Lean Management Lean Management sorgt mit kontinuierlicher Verbesserung für Wettbewerbsvorsprung
Nicht der Abbau von Arbeitsplätzen oder die Verlagerung der Produktion ins Ausland, sondern die Optimierung der Prozesskette ermöglichen eine Steigerung der Produktivität. Bei der Heidelberger Druckmaschinen AG führte die Ausrichtung der Arbeitsabläufe und der Produktionslogistik an der Wertschöpfung zu einem Produktivitätsgewinn von 5% und einer Kostensenkung in der Fertigung um 3,5%.
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Dass der Maschinen- und Anlagenbau in Deutschland boomt, beweist seine Wettbewerbsfähigkeit. Die ist nicht vordergründig eine Frage der Lohn- und Gehaltsstruktur, sondern vielmehr der intelligenten Gestaltung von Produktionsprozessen, und zwar mit hochqualifizierten Mitarbeitern. Was es bedeutet, wenn Arbeitsprozesse konsequent an der tatsächlichen Wertschöpfung ausgerichtet werden und der Wertstrom vom Rohteil bis zum fertigen Produkt durchoptimiert ist, zeigt das Beispiel Heidelberger Druckmaschinen AG.
Organisatorische Änderungen senken die Lohnstückkosten
„Die einfache Mathematik – mehr Produktivität ist gleich weniger Arbeitsplätze – ist falsch. Eine effizientere Produktion macht uns in Summe als Unternehmen am Markt erfolgreicher und nur das sichert Beschäftigung“, ist Stephan Plenz, Leiter des Heidelberg-Produktionsverbundes, überzeugt. Sein Ziel ist die kontinuierliche Senkung der Lohnstückkosten, allerdings nicht durch die Verlagerung der Produktion ins Ausland, sondern durch Eingriffe in die Prozesskette, wenn sich diese als ineffizient erweist. Der Exportanteil der Heidelberger Druckmaschinen AG liegt bei 85%, die Wertschöpfung vollzieht sich größtenteils am Standort Deutschland.
„Wir wollen uns jeden Tag ein Stück verbessern. Dafür braucht man Mitarbeiter, die verstanden haben: Wie optimiere ich Prozesse, ohne ein Stück Qualität zu riskieren?“, so Plenz. Die Veränderung, die Fähigkeit zur Anpassung an wechselnde Anforderungen, die ständige Suche nach praktikableren Lösungen steht bei Heidelberg auf der Tagesordnung. Die „atmende Fabrik“ – was noch vor wenigen Jahren so philosophisch anmutete – ist inzwischen bodenständige Praxis geworden.
Vorzeigefabrik mit Lean Management 2003 gestartet
Es begann 2003 an drei Standorten des Heidelberg-Produktionsverbundes mit zwölf unterschiedlichen Teilprojekten: in Wiesloch bei Heidelberg, dem größten Druckmaschinenwerk der Welt, in Amstetten, einer der größten Gießereien, und in Brandenburg, wo Stangen und Drehteile produziert werden. Anhand einer Produktreihe, der Mittelformatklasse der Bogenoffset-Druckmaschine „Speedmaster“, wurde modellhaft durchexerziert, wie die Fertigungsabläufe und die Teilelogistik optimiert werden könnten. Es entstand eine so genannte „Vorzeigefabrik“.
Zu den Besonderheiten der Produktion von Druckmaschinen gehören zum einen äußerste Präzision und komplexes Know-how, die sich über die gesamt Kette erstrecken und eine Vielzahl hochqualifizierter und erfahrener Mitarbeiter einbinden. Zum anderen wächst permanent der Anteil an „customized“ Maschinen, die an spezifischen Kundenanforderungen ausgerichtet sind. Die zunehmende Variantenvielfalt der Maschinen, die aus bis zu 100 000 Teilen montiert werden, und die vom Markt geforderten kürzeren Lieferzeiten führen letztlich zu einem wachsenden Flächenbedarf für die Produktionslogistik und zu erhöhtem Organisationsaufwand.
