Kommunikation Analog schlägt digital
Im Maschinenbau suchen Fach- und Führungskräfte nach wie vor den direkten Austausch mit Kollegen, die Flut elektronischer Nachrichten ist im Vergleich zu anderen Branchen moderater. Dennoch gilt: Unbedacht genutzte digitale Kommunikation erzeugt Stress und ist wenig innovationsfördernd.
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Insbesondere bei ihrem Chef gehen die Fach- und Führungskräfte aus der Maschinenbaubranche am liebsten spontan vorbei, wenn sie Besprechungsbedarf haben. 47 % bevorzugen den unmittelbaren persönlichen Kontakt, statt anzurufen oder eine E-Mail zu schicken. Damit liegen die Maschinenbauer deutlich über dem Branchendurchschnitt von 32 %. Auch scheint die E-Mail-Flut bei ihnen im Vergleich mit anderen Wirtschaftszweigen nicht übermäßig ausgeprägt zu sein: Mehrmals pro Stunde oder sogar im Minutentakt rufen hier 28 % der Befragten ihre E-Mails ab. In der Finanzdienstleistungsbranche liegt der Anteil der besonders Nachrichtengeplagten bei 39 %, in der Automobilbranche sogar bei 45 %.
Das sind zentrale Ergebnisse der Studie „Renaissance des Analogen“ der Unternehmensberatung EY, für die 800 Fach- und Führungskräfte deutscher Unternehmen – darunter 75 Firmen aus der Maschinenbaubranche – befragt wurden.
Trotz der leicht unterdurchschnittlichen Belastung erklären überdurchschnittliche 47 % der Fach- und Führungskräfte aus diesen Unternehmen, dass sie die beständig fortschreitende Digitalisierung in der Arbeitswelt eher als Stress denn als Bereicherung empfinden. Mehr als jeder zweite von ihnen gibt an, dass er aufgrund der ständigen Erreichbarkeit durch die digitalen Medien vom intensiven Denken abgehalten wird. Im Branchenvergleich eher häufig kommt es auch zu Missverständnissen aufgrund verkürzter Nachrichten in E-Mails. Hier liegen die Angestellten der Maschinenbauunternehmen bei 52 %, im Mittel stimmen die Befragten mit 46 % zu. Zusammengenommen machen diese Ergebnisse deutlich: Auch im Maschinenbau erweist sich digitale Kommunikation in entscheidenden Punkten als Effektivitäts- und Effizienzkiller.
Stress durch Digitalisierung gestiegen
Quer durch alle Branchen zeigt sich dabei ein Trend zum Anstieg der ausgemachten Stressfaktoren. So neigen vor allem die jüngeren Arbeitnehmer dazu, sich durch die elektronische Post permanent ablenken zu lassen. Jeder zweite Befragte unter 30 Jahren ruft seine Mails mindestens mehrmals pro Stunde ab, ebenso tun dies 46 % der Studienteilnehmer zwischen 30 und 40 Jahren.
Auf diese Weise werden sie jedoch ständig aus ihren Denkprozessen herausgerissen, sie können gar nicht tief in ein Thema eintauchen. Genau das ist aber nötig, um gute Arbeitsergebnisse zu erzielen oder für den Unternehmenserfolg wichtige innovative Lösungen zu finden. Wirklich herausragende Leistungen entstehen nach wie vor durch die konzentrierte Beschäftigung mit einer Aufgabe oder einer Problemstellung.
Gefragter denn je ist daher eine strukturierte Planung des Tagesablaufs. Laut der Studie nehmen sich jedoch nur 18 % der Fach- und Führungskräfte aus der Maschinenbaubranche regelmäßig bewusste Auszeiten von der digitalen Kommunikation. Nicht unschuldig daran sind die Unternehmen, die den Mitarbeitern oftmals nicht beibringen, wie sie sich entsprechende Freiräume schaffen können. Häufig werden die Mitarbeiter sogar zur ständigen Erreichbarkeit und Sichtbarkeit in den digitalen Medien gedrängt. Eine wichtige Botschaft an Fach- und Führungskräfte sollte jedoch ganz im Gegenteil lauten: Verfügbarkeit und Präsenz sind keinesfalls mit Bedeutung oder Wirksamkeit gleichzusetzen.
