Werkzeugmaschinen Koreanische Werkzeugmaschinen made in Germany

Redakteur: Frank Fladerer

Südkorea ist der fünftgrößte Markt für Werkzeugmaschinen weltweit. Maschinen für mehr als 4 Mrd. US-Dollar wurden 2007 in dem ostasiatischen Land verkauft. Deutsche Unternehmen haben in Korea einen sehr guten Stand – sowohl als Verkäufer ihrer Maschinen wie auch als Zulieferer von Maschinenkomponenten.

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Eine Szene in der südkoreanischen Industriestadt Changwon-City: In einer Werkhalle wird ein Maschinenbett geschabt, an anderer Stelle wird montiert, wieder ein Stück weiter stehen die Werkzeugmaschinen für die Produktion. Vor allem Maschinen aus dem deutschsprachigen Raum und firmeneigene Erzeugnisse beherrschen das Bild in der Fabrik des koreanischen Maschinenbauers Hankook.

Mächtige Portal-Fräsmaschinen von Waldrich Coburg, große Führungsbahn-Schleifmaschinen von Schiess aus Aschersleben, Verzahnungsmaschinen des Schweizer Maschinenbauers Reishauer – Hankook fertigt mit dieser Ausstattung Werkzeugmaschinen für die Schwerzerspanung, die unter anderem bei der Produktion von Teilen für Windkraftanlagen Verwendung finden.

Das spröde, rund eine halbe Million Einwohner zählende Changwon-City ist das Silicon Valley des südkoreanischen Werkzeugmaschinenbaus. Alle Unternehmen mit Rang und Namen sind dort vertreten: Namen wie Doosan Infracore, Samsung Machine Tools, Kia oder Hanwha begegnen dem Besucher an jeder Straßenecke.

In den Werkhallen sind deutsche Maschinen an der Tagesordnung. „Jeder träumt hier von einer Waldrich für seine Produktion“, sagt Norbert Seo mit einem Schmunzeln. Der Deutsch-Koreaner ist als leitender Vizepräsident für den Erfolg von Hwacheon mitverantwortlich.

Koreanische Dreh- und Fräsmaschinen finden reißenden Absatz

Die Dreh- und Fräsmaschinen des Mittelständlers finden reißenden Absatz. „Wir sind in den vergangenen Jahren jeweils um mehr als 20% gewachsen“, sagt Seo. Vor allem große Maschinen für den Schiff- und Flugzeugbau, aber auch für die Fertigung der immer größer werdenden LCD-Fernseher treiben den Umsatz in die Höhe (siehe MM 27/2008, Seite 15).

Ein Blick in eine koreanische Drehmaschine zeigt, dass die Asiaten auch für das Innenleben ihrer eigenen Werkzeugmaschinen gerne auf Bauteile „made in Germany“ setzen: Hinter der Abdeckung des Schaltschranks finden sich Frequenzumrichter von Siemens und SPS-Schnittstellen von Weidmüller, im Spindelstock sind Lager von FAG und SKF eingebaut. Vor allem bei elektrischer Ausrüstung, Steuerung, Lagern, Antrieben und Spindeln gehören deutsche Bauteile zum guten Ton.

Ausländische Unternehmen neben koreanischen Werkzeugmaschinenbauern

Kein Wunder, dass ausländische Unternehmen sich ebenfalls im Zentrum des koreanischen Werkzeugmaschinenbaus angesiedelt haben. Ein Beispiel ist die Schaeffler-Gruppe, die in Changwon-City Kugellager und Kegelrollenlager produziert. Bereits seit 1953 ist das Unternehmen in Korea vertreten, beschäftigt dort heute rund 1800 Mitarbeiter an verschiedenen Standorten.

Korea ist mit einer Größe von 4,1 Mrd. US-Dollar (2,8 Mrd. Euro) der fünftgrößte Markt für Werkzeugmaschinen auf der Welt – und ein millionenschwerer Abnehmer für die deutschen Unternehmen. Im Jahr 2007 sind nach Angaben des Verbandes Komma (Korea Machine Tool Manufacturers’ Association) deutsche Werkzeugmaschinen im Wert von 232 Mio. US-Dollar (156 Mio. Euro) geliefert worden. Der VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau) weist sogar 173,6 Mio. Euro aus. Hinzu kommen Werkzeuge (109,0 Mio. Euro), Antriebstechnik (234,5 Mio. Euro) und Motoren (96,2 Mio. Euro).

