Fördertechnik Alternative Antriebslösungen für Flurförderzeuge
Die Diskussion um Klimaerwärmung und Erdölverknappung macht auch vor Flurförderzeugen nicht Halt. Im Gespräch sind neue Antriebsmöglichkeiten wie Brennstoffzelle oder Hybridantrieb. Wir haben nachgefragt, was den Gabelstapler der Zukunft bewegt.
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Auf den ersten Blick ist es kaum zu erkennen, aber die Automobilindustrie steht immer wieder Pate für Neuentwicklungen bei Flurförderzeugen. Zumindest für jene, die in größeren Serien produziert werden. Bezogen sich die Anleihen bisher zumeist auf Fahrzeugergonomie oder Ausstattung, schielen die Staplerbauer zunehmend auch auf neue Antriebslösungen.
Im Mittelpunkt konstruktiver Bemühungen stehen die Reduzierung von Verbrauch und Emissionen bei gleichzeitiger Erhöhung von Leistung, Lebensdauer und Wirtschaftlichkeit. „Voraussetzung für die Einführung neuer Technologien ist der klare Kundennutzen“, stellt Dr. Frank Mänken, Leiter der Technologieentwicklung von Jungheinrich, klar. Und um dies zu gewährleisten, müssen die Betriebs- und Herstellkosten niedrig und die Lebensdauer hoch sein. Die führenden deutschen Hersteller von Flurförderzeugen stellen sich erfolgreich diesen Herausforderungen. Die permanente Weiterentwicklung der verbrennungsmotorischen und elektrischen Antriebsarten steht in deren Pflichtenheft.
Parallel zu den technisch-mechanischen Entwicklungen wird aber auch nach alternativen Kraftstoffen durch erneuerbare Energieträger geforscht. Alexander Reising, Leiter Produktmarketing Deutschland der Linde Material Handling GmbH, nennt beispielsweise Biodiesel oder Raps-Methyl-Ester, der sich zu 90% aus Rapsöl und zu 10% aus Methanol zusammensetzt. Dieser regenerative Energieträger sei schwefelfrei und baue sich nach der Verbrennung schnell ab. Allerdings liege der Verbrauch um etwa 10% höher als bei herkömmlichem Diesel. Vergleichbar mit herkömmlichem Benzin, so Reising weiter, seien Bioethanol (BTL) und Sun-Diesel. Bei Letzterem wird Biomasse – Holz, Stroh oder Energiepflanzen – zunächst in einem katalytischen Verfahren in Synthesegas und anschließend in einem Reaktor in Dieselkraftstoff umgewandelt.
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Sun-Diesel unter C02-Aspekten optimal
„Das vielleicht größte Potenzial des Sun-Diesels“, stellt Reising fest, „liegt in seinem geschlossenen CO2-Kreislauf: Bei der Verbrennung des Kraftstoffs wird nur so viel CO2 freigesetzt, wie die zur Produktion angebauten Pflanzen zuvor aufgenommen haben. BTL besitzt eine hohe Cetanzahl und damit ein deutlich besseres Zündverhalten als Diesel und kann ohne Anpassung der Infrastruktur und der Antriebssysteme verwendet werden. Daher könnte Sundiesel herkömmliches Diesel in naher Zukunft sehr einfach ergänzen oder in gewissem Umfang ersetzen.“
Was aber passiert im Bereich neuer Antriebskonzepte, die auch in der Automobilindustrie erprobt werden, namentlich Brennstoffzelle und Hybridantrieb? Eine Antwort hat die Hamburger Still GmbH mit ihrem dieselelektrischen Frontstapler RX 70 abgeliefert.
Das Fahrzeug basiert auf einem Elektrostapler, dem anstelle eines Batterieblocks ein Dieselgenerator eingepflanzt wurde. Diese sogenannte Hybridtechnologie, bei der Verbrennungs- und Elektromotor mit einer Steuereinheit kombiniert sind, entspricht zwar nicht dem allgemeinen Verständnis von einem „echten“ Hybridantrieb, ist aber ein Schritt in diese Richtung. Mit einem Verbrauch von nur 2,5 l/h (gemessen am Modell mit 2,5 t Tragkraft und mit 60 Arbeitsspielen pro Stunde) ist er nach Herstellerangaben „mit deutlichem Abstand der sparsamste Stapler seiner Klasse im Weltmarkt“. „Vergleichsfahrzeuge“, so Jürgen Wrusch, Fachpressesprecher bei Still, „liegen hier zwischen 13% und 60% höher. Umgerechnet in Kohlendioxid bedeutet das, dass der RX 70 nur 6,4 kg klimawirksames CO2 pro Stunde freisetzt“. Eine Angabe in g/km, wie bei Automobilen üblich, sei in diesem Fall wenig sinnvoll, weil sich der Verbrauch nicht nur auf die gefahrene Wegstrecke beziehe, sondern auch auf das Bewältigen der Lasten.