All dies ist eigentlich Gift für die Effizienz. Noch 2004 wurden weniger als 40% der Fläche für die eigentliche Montage genutzt. Materiallager und lange Transportwege bestimmten das Bild. So mancher Werker legte täglich Hunderte Meter für die Beschaffung von Teilen zurück!
Lean Management bringt Erfolg durch Ausrichten an der Wertschöpfung
Die Vorzeigefabrik hatte Erfolg. Arbeitsprozesse und Systeme wurden an der tatsächlichen Wertschöpfung ausgerichtet, die Materialbestellung neu konzipiert. Arbeitsplätze wurden ergonomisch gestaltet, häufig benötigte Materialien und Teile anders positioniert, Aufwände für einzelne Tätigkeiten minimiert, Arbeitsschritte zusammengefasst, Lagerbestände drastisch verringert. Alles erfolgte unter intensiver Mitwirkung der wissenden Mitarbeiter an Ort und Stelle.
Ergebnis: Teile- und Materialbestände konnten in den Montagen um 30% abgebaut werden. Jetzt sorgen interne und externe Zulieferer für verbrauchsgesteuerte „Just-in-sequence“-Anlieferung. Aus der „Vorzeigefabrik“ wurde HPS, das Heidelberg Produktionssystem. Seit Jahresbeginn 2006 hält es systematisch und flächendeckend in allen Bereichen der Produktion Einzug.
Kontinuierliche Verbesserung angestrebt
HPS ist keine Sammlung von Arbeitsrichtlinien für die Optimierung technischer Details, sondern definiert Prinzipien, Leitsätze und Methoden für die effiziente Druckmaschinenproduktion. Es ist als Prozess ausgelegt und gibt vor allem Orientierung für die Weiterentwicklung. Das Ideal ist nicht die einmalige Durchsetzung neuer Standards nach dem Motto „Machts einmal richtig und Schluss!“ Stetiges Verbessern wird Normalität.
Ähnlich dem Paragraf 1 der Straßenverkehrsordnung ist auch beim HPS ein Grundsatz zentral, von dem sich weitere ableiten: die „Null-Fehler-Strategie“. Klingt banal, ist aber der ungeheuren Komplexität und den Präzisionsanforderungen einer Druckmaschine geschuldet. „Null Fehler“ gelten für jeden Schritt in der Prozesskette, nicht nur für den finalen Zustand des Produktes, das der Kunde am Ende erhält.
Wichtig auch: die synchrone und vernetzte Produktion. Material und Teile werden nicht in ein Lager hineinproduziert, um dann abgerufen und möglicherweise nachbearbeitet zu werden. Das Ideal: Wenn ein Materialbehälter leer ist oder Bedarf an Präzisionsteilen wie Druckzylindern und Zahnrädern absehbar wird, werden über die Kanban-Steuerung die vorgelagerten Produktionsstufen aktiviert.
Mitarbeiter können Kosten und Qualität deutlich beeinflussen
Nicht zuletzt ist HPS von der Erkenntnis geleitet, dass der Mitarbeiter einen hohen Einfluss auf Kosten und Qualität hat. Zu effizienten Arbeitsstrukturen gehören auch die Umgestaltung von Arbeitsplätzen und die ergonomische Anordnung von Werkzeugen und Materialien. Darüber entscheidet das Team vor Ort. Verbesserungsideen und Erfahrungen werden weitergeleitet und können so auch anderen Einheiten zur Verfügung gestellt werden.
Der Veränderungsprozess benö-tigt ein zentrales Management, das die fortlaufenden Veränderungen koordiniert, kontrolliert und den Gesamtprozess im Blick behält. Was er da beobachtet, freut Stephan Plenz. Der Erfolg von HPS ist zählbar: Produktivitätssteigerung in der Montage um 5%, Kostensenkung in der Fertigung von 3,5%, eine jährliche Einkaufspreissenkung um netto 1 bis 1,5%. „Insgesamt sprechen wir von Einsparungen im zweistelligen Millionenbereich“, resümiert Plenz das erste Jahr mit HPS. Und der Prozess hat erst begonnen. MM
Jörg Führer ist Fachjournalist in Heidelberg
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