Deutsche Maschinenbauer behaupten sich trotz Won-Abwertung

Angesichts der Zahlen und der übereinstimmend pro-deutschen Äußerungen koreanischer Branchenexperten ist klar: Deutsche Hersteller haben in Südkorea einen sehr guten Stand. Allerdings hängen die Glocken zunehmend höher. „Wegen der drastischen Won-Abwertung gegenüber dem Euro ist die Situation bei Standardmaschinen sehr schwierig für deutsche Anbieter“, sagt Gerhard Hein, Bereichsleiter Wirtschaft und Statistik des VDW (Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken).

Doch die Währungsfrage ist nicht allein für den Erfolg auf dem koreanischen Markt entscheidend. Nach Angabe des Branchenverbands Komma, der knapp 160 Unternehmen vertritt, ist der Lieferumfang deutscher und Schweizer Werkzeugmaschinen 2007 trotz der Wechselkurs-Nachteile relativ konstant geblieben.

Ein sauberer Vergleich zu Japanern und US-Amerikanern ist derzeit nicht möglich, weil die Basis für die Statistiken im vergangenen Jahr verändert wurde. Von 2006 auf 2007 sind die Maschinen für die Halbleiterindustrie aus der Statistik der Werkzeugmaschinen herausgenommen worden, wodurch sich für die USA und Japan als Hauptlieferanten ein Einbruch ergibt, der nicht den Marktverhältnissen entspricht.

Koreanische Hersteller von Werkzeugmaschinen setzen auf eigene Entwicklungen

Klar ist nach Einschätzung der Experten, dass es eine Verschiebung gibt, die technische Gründe hat. „Als wir in den 80er-Jahren angefangen haben, Werkzeugmaschinen zu bauen, haben wir uns auf das Kopieren konzentriert. Unsere Unternehmen legen aber heute verstärkt Wert auf eigene Entwicklungen“, erläutert Hung-Mock Ryu, seit März 2008 Geschäftsführer von Komma.

Diese Entwicklung hat die Koreaner weg von den einfachen Low-Cost-Maschinen und hin zum mittleren, zum Teil sogar oberen Qualitätsniveau geführt. „Bei der Qualität sind wir mittlerweile fast auf japanischem Niveau“, erklärt Hwacheon-Vorstandsmitglied Norbert Seo. Diese Aufholjagd senkt die Attraktivität der japanischen und amerikanischen Werkzeugmaschinen.

Perspektiven für deutsche Werkzeugmaschinen bleiben gut

Die deutschen Werkzeugmaschinenbauer können ihren technischen Vorsprung besser behaupten. „Sehr gute Perspektiven gibt es für deutsche Hersteller von modular hochrüstbarer Technologie, weil viele koreanische Zulieferer mit technologisch recht unterschiedlich strukturierten Maschinenparks massiv unter Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsdruck geraten sind“, sagt VDW-Chefstatistiker Hein. „Ferner haben Deutsche in Korea sehr gute Chancen, die Systemlösungen mit hohen Automatisierungsgraden darstellen können.“ Denn auch in Korea seien Fachkräfte Mangelware.

Bei einem intensiven Blick auf die Pläne der koreanischen Werkzeugmaschinenbauer offenbart sich eine Branche mit dem für Südkorea typischen Schwanken zwischen Selbstbewusstsein und Selbstzweifeln. Der größte Fisch im koreanischen Werkzeugmaschinen-Teich ist Doosan Infracore.

Doosan Infracore zeigt als Werkzeugmaschinenbauer international Präsenz

Spätestens seit der Übernahme der Werkzeugmaschinensparte von Daewoo im Jahr 2005 gehört das Unternehmen auch international zu den bedeutendsten Werkzeugmaschinenbauern. Doosan Infracore sieht sich selber weltweit als Nummer 5 im Bereich spanende Werkzeugmaschinen.

