VDI Wissensforum Wann Windenergieanlagen nach der Entwurfslebensdauer weiterbetrieben werden können

Autor / Redakteur: R. Kamieth, Robert Liebich, Christoph Heilmann und Andreas Mühlbauer / Stefanie Michel

Nach Ablauf der Entwurfslebensdauer einer Windenergieanlage stellt sich die Frage, ob oder unter welchen Umständen diese weiter betrieben werden kann. Die Restnutzungsdauer lässt sich unter Verwendung von Messdaten abschätzen. Dieser Beitrag zeigt, welche Einflüsse dabei in Betracht gezogen werden müssen und wie zuverlässig diese Aussagen sein können.

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Kann die Anlage länger als 20 Jahre in Betrieb bleiben? Um den Zeitraum eines möglichen Weiterbetriebs zu bestimmen, gibt es neue Ansätze.
Kann die Anlage länger als 20 Jahre in Betrieb bleiben? Um den Zeitraum eines möglichen Weiterbetriebs zu bestimmen, gibt es neue Ansätze.
(Bild: Berlinwind)

Windenergieanlagen (WEA) sind in Deutschland meist für eine Lebensdauer von 20 Jahren ausgelegt. Mehrere tausend erreichen derzeit jährlich das Ende dieser Zeitspanne, aber gleichzeitig wollen die Betreiber diese Anlagen weiter nutzen. Hierzu muss dieser dem zuständigen Bauamt gegenüber die Betriebssicherheit für alle lastabtragenden Strukturkomponenten nachweisen (Bild 1). Um den Zeitraum eines möglichen Weiterbetriebs zu ermitteln, müssen dabei zwei Methoden kombiniert werden: Zum einen eine komplette analytische Neuberechnung der WEA. Diese erfordert unter anderem ein Wind- und Turbulenzgutachten sowie detaillierte Konstruktionsdaten und die individuellen Anlagenparameter. Zudem ist eine vertiefte WEA-Inspektion durch Sachverständige notwendig, welche die genaue Kenntnis der Schwachstellen erfordert, um beispielsweise nach Rissen zu suchen.

Ergänzendes zum Thema
Tagung
VDI-Fachtagung „Schwingungen von Windenergieanlagen“

Einmal im Jahr treffen sich die maßgeblichen Ingenieure der Windbranche zur Veranstaltung „Schwingungen und Dynamik von Windenergieanlagen“, um sich zu neuen Lösungen für die Bereiche Schwingungen und Dynamik von Windenergieanlagen auszutauschen. Hier treffen Hersteller, Zulieferer, Dienstleister und Betreiber aufeinander und diskutieren Lösungen zu den Bereichen Schwingungsmessungen, -analyse und Simulation. Im Fokus der Tagung stehen praxisrelevante Lösungen und Erkenntnisse.

Die Fachtagung findet vom 7. bis 8. Juni 2016 in Bremen statt. Weitere Informationen und das Tagungsprogramm finden Sie auf der Tagungs-Webseite. Dort können Sie sich auch anmelden.

Bisherige Abschätzung des ertragenen Betriebslastkollektivs nicht ausreichend

Praktische Erfahrungen im eigenen mehrjährigen Forschungsprojekt sowie mit Last- und Schwingungsmessungen an WEA legen nahe, dass die alleinige Anwendung der beiden oben genannten Methoden zur Abschätzung des ertragenen Betriebslastkollektivs nicht ausreichend ist. Die Betriebslasten können erhöht sein, wenn beispielsweise ermüdungsrelevante Parameter des Rotors nicht mit denen des Entwurfs übereinstimmen. Zusätzliche Massenträgheitskräfte durch Rotorunwucht oder erhöhte aerodynamische Kräfte wegen Blattwinkeldifferenzen oder Blatterosion treten bei vielen Anlagen auf. Dies lässt sich an einer individuellen WEA verlässlich messtechnisch ermitteln, ebenso wie die Eigenfrequenzen von Blättern und Turm, die auch für die korrekte analytische Neuberechnung relevant sind (Bild 1). Messungen können erhöhte Ermüdungslasten zeigen, lange bevor sichtbare Risse entstehen und bieten damit auch die Möglichkeit, Gegenmaßnahmen einzuleiten, um die Belastung zu verringern.

Zudem gibt es alte WEA-Typen deren Konstruktionsunterlagen nicht mehr existieren, so dass eine detaillierte analytische Neuberechnung kaum möglich ist. Eine Lastmessung ist dann die einzig sinnvolle Alternative. Die neue Weiterbetriebs-Richtlinie des DNV-GL beschreibt vier unterschiedlich aufwändige Methoden. Neben der Betriebsdatenauswertung werden nun auch optionale Windmessungen sowie Lastmessungen zur Bestimmung der Schwingungsantwort der WEA genannt.

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