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Ein Bauteil neu zudenken fällt schwer
Aber das Problem mit der Konstruktion ist erst im zweiten Schritt ein technisches. Es beginnt bereits bei demjenigen, der die Anforderungen an den Konstrukteur stellt. „Wir haben bisher sehr positive Erfahrungen mit Kunden und Partnern gemacht, die offen für die Neukonstruktion ihrer Bauteile sind“, erzählt Gruber. In Zusammenarbeit mit Grindaix und Bionic Production konnte Trumpf so individualisierte Kühlschmierstoff-Düsen konstruieren und drucken, die rein auf ihre Funktion hin gestaltet wurden. Schwierig für den Konstrukteur ist es, dass in der Additiven Fertigung in Freiformflächen gedacht wird, gerade Linien und rechteckige Strukturen sind nicht nötig. Deswegen beginnt der 3D-Druck-Konstrukteur mit den Elementen, die unverzichtbar sind. Zwischen diese Konturen kommt nur so viel Material, wie unbedingt notwendig ist. Das ist gerade in der Luft- und Raumfahrt wichtig, wo jedes Gramm zählt. „Wir sehen hier immer komplexere Bauteile“, ergänzt King. „Zum Teil können dabei Bauteile und Komponenten kombiniert werden.“ Außerhalb der Fertigungsindustrie kommt es zu einer anderen Problematik, wie King berichtet: „Bei flächenbasierten CAD-Daten, wie sie Architekten liefern, sind die Flächen meist nicht miteinander verbunden. Da würde das Druckteil beim Auspacken wie ein Kartenhaus auseinanderfallen.“
Ein weiteres Problem sind falsche Flächennormalen, doppelte Flächen oder zu dünne Wände. Dagegen hilft Cur3D von Ruhrsource. „Die Software behebt diese Probleme automatisch“, erzählt Jörg Heusler, Vertriebsleiter. „Dabei zerlegt ein Slicer das Modell in Scheiben und berechnet die Bahnen für den Drucker.“ Wie lang sie dafür braucht, hängt vom Modell ab beziehungsweise davon, wie viel zu beheben ist. Das kann von einer Stunde bis zehn Stunden dauern. Kompatibel ist die Repair-Software mit jedem CAD-System und jeder Hardware. Deswegen ist eine fundierte Ausbildung in diesem Bereich so wichtig. Dazu gehört auch, die Prozessparameter der Verfahren zu kennen. Und zwar jedes Verfahrens, denn „jede Methode hat ihre eigenen speziellen Anwendungsgebiete, Besonderheiten und Anforderungen an das Design“, erklärt Werner von Dassault.
Das sollen Konstrukteure wissen
Auch Basiswissen über die erhältlichen Materialien ist wichtig. „Viele neue Erkenntnisse aus der Materialforschung und die daraus resultierenden Innovationen werden noch immer zu wenig genutzt. Häufig sind einzelne Neuheiten noch nicht mal bekannt”, so Osti. Aber auch ein gutes Gespür für ansprechendes und funktionales Design ist jetzt wichtiger als vorher. „Die Anforderungen an das physikalische Verständnis und die Verwendung von Simulation und virtuellen Tests in der frühen Konstruktionsphase nehmen dabei zu“, führt Werner aus.
Wie stellt man sich nun dem großen Thema? Schulungen bieten die meisten Hersteller additiver Technik an oder auch Auftragsfertiger wie Fit. Ruhrsource rückt in seinen Seminaren die Anforderungen der Additiven Fertigung ins Licht. Aber Ausbildungsgänge gibt es noch nicht sehr viele. Immerhin startete diesen Mai das berufsbegleitende Studium „Anwendungstechniker für Additive Verfahren/Rapid-Technologien“ an der Hochschule Schmalkalden. Mit elf Studenten. Wer sich auf eigene Faust an das Konstruieren heranwagen will, für den hat Jürgen Kraus folgenden Tipp: „Gehen Sie Schritt für Schritt vor.“ Kraus ist Senior Consultant und Projektleiter Additive Fertigung bei MTU Aero Engines. 2013 begann der Triebwerkshersteller damit, Serienteile additiv zu fertigen. Aber nicht gleich komplexe Bauteile, sondern Werkzeuge wie Spritzdüsen oder Schleifscheiben. Im zweiten Schritt stellte er bekannte Serienteile nach dem neuen Verfahren her. „Erst im dritten Schritt sollen Leichtbauteile neu entwickelt und gefertigt werden. Es geht um neue Designs, neue Bauteile und neue Werkstoffe“, sagt Kraus.
Dieses Vorgehen hat sich laut Kraus ausgezahlt: „In kleinen Schritten vorzugehen, hat sich absolut bewährt. Die Konstrukteure konnten bei der Substitution von einfachen Bauteilen bereits die neuen Möglichkeiten, aber auch die Grenzen des Verfahrens kennenlernen. Bei der Serienfertigung hatten die Fertigungsingenieure die Möglichkeit, die charakteristischen Eigenschaften des neuen Materials zu verstehen und wertvolle Hinweise für zukünftige, komplexere Bauteile zu sammeln. Mit zu komplexen Teilen zu beginnen, hätte die Organisation überfordert.“ Am A320neo-Getriebefan-Triebwerk haben sie gelernt, wie Additive Fertigung funktioniert, jetzt können sie mit anderen Bauteilen und Triebwerkstypen starten. Die Deutsche Bahn geht einen ähnlichen Weg: Angefangen mit 1:1-Kopien vom Original über die Kombination von zwei Komponenten druckt sie nun Ersatzteile, die durch neue Elemente ergänzt werden.
Als größte Herausforderung bezeichnete Kraus einen eher überraschenden Aspekt: „Im Zuge der Additiven Fertigung wurde die MTU zum Rohteilhersteller.“ Früher wurden die Rohteile zugekauft, aber durch den 3D-Druck müssen sich die Konstrukteure nun damit befassen. Außerdem galt es, Werkstoffe und Anlagen für die neue Art der Herstellung in den Griff zu bekommen. „Bauteile, die die MTU seit Jahrzehnten kannte, mussten neu berechnet werden. Zudem traten Fehlerquellen auf, die konventionelle Prüfverfahren nicht erfassen. Abweichungen müssen bereits während der Herstellung erkannt werden“, zählt Kraus die Probleme auf, die plötzlich auftauchten. Man habe diese durch eine Zusammenarbeit mit dem Druckanlagenhersteller EOS gelöst.
Das wollen Konstrukteure wissen
Weiterbildungsangebote für eine fertigungsgerechte Konstruktion, Seminare, die die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen des 3D-Drucks zeigen, sowie Schulungen in CAD-Arbeitsvorbereitungen für die Additive Fertigung fehlen Konstrukteuren. Aber das Wichtigste ist: neu denken zu lernen.
„Konstrukteure müssen die konventionellen Einschränkungen und Denkweisen aus den Köpfen kriegen. Wir müssen weg von Vorstellungen wie blockigen, wuchtigen Objekten“, so Bauer von Fit. Der Prozess ist komplett umgedreht: Bei einem konventionellen Verfahren steht am Anfang Material, von dem ich viel wegnehme. Jetzt ist da nichts, aus dem sich Material aufbaut. Ein Salto im Kopf. Deswegen ist es wichtig zu lernen, „die benötigte Funktion kreativ querzudenken und sich von den nicht mehr gültigen konventionellen Restriktionen nicht beeinflussen zu lassen“, erklärt Bauer.
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