Neben den kritischen Auswirkungen übermäßiger digitaler Kommunikation zeigt die aktuelle EY-Umfrage die immense Bedeutung analoger Kommunikationsformen, die durch Mails und Chatnachrichten verdrängt zu werden drohen. Auch in diesem Punkt zeigt vor allem ein Blick auf die High Potentials das steigende branchenübergreifende Risiko auf: Rund 50 % der unter 30-Jährigen geben an, dass sie sich seltener persönlich mit Arbeitskollegen austauschen, 46 % sprechen weniger mit ihren Mitarbeitern und 36 % seltener mit ihrem Vorgesetzten.
Ohne Meetings keine Innovation
Das ist besonders brisant, weil die befragten Fach- und Führungskräfte aus dem Maschinenbau Meetings und gemeinsame Brainstormings als das wichtigste Format (39 %) betrachten, um innovative Ideen zu entwickeln, gefolgt vom schnellen Austausch auf dem Flur oder im Großraumbüro (15 %). Internetforen oder digitalen Innovationsplattformen, die das Unternehmen eingerichtet hat, wird mit 7 beziehungsweise 5 % hingegen kaum Bedeutung beigemessen. Trotz dieser großen Bedeutung der direkten Kommunikation haben 52 % der befragten Fach- und Führungskräfte aus der Maschinenbaubranche im vergangenen Jahr nicht an einem analogen Format zur Ideenfindung wie einem Abteilungsbrainstorming, Innovationsworkshop oder Hackathon teilgenommen. In Anbetracht der großen Bedeutung von Innovationen ist das äußerst gefährlich.
Auch die physischen Treffen sind jedoch keine Selbstläufer, denn nur gut organisierte Meetings führen zu den gewünschten Ergebnissen. Die Meeting-Qualität in der Maschinenbaubranche liegt nach Einschätzung der Fach- und Führungskräfte im Durchschnitt: 65 % der Befragten geben an, dass Meetings Zeitfresser sind, die ihre Arbeit unnötig unterbrechen. In Meetings werden nur selten konstruktive Ergebnisse erarbeitet, sagen 55 % der Studienteilnehmer aus dem Maschinenbau. 61 % erklären jedoch auch: In Meetings sind schon viele gute Ideen erarbeitet worden. Über alle Branchen hinweg bezeichnen vor allem diejenigen Mitarbeiter Meetings als hilfreich, die täglich oder mehrmals in der Woche daran teilnehmen. Eine Verbesserung der Ergebnisse und der Effektivität von Meetings erhoffen sich die Befragten vor allem von einer strikten Zeitbegrenzung und klaren Kommunikationsregeln.
Start-ups bauen auf räumliche Nähe
Nicht zuletzt aus diesem Grund sollten sich Unternehmen wieder stärker um die erfolgreiche analoge Kommunikation kümmern, statt permanent neue digitale Tools einzuführen. Eine Vorgehensweise, die im Silicon Valley auch bereits um sich gegriffen hat. Hier legen gerade hochinnovative Start-ups, die den klassischen Firmen in Sachen Digitalisierung weit voraus sind, extremen Wert auf die räumliche Nähe und den persönlichen Austausch unter ihren Mitarbeitern. Ihnen ist es wichtig, dass die Mitarbeiter direkt und in Echtzeit miteinander interagieren und nicht nur Kurznachrichten versenden, klicken und liken. Denn auf diese Weise, so erklären auch 80 % der befragten Maschinenbauer, verpassen Mitarbeiter und damit auch die Unternehmen die Chance auf gründliches Nachdenken und Innovation.
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Beispiele aus der Praxis
Die Digitalisierung wartet nicht
* Nelson Taapken ist Partner, Laura Jacob ist Senior Managerin bei der Ernst & Young GmbH in 65760 Eschborn, nelson.taapken@de.ey.com, laura.jacob@de.ey.com
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