Betriebskosten beim Stapler im Auge behalten
Der Markt scheint den RX 70 gut anzunehmen, dennoch findet dieses Konzept nicht nur ungeteilte Zustimmung. Für Frank Mänken beispielsweise ist der Diesel-Elektro-Stapler keine Alternative, da die Mehrkosten in der Herstellung nicht ausreichend durch die Betriebskostenersparnis aufgefangen würden. Er beobachtet aber genau, wann eine der vielen echten Hybridtechnologien einen positiven Kundennutzen bietet. Dabei liege noch ein wichtiger Entwicklungsschwerpunkt bei den nötigen Hochleistungsbatterien, die bezüglich Kosten und Lebensdauer weiter optimiert werden müssten.
Ähnlich sieht dies Alexander Reising: „Es ist noch nicht abzusehen, wann der Hybrid in der Staplerbranche seinen Durchbruch schafft. Der Grund liegt in der momentan noch fehlenden Wirtschaftlichkeit aufgrund hoher Herstellkosten und einer begrenzten Lebensdauer der Speicher.“ Sollten sich die Rahmenbedingungen ändern und die Kraftstoffkosten weiter steigen, könne sich dies allerdings ändern.
Brennstoffzellen-Stapler in der Testphase
Die Erwartungen richten sich letztlich auf den Serienstart von Wasserstoffantrieben, was aber seriösen Aussagen zufolge noch knapp zehn Jahre dauern könnte. Wasserstoff ist nicht nur nahezu unbegrenzt verfügbar, sondern auch die sauberste zur Verfügung stehende Energiequelle, da bei der Umwandlung in elektrische Energie weitgehend Wasserdampf emittiert wird. Zwei grundsätzliche Lösungen an Wasserstoffantrieben kommen für den Staplereinsatz in Betracht. Da ist zum einen der Wasserstoffmotor, der wie ein Benzinmotor arbeitet und der nicht nur nach Alexander Reisings Einschätzung die zukünftige Alternative für Diesel-, Treibgas- und Erdgasantriebe sein kann, und zum anderen die Wasserstoff-Brennstoffzelle, die gerade in zwei Still-Schleppern auf dem Hamburger Airport getestet wird, nachdem Still bereits vor einigen Jahren einen Dauerversuch mit Brennstoffzellen-Staplern auf dem Münchner Flughafen startete.
Die Technologie in den Staplern stammt von der Münchner Proton Motor Fuel Cell GmbH, die Brennstoffzellen-Systeme für industrielle Anwendungen entwickelt und fertigt. Proton liefert steckerfertige Brennstoffzellen-Hybridsysteme, die bau- und schnittstellengleich zu Traktionsbatterien sind und alles enthalten, was für deren Einsatz im Stapler nötig ist: Wasserstofftank, Brennstoffzellen, Kühlung, elektrische Zwischenspeicher und Steuerung. Die Systeme eignen sich Proton-Vertriebschef Dr. Joachim Kroemer zufolge für Applikationen, die derzeit mit Traktionsbatterien ausgerüstet sind und im Mehrschichtbetrieb arbeiten. Dem aufwändigen Batteriewechsel und dem zeitimmanenten Ladeaufwand steht auf der Seite der Brennstoffzelle eine etwa einminütige Betankung mit Wasserstoff gegenüber.
Höhere Leistungsbereiche beim Brennstoffzellen-Stapler im Visier
„Wir arbeiten derzeit vor allem im oberen Leistungsbereich, der mit 80-V-Systemen betrieben wird“, beschreibt Kroemer die aktuelle Entwicklungsausrichtung. Im Visier habe man aber auch Ausweitungen nach unten und in höhere Leistungsbereiche: „Wir erwarten einen signifikanten Anteil von Brennstoffzellen-Hybridsystemen in E-Staplern und auch eine gewisse Verdrängung von Verbrennern, da eine Leistungserweiterung nach oben möglich ist.“ Sehr viel verspricht sich Kroemer in dieser Hinsicht vom „Triple Hybrid Fuel Cell Drive“: Durch die ausgewogene Kombination von Brennstoffzelle, einer relativ kleinen Zwischenspeicherbatterie für die Leistungspufferung im Minutenbereich und Ultracaps zur Leistungspufferung im Sekundenbereich braucht die Brennstoffzelle nur auf die zeitliche Mittelleistung dimensioniert zu werden. Zudem lässt sich Bremsenergie zurückgewinnen. Dies zusammen reduziert Anschaffungs- und Betriebskosten.
