Steuerungstechnik CNC-Werkzeugmaschinen mit Kollisionskontrolle

Redakteur: Alexander Strutzke

Wenn in der Werkzeugmaschine Werkzeug und Spannmittel oder Spindel und Maschinentisch zusammenstoßen, kann das zu teuren Ausfällen führen. Auch die Berührung zwischen Werkzeug und Werkstück darf während der Bearbeitung nur im definierten – sprich programmierten – Rahmen erfolgen. Was tun die großen Steuerungs- und Werkzeugmaschinenhersteller, um ungewollte Zusammenstöße, sprich Kollisionen, zu vermeiden?

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In modernen Hightech-Werkzeugmaschinen werden die Bewegungen immer komplexer und schneller. Für den Maschinenbediener ist es daher praktisch unmöglich, eine Kollision vorauszusehen und rechtzeitig den Notaus-Schalter zu betätigen. Den Schutz des Maschi-neninneren muss daher die Steuerung selbst gewährleisten. Die meisten Hersteller entwickeln dazu Kollisionsschutzkonzepte, entweder „online“ in der CNC oder „offline“ auf einem externen PC.

Einige Online-Konzepte sind bereits einsatzbereit und in den meist teureren und für höhere Ansprüche ausgelegten CNC serienmäßig eingebaut. Die Hersteller setzen dabei teilweise auf die gleichen Ideen, trotzdem gibt es einige essentielle Unterschiede zwischen den verschiedenen Ansätzen.

Eine wesentliche Frage ist: Wo soll die Kollisionskontrolle stattfinden? Vorab auf einem PC, der die Werkzeugmaschine und die Bewegungsabläufe der Achsen simuliert, oder in Echtzeit in der Steuerung. Beide Optionen haben Vor- und Nachteile und können noch keinen hundertprozentigen Schutz garantieren. Findet die Simulation vorab auf einem PC statt, dann nimmt sie keine Rechenleistung der CNC in Anspruch.

Für eine Echtzeitkontrolle muss der CNC-Kern schon über sehr gute Rechenleistung verfügen, was in der Regel auch einen höheren Energiebedarf bedeutet. Die Echtzeitkontrolle ist dafür wesentlich flexibler und passt sich veränderten Gegebenheiten sofort an. Nicht immer kann man für das Modell der Werkzeugmaschine auf dem PC die Realität genau nachbauen und alle Bewegungen und Ereignisse vorhersagen. Passiert etwas Unvorhergesehenes, dann muss das Modell am PC erst angepasst werden, um weiterhin einen Kollisionsschutz zu ermöglichen.

Auf der anderen Seite arbeitet die Echtzeitkontrolle in der CNC ebenfalls mit einem Modell der Werkzeugmaschine und simulierten Bewegungsabläufen. Der Sinn besteht gerade darin, dass die Kollisionskontrolle anschlägt und die Bearbeitung stoppt, weil eine Kollision vorausberechnet, also simuliert wurde. Der Echtzeitschutz ist also nur so gut, wie die Daten für das Modell in der CNC. Gleiches gilt für die Simulation am PC, dort stehen jedoch zumeist sehr genaue CAM-Daten und hohe Rechenleistung zur Verfügung.

Geometrische Hüllelemente modellieren Werkzeugmaschine

Fanuc GE bietet in den Steuerungen der Serien 30 i und 31 i den sogenannten 3D-Interference-Check an. Dieser arbeitet mit geometrischen Daten der möglichen Kollisionsobjekte, die vom Bediener direkt in die CNC eingepflegt werden können. Dabei hilft eine eigens entwickelte Software, die gefährdete Bereiche wie Tisch oder Spannvorrichtungen mit geometrischen Figuren definieren lässt. Auch CAD-Daten können eingelesen werden. Die geometrischen Hüllelemente können im Modell nach Angaben von Fanuc bis zu 1 µm genau der tatsächlichen Kontur nachempfunden werden.

