Die lernende Fehlerkompensation bringt den Präzisionsschub
Um diesem Problem zu begegnen, wurde am ISW eine adaptive Kompensation der lastabhängigen Gleichlauffehler zur Steigerung der Bahngenauigkeit von ZRA entwickelt. Um das Auftreten von Bahnabweichungen zu verhindern, wird die üblicherweise eingesetzte Kaskadenregelung um einen Kompensator ergänzt. Dieser ist, wie in Bild 4 dargestellt, parallel zum Lageregler angeordnet und modifiziert den Geschwindigkeitssollwert durch ein Korrektursignal. Im Kompensator wird basierend auf der aktuellen Position und der momentanen Geschwindigkeit fortlaufend die im nächsten Zeitschritt erwartete Ist-Position berechnet. Basierend darauf wird mithilfe von Modellen des Gleichlaufverhaltens die zu erwartende Veränderung des Gleichlauffehlers ermittelt. Der Geschwindigkeitssollwert wird anschließend so angepasst, dass diese Differenz ausgeglichen wird.
Wie zuvor angesprochen, stellt hierbei insbesondere die Modellierung der lastabhängigen Verformungen eine erhebliche Herausforderung dar. Während die Kinematikfehler im Rahmen einer einmaligen Vermessung bei der Inbetriebnahme aufgezeichnet werden können, ist dies mangels Möglichkeit zum Aufbringen definierter Lasten für die lastabhängigen Verformungen nicht möglich.
Die starke Individualität durch Fertigungs- und Montagetoleranzen verhindert zudem eine zufriedenstellende Beschreibung durch analytische oder numerische Modelle. Abhilfe schaffen Methoden des maschinellen Lernens. Dabei wird der Effekt genutzt, dass die Gleichlauffehler im Gegensatz zu anderen Fehlergrößen der Lageregelung stets in derselben Charakteristik über Achsposition und Last hinweg auftreten. Durch eine entsprechende Signalvorverarbeitung werden diese sich wiederholende Fehlermuster erfasst und anschließend in offline durchgeführten Trainingsintervallen durch nichtlineare Regressionsmodelle abgebildet.
Auf die Anwendung optimierte Modelle sind dabei durch eine hohe Generalisierbarkeit in der Lage, auf Basis von wenigen Datensätzen den gesamten Betriebsbereich zufriedenstellend zu approximieren. So kann das individuelle Gleichlaufverhalten von beliebigen Systemen zuverlässig abgebildet werden. Die Regressionsmodelle werden anschließend auf die Steuerung übertragen und in Echtzeit mitgerechnet, um in Kombination mit den aufgezeichneten Kinematikfehlern die zu erwartenden Gleichlauffehler bereitzustellen.
Durch fortlaufenden Abgleich der parametrierten Modelle mit den im Betrieb gemessenen Fehlergrößen können im Rahmen eines Condition Monitorings Verschleiß, Schadensfälle und Temperatureinflüsse beobachtet werden. Ergänzend dazu können die Regressionsmodelle jederzeit an neue Gegebenheiten angeglichen werden, um eine konstante Qualität der Fehlerkompensation zu gewährleisten. Die erwartete Steigerung der Bahngenauigkeit des Antriebssystems konnte experimentell nachgewiesen werden, wie Bild 5 exemplarisch anhand von zwei Lastzuständen beweist. Sowohl der Peak-to-peak-Fehler (P2P) als auch die aufsummierte absolute Bahnabweichung konnten in Versuchen in etwa halbiert werden.
Folgendes Fazit kann daraus gezogen werden:
Das nicht ideale Gleichlaufverhalten von Zahnstange-Ritzel-Antrieben führt zu Bahnabweichungen und Schwingungsanregung. Die Gleichlauffehler sind dabei positions- und lastabhängig und lassen sich analytisch aufgrund starker Einflüsse von Fertigungs- und Montagetoleranzen nicht präzise abbilden. Durch Methoden des maschinellen Lernens können die individuellen Abweichungen im Betrieb aber erfasst und in der Achsregelung kompensiert werden. Auf diese Weise kann die Bahngenauigkeit unmittelbar verbessert werden.
Das zugrunde liegende Forschungsprojekt wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert – 447112572.
* Prof. Dr.-Ing. Alexander Verl leitet das Institut für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen und Fertigungseinrichtungen (ISW) der Universität Stuttgart. Dr.-Ing. Armin Lechler ist stellvertretender Institutsleiter, und M. Sc Lukas Steinle forscht am ISW als Wissenschaftlicher Mitarbeiter.
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