Ungeeignet sei dagegen der Einsatz dieser Technologie in Staplern mit geringer Beanspruchung und bei kleinen Flotten. Konkurrenz könnte der Brennstoffzelle allerdings noch durch eine alternative Spannungsversorgung auf Basis neuer Batterietypen wie der Lithium-Ionen-Batterie erwachsen. „Hier könnte ein Systemwettlauf entstehen, dessen Ausgang derzeit noch nicht abzuschätzen ist“, glaubt Jürgen Wrusch. Sicherlich wird der Erfolg einer der Technologien auch vom Preis abhängen. Kroemers Kostenziel für die Brennstoffzelle liegt zurzeit etwa beim doppelten Batteriepreis.
Wasserstofftransport bereitet Probleme
Viele Hürden sind jedoch für die uneingeschränkte Nutzung des Wasserstoffs noch zu überwinden. Schon allein der Transport ist schwierig: „Um Wasserstoff problemlos transportieren zu können“, erklärt Alexander Reising, „muss er in flüssiger Form auf -253 °C heruntergekühlt oder unter einem Druck von 700 bar komprimiert werden. Außer der zu gewährenden Sicherheit bei Transport und Tankbefüllung wirft auch die Infrastruktur derzeit noch Probleme auf. Tankanlagen sind in Deutschland noch selten und dazu sehr teuer. Daher lohnt sich die für einen Serieneinsatz nötige Infrastruktur zunächst nur für sehr große Staplerflotten.
Im Rahmen des Nationalen Innovationsprogramms der Bundesregierung sollen aber im Lauf der nächsten zehn Jahre auf breiter Front Wasserstoff- und BZ-Technologie anwendungsnah vorangetrieben werden, was auch bei der H2-Infrastruktur zur deutlichen Verbesserung des Angebots führen sollte.
Jungheinrich setzt auf Direktmethanol-Brennstoffzelle
An einer etwas anderen Technologie arbeiten die Entwickler bei Jungheinrich. Mit dem Forschungszentrum Jülich wurde Anfang des Jahres die Konzeptstudie eines Jungheinrich-Elektrohubwagens mit Direktmethanol-Brennstoffzelle (DMFC) erstellt. Im Gegensatz zu den auf Wasserstoff basierenden Brennstoffzellen eignet sich die DMFC eher für Anwendungen im sogenannten kleinen Leistungsbereich, also Flurförderzeuge im kW-Bereich. Wenn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen, könnte diese Technologie nach Auskunft des Forschungszentrums bis 2011/2012 serienmäßig in Elektro-Hubwagen und -Deichselstaplern zum Einsatz kommen.
Viele Vorteile sprechen für diese Brennstoffzelle: Statt des Batteriewechsels könnte ein Stapler in nur wenigen Minuten aufgetankt werden. Außerdem reicht eine Tankfüllung mehr als doppelt so lange wie die Kapazität einer Batterie. Und die Infrastruktur für das Betanken mit Methanol ließe sich – im Gegensatz zu der für Wasserstoff – schnell und kostengünstig realisieren. „Methanol lässt sich ebenso einfach handhaben wie Benzin oder Diesel“, erläutert Ralf Baginski, Leiter Grundlagenentwicklung bei Jungheinrich, „und wird zudem im großen Stil in der chemischen Industrie verwendet, so dass auch die Verfügbarkeit kein Problem darstellt.“
Der Nutzen bestimmt die Technik
Mit welcher Technologie Flurförderzeuge in einigen Jahren auch angetrieben werden – für alle Hersteller lässt sich sagen, dass letztlich der Nutzen die Technik bestimmt. Verbesserungen der Antriebstechnik werden weiterhin auf einen reduzierten Energieverbrauch, geringeren Wartungsaufwand und eine bessere Umweltverträglichkeit abzielen. „Jede Technik ist willkommen, die hilft, Energie zu sparen“, konstatiert Jürgen Wrusch. Denn dies komme nicht nur der Umwelt, sondern auch den Kunden zugute, weil damit Ökonomie und Ökologie optimal verknüpft seien.
Dennoch gilt – Alexander Reising bringt es auf den Punkt: „Trotz der technischen Probleme, die noch zu bewältigen sind, gibt es zu erneuerbaren Energiequellen und der Wasserstofftechnik nach heutigem Erkenntnisstand keine Alternative. Selbst dann nicht, wenn sie erst mittelfristig den Durchbruch schaffen. Sowohl Umweltschutzaspekte als auch die Endlichkeit der Energieträger Öl, Kohle und Gas sowie die Abhängigkeit von Drittstaaten bei der Beschaffung zwingen Forscher und Industrie, weiter nach neuen Möglichkeiten zu suchen.“
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