Leopold Schenk, Geschäftsführer von Fanuc GE CNC Deutschland und Vize-Präsident von Fanuc GE CNC Europe erläutert: „Die CNC beachtet diese räumlichen Informationen zusammen mit den aktuellen Werkzeugdaten bei der Berechnung der Achsbewegungen. Das heißt, im 4-ms-Takt berechnet die Haupt-CPU parallel zur Interpolation der Achsen alle im Kollisionsmodell befindlichen Objekte. Sollte eine Kollision drohen, stoppt die Maschine, indem der letzte Interpolationsschritt vor einem definierten Hüllkörper nicht ausgeführt wird.“ Für den Fall, dass ein Kollisionsmodell zu komplex ist und sich nicht in 4 ms rechnen lässt, setzt Fanuc GE auf eine Eskalationsstrategie: Die Zeit wird auf 8 ms verdoppelt und zum Ausgleich eine großzügigere Hüllkurve darüber gelegt.

Schenk ist vom Konzept seines Unternehmens überzeugt: „Bei richtiger Konfiguration hilft der 3D-Interference-Check mit nahezu hundertprozentiger Sicherheit, Maschinenkollisionen zu vermeiden.“ Schenk spricht sich auch gegen Offline-Lösungen am PC aus, die nach seiner Meinung nur eingeschränkte Sicherheit böten: „Gerade der Einrichtbetrieb, bei dem erfahrungsgemäß die meisten Kollisionen erfolgen, bleibt bei der Offline-Untersuchung außen vor, denn das Verhalten eines Maschineneinrichters lässt sich virtuell nicht vorhersehen.“

Auch bei einem gebrochenen Werkzeug, das ausgetauscht werden muss oder bei kurzfristigen Änderungen an Spannvorrichtungen oder der Maschine müssten erst die neuen Werkzeugdaten auf den PC geladen und ins CAM-System integriert werden, damit die Simulation neu berechnet werden kann. Schenk: „Integrierte Systeme wie unser 3D-Interference-Check sind in der Lage, all diese Sicherheitslücken zu schließen. Ihre Überwachung findet in Echtzeit statt und orientiert sich stets am aktuellen Zustand der Maschine.“

Kollisionskontrolle simultan zur Bearbeitung ist sicherer

Siemens arbeitet zurzeit an einem Online-Kollisionsschutz, der in die Sinumerik-CNC integriert werden soll. Uwe Häberer, Leiter Werkzeugmaschinen von Siemens Industry: „Die Basisfunktionen sind bereits im NC-Kern implementiert und haben erste Tests erfolgreich absolviert. Auch im Bereich der Bedienoberfläche sind die Konzepte erstellt und mit der Umsetzung wurde begonnen.“

Das Konzept soll sich nahtlos an die existierende Siemens-Offline-Lösung mit einem PC anschließen. Häberer weiß, dass „der eigentliche Nutzen aber ausschließlich dann entsteht, wenn die Kollisionskontrolle in der CNC simultan zur Bearbeitung durchgeführt wird. So können beispielsweise geänderte Spannmittel konkret berücksichtigt werden.“ Häberer sieht Siemens aber nicht hinter der Konkurrenz zurückliegen: „Es gibt aus unserer Sicht schlichtweg noch keine praxistauglichen und ausgereiften Lösungen. Wettbewerber haben hierzu auch keine wirklich zufriedenstellenden Konzepte, obschon sie das Thema seit Jahren bewerben.“

Das Hauptproblem ist demnach die Benutzerfreundlichkeit für den Maschinenbediener. Für das Einbringen von Werkzeugdaten habe Siemens erste Ansätze, jedoch fehlten internationale Standards. Unklar ist nach Angaben des Unternehmens, wie man die Daten von Spannmitteln vom Bediener effizient in die Kollisionsüberwachung einbringen kann. Häberer: „Vor einer vollständigen Klärung aller Teilfunktionen werden wir die Kollisionsüberwachung nicht vermarkten. Wenn die erforderlichen Daten nicht vollständig mit entsprechender Qualität verfügbar sind, wird es keine zuverlässige Kollisionsüberwachung geben können.“