Der internationale Werkzeugmaschinenindex des amerikanischen Verlagshauses Gardner, der Zerspanung und Umformtechnik gemeinsam betrachtet, führt die Koreaner immerhin auf Platz 11. „Wir wollen 2015 der weltweit größte Werkzeugmaschinenbauer für Zerspanungsmaschinen sein“, erklärt Edward Kim, stellvertretender Leiter des Übersee-Verkaufsteams von Doosan. Die Kapazität soll für die ehrgeizigen Wachstumspläne von jährlich 10000 Maschinen in den kommenden fünf Jahren auf 20000 Maschinen ausgebaut werden.

Ähnlich offensiv zeigen sich auch andere Unternehmen: „Wir versuchen, unter die Top 5 der Welt zu kommen“, sagt B. K. Chang, stellvertretender Leiter des Überseeverkaufs von WIA. Bereits das Kürzel, das für World Industries Ace steht, soll das Selbstvertrauen der Werkzeugmaschinen-Sparte des Hyundai-Kia-Konzerns signalisieren.

Während die großen koreanischen Werkzeugmaschinenbauer den Anspruch auf Weltmarkt-Führung offen ausdrücken, sind im persönlichen Gespräch auch Zeichen für Zweifel erfahrbar. „Welche koreanischen Unternehmen halten Sie für international wettbewerbsfähig?“ Diese eher auf die Hersteller aus der zweiten Reihe abzielende Frage stellte eine koreanische Marktbeobachterin bei der diesjährigen Werkzeugmaschinenmesse Simtos.

Werkzeugmaschinenbauer fürchten Konkurrenz aus China

Vor allem vor China herrscht eine große Angst. „Die Chinesen sind uns schon sehr nahe gekommen“, äußert sich Komma-Chef Ryu, der zugleich Geschäftsführer von Hankook ist, nachdenklich. Gerade einfache Maschinen werden vermehrt in China gebaut. Der Werkzeug- und Formenbau hat einen Exodus ohnegleichen in Richtung des mächtigen nördlichen Nachbarn hinter sich.

Südkoreanische Unternehmen versuchen gegenzusteuern, indem sie einfache Maschinen, die nur für den chinesischen Markt bestimmt sind, vor Ort in China produzieren. Doosan Infracore stellt dort jährlich 1000 Maschinen her.

Standardmaschinen rentieren sich in Korea nicht mehr

WIA-Manager B. K. Chang bringt die aktuelle Entwicklung auf den Punkt: „In China möchte jeder eine billige Maschine. Diese Standardmaschinen rentieren sich für uns aber nicht mehr, weil die Lebenshaltungskosten in Korea so hoch sind.“ Deshalb müssten die Koreaner bessere und vielfältigere Maschinen bauen als vor ein paar Jahren – und sich neue Märkte erschließen.

Abgesetzt werden sollen die besseren Maschinen, darin sind sich die Experten einig, verstärkt im Ausland. Nicht zuletzt deshalb hat Komma-Geschäftsführer Ryu sich verstärkte Marktpräsenz außerhalb von Korea als vorrangige Aufgabe gesetzt – und Deutschland spielt dabei eine wichtige Rolle.

Beispiel 1: Südkorea ist das einzige asiatische Zielland der AMB 2008, also der ausstellerstärksten deutschen Werkzeugmaschinenmesse in diesem Jahr. Beispiel 2: Südkorea ist Partnerland der nächsten Hannover-Messe, wodurch der drastische Wandel des koreanischen Maschinenbaus auch auf der weltweit größten Industriemesse mit ihren vielen tausend Besuchern klar erkennbar sein wird.

Bis zum Termin der Hannover-Messe im April 2009 wird der Inhalt einer wuchtigen braunen Lattenholzkiste, die in einer der Werkhallen in Changwon-City auf ihre Verschiffung wartet, längst seinen Betrieb aufgenommen haben. Der Adressaufkleber auf dem Lieferschein verrät das Ziel: Russland.

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