Künstliche Intelligenz Warum KI keine Allzweckwaffe ist

Autor / Redakteur: Nikolaus Fecht / Mag. Victoria Sonnenberg

Auf der Hannover Messe wagte das VDMA Competence Center Future Business einen Blick in die Kristallkugel und Dr.-Ing. Steven Peters, Leiter Artificial Intelligence Research bei Daimler, warb für KI als Zukunftswerkzeug für Ingenieure.

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„Es ist Netzwerken angesagt, in dem Unternehmen Daten miteinander teilen.“ Denn manchmal lohne es sich, „viele Angeln im Ozean der Daten zu haben“, so Dr. Eric Maiser, Leiter VDMA Future Business
„Es ist Netzwerken angesagt, in dem Unternehmen Daten miteinander teilen.“ Denn manchmal lohne es sich, „viele Angeln im Ozean der Daten zu haben“, so Dr. Eric Maiser, Leiter VDMA Future Business
(Bild: Fecht)

Nimm drei: So lautete der Tipp von Dr. Eric Maiser, dem Leiter von VDMA Future Business. „Trendscouting, Corporate Foresight und Start-up-Matchmaking sind die Werkzeuge, die Unternehmen helfen, sich auf Wandel vorzubereiten und die Zukunft zu gestalten“, betonte Maiser. „Der Maschinenbau ist eine innovationsgetriebene Industrie, die stets aktuelle Trends aufgreift und früh ein Gespür entwickeln muss, was Kunden und Endverbraucher bewegt.“ Doch die Flut neuer Trends lasse sich vor allem für Mittelständler kaum systematisch nach der Relevanz für das eigene Geschäft abklopfen, sei es Chance oder Bedrohung. Das betrifft nicht nur neue Technologien, sondern auch den Wandel in Gesellschaft, Ökonomie, Ökologie oder Politik.

„Was erwartet uns 2030?“, fragte der VDMA-Vordenker und nannte Beispiele von Klimaschutz bis Kreislaufwirtschaft. „Wir arbeiten mit in sich konsistenten Szenarien, die alle funktionieren können. Daher sprechen wir auch von mehreren möglichen Zukünften. Jeder Maschinenbauer kann herausfinden, welches Szenario auf ihn am ehesten zutrifft.“

Vier KI-Szenarien

Im Detail griff Maiser das Thema KI mit vier Szenarien heraus: vom KI-Siegeszug bis zur KI-Steppe, einmal von großen und einmal von mittelständischen Unternehmen getrieben. Anders als bei Verkehrsdaten oder Bilderkennung stehen beim Machine Learning für lernende Maschinen nicht immer genügend Lerndaten zur Verfügung. Hier sei Netzwerken angesagt, in dem Unternehmen Daten miteinander teilen. Denn manchmal lohne es sich, „viele Angeln im Ozean der Daten zu haben“.

Datenprotektionismus führe dagegen nicht zum Erfolg. Ein gutes Mittel zum Netzwerk-Zweck sei der Einsatz von anonymisierten Daten, die keine Details aus dem Unternehmen verraten. Für den Einstieg ins Thema KI empfahl Maiser die VDMA-Studie „Machine Learning 2030“, Videotutorials sowie einen Quick Guide des Verbandes.

Daten strategisch und nachhaltig erzeugen

Doch grau ist besonders KI-Theorie, daher berichtete Dr.-Ing. Steven Peters, Leiter Artificial Intelligence Research bei der Daimler AG in Böblingen, aus der bunten KI-Praxis eines Unternehmens. Das bereits erwähnte Problem mit zu wenige Daten kennt der Experte zu gut, denn „die Industrie hat im Durchschnitt keine Daten in einer Stückzahl wie Google oder Amazon“.