Heidenhain hat Dynamic Collision Monitoring integriert

Heidenhain hat in der Steuerung I-TNC 530 ein Dynamic Collision Monitoring (DCM) integriert. Es läuft bereits im Einrichtbetrieb auf der CNC und berücksichtigt die aktuelle Aufspannposition. Der Maschinenbediener sieht am Bildschirm alle Maschinenkomponenten im Arbeitsraum. Kollisionsgefährdete Bereiche werden von der Steuerung erkannt und dargestellt. Der Bediener kann die entsprechenden Komponenten auf dem Bildschirm aus den Kollisionsbereich heraus bewegen.

Die Bildschirmaufteilung ist bei Heidenhain individuell einstellbar. So kann in einem Fenster der Arbeitsraum und in einem anderen das CNC-Programm angezeigt werden. Droht eine Kollision, unterbricht die Steuerung die Bearbeitung im Automatikbetrieb.

In den Matrix-Steuerungen von Mazak arbeiten zwei CPU, um eine Simulation der Bearbeitung eines Werkstücks parallel zur Bearbeitung an einem anderen Werkstück zu ermöglichen. Die Überprüfung findet also im Vorfeld der Bearbeitung statt. Stephan Fabry, Assistant Manager Application bei Mazak: „Dadurch hat der Bediener die Sicherheit, dass das Programm ohne Kollision durchlaufen wird.“ Der Raumbedarf für Spannfutter, Werkzeughalter und Zubehör ist im Arbeitsraum der Steuerung beschrieben. Der Bediener ergänzt die Form des Werkzeuges. Mit diesen Informationen wird die Bearbeitung des Werkstücks auf eine mögliche Kollision hin in der Simulation überprüft.

Software-CNC auf IPC nutzt ebenfalls Hüllelemente

Beckhoff-Steuerungen bestehen grundsätzlich aus einem Industrie-PC mit einer Steuerungs-Software. Im CNC-Bereich stellt Beckhoff das Programm Twin-Cat CNC zur Verfügung. Ähnlich wie Fanuc arbeitet die integrierte Kollisionskontrolle mit Hüllkörpern für gefährdete Bereiche wie Werkzeug, Spannmittel und andere Maschinenkomponenten. Matthias Köster, CNC-Produktmanager bei Beckhoff, erläutert: „Der Mindestabstand der Hüllkörper, die in einem beliebigen CAD-Programm definiert werden können, ist parametrierbar. Die Steuerung verwendet intern den VRML-Export des CAD-Systems als Körperbeschreibung. Im Kollisionsfall wird außer einer Fehlerbeschreibung auch eine grafische Fehlermeldung erzeugt, die dem Bediener das Kollisionsproblem visualisiert.“

Bosch Rexroth bietet Online-Kollisionskontrolle in seinen MTX-Steuerungen. Andreas Jenke, Leiter Branchenmanagement Werkzeugmaschinen des Geschäftsbereich Electric Drives and Controls der Bosch Rexroth AG setzt auf die Doppelkontrolle von Simulation und integriertem Schutz in der CNC: „Die Kollisionskontrolle findet in der CNC statt, weil nur dort alle relevanten Daten so vorliegen wie im realen Fall an der Maschine. Bei der Simulation wird eine virtuelle CNC auf dem PC ausgeführt, die aber mit den gleichen Daten beziehungsweise Parametern arbeitet wie die reale Maschine.“

Ein Kollisionsschutz-System kann nur dann sehr gut funktionieren, wenn viele Daten über die Werkzeugmaschine möglichst genau in der CNC hinterlegt sind und wenn die Bedienung des Programms einfach ist. Komplexe und schnelle Highend-Werkzeugmaschinen haben größtenteils auch hochwertige Steuerungen, die heute meist über integrierte Kollisionsüberwachung verfügen.

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