Serienfertigung von Composite-Leichtbauteilen für die künftige Boeing 777X hat Electroimpact vier sogenannte AFP-Maschinen konzipiert, die den neuesten Stand der Technik darstellen: Für die Herstellung der vorderen und hinteren Tragflächenholme mit bis zu 33,5 m Länge werden jetzt nicht mehr – wie bislang üblich – drei Arbeitsschritte benötigt, sondern nur noch ein einziger. Ermöglicht wird dies durch einen etwa 0,5 t schweren Roboterkopf, der in eine mobile, 6 m breite Portalkonstruktion integriert ist und mit höchster Präzision mehrere Hundert Lagen Epoxidharz-getränkter Streifen und Bahnen aus Kohlefaser auf die jeweiligen Grundstrukturen aufbringt. Nach dem Aufbringen einer Bahn dreht der Roboterkopf um 180°, positioniert sich neu und appliziert in entgegengesetzter Richtung die nächste Bahn. Die AFP-Anlage für die Tragflächenholme ist zudem in der Lage, den Roboterkopf um ± 90° zu schwenken und so die U-förmigen Strukturen der Holme in einem Arbeitsgang zu fertigen. Für die Tragflächen wird ein etwa 1,5 t schwerer, in eine 12,8 m breite mobile Portalkonstruktion integrierter Roboterkopf eingesetzt.

Technologiesprung in der Composite-Fertigung mit zahlreichen Vorteilen

Die Vorteile dieser neuen Fertigungstechnologie sind vielfältig. Die Prozesszyklen sind dank des schnellen Materialauftrags deutlich kürzer, was die neue AFP-Maschinengeneration wesentlich produktiver macht. Dank des schwenkbaren Roboterkopfes können auch anspruchsvolle Geometrien wie die der Tragflächenholme jetzt effizienter und zeitsparender ausgeführt werden. Als komplexe Geometrie wird auch ein einteiliger Tragflächenholm realisiert, der damit die größte gestalterische Freiheit bietet und durch besonders leichte Bauweise die Konstruktion von effizienteren Flugzeugen ermöglicht. Bemerkenswert ist schließlich die verbesserte Qualität, denn das Kohlefasermaterial wird in beiden Maschinen von 16 beziehungsweise 20 parallelen Spulen in wenigen Zentimeter breiten Streifen abgezogen und mit bislang nicht erreichbarer Präzision ohne Lücke nebeneinander aufgebracht. Nacharbeiten werden durch diese hohe Genauigkeit minimiert. Die fertigen Tragflächen und Holme überzeugen durch eingespartes Gewicht sowie eine schlankere und aerodynamisch optimierte Form.

Voraussetzung für die hohe Produktivität im Fertigungsprozess der Flugzeugteile ist die hohe kinematische Präzision und Wiederholgenauigkeit der mobilen Portalkonstruktion und des flexibel schwenkbaren Roboterkopfes. Mit dem Galaxie-Getriebe von Wittenstein setzen die Ingenieure von Electroimpact in den AFP-Anlagen auf eine Lösung, welche die hohen technischen Anforderungen in vollem Umfang erfüllt und darüber hinaus Potenziale bietet. Die entscheidenden Vorteile des Galaxie G sind die hohe Verdrehsteifigkeit sowie die völlige Spielfreiheit, welche eine höchst präzise Positionierung bei Richtungsänderungen während der Auftragsprozesse ermöglicht. Für den Einsatz in den Schwenkachsen gewährt die Kompaktheit zudem mehr Flexibilität in der Bewegungsführung.

Fertigungstechnik wird erst durch neues Getriebeprinzip möglich

Ermöglicht werden beide Präzisionseigenschaften durch das besondere Konstruktionsprinzip des Galaxie-Getriebes. Es basiert auf segmentierten Einzelzähnen, die auf einem Antriebspolygon mit Nadellagerung angeordnet sind und mit der Innenverzahnung eines Hohlrades kämmen. Aus dieser Anordnung und der speziellen Zahnflankengeometrie resultiert ein Zahneingriff, der mit einer bis zu 6,5-mal größeren tragenden Zahnfläche als bei üblichen Getriebekinematiken erfolgt. Dies, die Minimierung von Biegelängen sowie die optimierte Breitenlastverteilung im Zahneingriff und ein massiv ausgeführter, segmentierter Lageraußenring führen im Zusammenspiel mit dem massiven Zahnträger unter dem Strich zu einer Verdrehsteifigkeit, die um bis zu 580 % größer ist als die der besten vergleichbaren Getriebe am Markt. Der spezielle Aufbau des Galaxie-Getriebes als Einzelschubzahnkinematik ermöglicht es den Spezialisten von Wittenstein, durch gezielte innere Verspannung das Getriebe spielfrei aufzubauen. Parallel dazu sorgt die Ausbildung hydrodynamischer Schmierfilme in den Kontakten für höchste Wirkungsgrade im Bereich der Positioniergetriebe.

Dadurch wird ein über die gesamte Lebensdauer herrschendes Nullspiel des Antriebssystems erreicht – was vor allem bei der Bewegungsrichtungsumkehr von Portal und Roboterkopf höchste Präzision garantiert. Aus Sicht der AFP-Maschine resultieren diese Eigenschaften des Galaxie-Getriebes, die es erstmals erlauben, die hochkomplexen Composite-Flugzeugteile in einem Stück zu fertigen, in einer bislang unerreichten Produktivität.

* Bastian Minke ist Vertriebsingenieur und Volker Sprenger Start-up Manager Galaxie Systeme bei der Wittenstein SE in 97999 Igersheim

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