„Wir bringen dem neuronalen Netz das Bauchgefühl des Experten bei. Damit können wir beispielsweise hochautomatisiert die Güte von Finite-Element-Netzen klassifizieren.“ Dr.-Ing. Steven Peters, Leiter Artificial Intelligence Research, Daimler AG in Böblingen
„Wir bringen dem neuronalen Netz das Bauchgefühl des Experten bei. Damit können wir beispielsweise hochautomatisiert die Güte von Finite-Element-Netzen klassifizieren.“ Dr.-Ing. Steven Peters, Leiter Artificial Intelligence Research, Daimler AG in Böblingen
(Bild: Fecht)

Deshalb ist es für Peters unglaublich wichtig, dass Firmen Daten strategisch und nachhaltig erzeugen. Außerdem unterscheide sich die Arbeitsweise bei KI vom Schreiben eines klassischen Programms. Der klassische Algorithmus baut auf dem expliziten Wissen der Experten auf, die genau beschreiben, „wie ein Motor angesteuert wird“. Im Gegensatz dazu setzt Machine Learning auf vom Experten beschriftete Daten, aus denen sich zwar ein Modell ableiten lässt, aber oft keine expliziten Regeln. Daher ist ein Zusammenspiel zwischen Machine Learner und Fachexperten bei KI so essenziell. Geeignet sei maschinelles Lernen vor allem für sehr komplexe Fragestellungen, denn einem KI-System sei es egal, ob es eine Aufgabenstellung mit vier, fünf oder gar 2000 Dimensionen sei, solange es eine genügend große Datenmenge gebe.

Daimler geht das Thema „KI als Werkzeug für Ingenieure“ unter anderem seit 2018 mit Universitäten und Industriepartnern in dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt AIAx (Artificial Intelligence Aided x) an. Dazu heißt es in einer Daimler-Projektbeschreibung: „Die Künstliche Intelligenz soll die Digitalisierung des Produktentwicklungsprozesses mit großen, komplexen Datenmengen beherrschbar machen und Ingenieure so von zeitaufwendigen Routinetätigkeiten entlasten.“

Beherrschbare Datenmengen

Im Projekt AIAx soll eine Methode entstehen, mit der sich das KI-System mit menschlicher Erfahrung „füttern“ lässt. Es lernt, wie Experten bei der Entscheidungsfindung und Optimierung vorgehen. Peters: „Wir bringen dem neuronalen Netz das Bauchgefühl des Experten bei. Damit können wir beispielsweise hochautomatisiert die Güte von Finite- Elemente-Netzen klassifizieren.“

Bis zum Projektende im Herbst 2021 soll eine Methodik entstehen, die sich branchenübergreifend für verschiedene numerische Berechnungsverfahren des Maschinenbaus weiterentwickeln lässt. Allerdings warnte der Experte auch vor Euphorie: „Auch richtig eingesetztes maschinelles Lernen wird immer auch falsche Ergebnisse liefern.“ Dies müsse bei der Auswahl der Einsatzfelder sowie beim Entwurf des Gesamtsystems, in dem das Modell arbeiten soll, berücksichtigt werden.

Auf keinen Fall sei KI eine Allzweckwaffe, mit der sich ganz schnell viel Geld sparen lasse. Doch es bereichere die Werkzeugkiste des Ingenieurs, der es zum Forschen und Entwickeln nutzt. Maschinenbauer, die mit Automobilisten wie Daimler zusammenarbeiten, sollten allerdings in diese Technologie einsteigen. Die klare Botschaft von Peters: „Generell erwarten wir von jedem Partner, dass er Machine Learning als Werkzeug dort einsetzt, wo es sinnvoll ist, um neue Produkte oder Prozesse zu verbessern.“

Aus eigener Erfahrung steht für den KI-Experten eines fest: Auch Einsteiger sollten das KI-Feld nicht Dienstleistern überlassen, sondern sich das Know-how lieber selbst erarbeiten. Peters: „Ich rate dazu, zunächst mit einem eigenen Team und eigener Kompetenz Data Science zu betreiben. Denn KI ist das Zukunftswerkzeug: Daher müssen Sie es auch als Kernkompetenz ansehen.“

* Dipl.-Ing. Nikolaus Fecht ist Fachjournalist aus 45879 Gelsenkirchen. Weitere Informationen: VDMA Future Business in 60528 Frankfurt am Main, Tel. (0 69) 66 03-0, kommunikation@vdma.org

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