Quadratisch, praktisch, energieeffizient Druckluft-Leckagen in 7 Schritten reduzieren
Anbieter zum Thema
Ohne Druckluft kann keine Schokolade produziert werden. Allerdings können Druckluftsysteme nie vollständig abgedichtet werden, was zu großen Energieverlusten führen kann. Mit einem umfassenden Leckagekonzept gelang es Ritter Sport 2020, bis zu 250 Tonnen CO2 in der Fertigung einzusparen.

Energie – das ist Benjamin Flaigs Thema. Seit 2018 leitet der Energie- und Gebäudemanager das ‚Energieteam‘ bei Ritter Sport. In seiner Funktion ist er dafür verantwortlich, die energetische Performance im Werk zu verbessern und damit auch für die konsequente Reduktion des Energieverbrauchs zu sorgen. Konkret heißt das bei Ritter Sport: mindestens 1,5 Prozent weniger Energieverbrauch pro produzierter Tonne Schokolade – und das jedes Jahr aufs Neue. Ein anspruchsvolles Ziel, das bisher nach eigener Aussage fast jedes Jahr erreicht wurde. „Und das bei dreieinhalb Millionen Tafeln Schokolade, die hier jeden Tag vom Band laufen“, wie Flaig erklärt. 2020 konnte das Unternehmen das Ziel ‚Klimaneutralität‘ erreichen. Eingeschlagen hatte der Waldenbucher Schokoladenhersteller diesen Weg bereits vor 20 Jahren. „Von der Bohne über den Wertschöpfungsprozess bis zur Lieferung in den Handel ist Nachhaltigkeit ein wichtiger Aspekt bei Ritter Sport“, erklärt Flaig.
Neben strategischen Projekten wie dem Austausch der Klimaanlage durch eine effizientere Variante, der Installation von LED-Beleuchtung oder der Erneuerung eines in die Jahre gekommenen Blockheizkraftwerks, folgt der 32-Jährige auch bei der energieintensiven Druckluft konsequent der Prämisse „Energieeffizienz erhöhen“.
Ohne Druckluft, keine Schokolade
Denn auch bei der Schokoladenherstellung kann auf Druckluft nicht verzichtet werden. Bereits bei der Warenannahme, wenn die verschiedenen Rohstoffe in Pulverform an ihren Bestimmungsort transportiert werden, kommt Druckluft zum Einsatz. Im weiteren Verlauf wird Druckluft als Steuerluft eingesetzt zum Beispiel für Weichen. Beim Herstellen der Schokoladentafeln wird der Energieträger für den Betrieb von Ventilen und Zylindern in den Maschinen benötigt. Im Verpackungsprozess werden Tafeln, die dem Qualitätsanspruch nicht zu 100 Prozent entsprechen, mit Hilfe von Druckluft aussortiert. Auch die Reinigung der Schokomasseleitungen erfolgt mit Druckluft: Ein Gummipfropfen – auch ‚Molch‘ genannt – wird durch die Leitung ‚geblasen‘ und entfernt so die Schokoladenreste in der Leitung. „Es gibt kaum eine Maschine ohne Druckluftanschluss“, bestätigt Flaig.
Kontrolle ist besser - für Qualität und Energieeffizienz
„Als Lebensmittelbetrieb legen wir dabei sehr großen Wert auf eine extrem gute Druckluftqualität. Dafür haben wir überall Messstellen zur Qualitätsüberwachung der Druckluft“, berichtet Flaig. Neben der Qualitätsüberwachung spielt Energiemonitoring eine wichtige Rolle im Druckluftprozess. „Wir haben an allen Kompressoren Stromzähler angebracht, um deren Effizienz zu überwachen“, erzählt Benjamin Flaig. Dass die Kompressoren mit Wärmerückgewinnung ausgestattet sind und dank kaskadenförmiger Anordnung, einer übergeordneten Steuerung und Drehzahlregelung bei einem Großteil der Kompressoren nur so viel arbeiten, wie es der Druckluftbedarf im Werk gerade erfordert, versteht sich für Flaig fast von selbst. Dank Monitoring kann er zudem sehr genau sagen, wie viel Druckluft tatsächlich für den jeweiligen Prozess benötigt wird und wie viel als ‚Leckageluft‘ im Prozess verloren geht.
:quality(80)/p7i.vogel.de/wcms/f0/78/f078eee6860bd20a3d81494307f6bf73/98122566.jpeg)
Smarte Schokoladenseite
Schweizer Süßwarenfabrikant setzt voll auf Digitalisierung
50 Prozent weniger Leckageluft
Bei der gewünschten Reduktion der Leckageluft setzte Ritter Sport zunächst auf eine Inhouse-Lösung. Das firmeneigene Instandhaltungsteam übernahm anfangs die Ortung und Beseitigung der Druckluft-Leckagen. Gesteigerte Komplexität in der Instandhaltung und ein wachsender Maschinenpark führten jedoch bald dazu, dass das Unternehmen eine Outsourcing-Lösung für das Thema ‚Leckage‘ suchte.
Seit 2019 ist dafür der süddeutsche Druckluft- und Pneumatikspezialist Mader bei Ritter Sport im Einsatz. Zunächst war Mader ausschließlich für die Ortung der Leckagen zuständig. Nach umfassenden Hygieneschulungen übernimmt seit 2019 ein festes Leckageteam von Mader auch größtenteils die Beseitigung der Undichtigkeiten. „Einige wenige Leckagen, die beispielsweise in einer Maschine sind oder besondere Kenntnisse erfordern, werden von den Instandhaltern selbst beseitigt,“ erzählt Marina Griesinger, Leiterin Energieeffizienzmanagement bei Mader.
Entscheidend bei der Auswahl des Dienstleistungspartners war für Flaig die räumliche Nähe und das umfassende Serviceangebot von Mader, das auch digitale Dienstleistungen umfasst. „Die Erfolge zu sehen ist sehr wichtig“, betont Benjamin Flaig und nimmt damit Bezug auf die digitale Leckageanwendung von Looxr, die Mader seinen Kunden anbietet. Darin enthalten: Das Leckage-Portal und die Leckage-App. Per App und Portal kann der Energiemanager sich jederzeit live darüber informieren, wie viele Leckagen geortet wurden, wo sie sich befinden, wie viel Druckluft darüber verloren geht, wie viele Leckagen bereits beseitigt wurden und welche konkreten Ersparnisse sich daraus ergeben. Und das sowohl monetär als auch in Höhe des eingesparten CO2-Ausstoßes. „Mit dem Tool kann das Instandhaltungsteam sehen, dass seine Arbeit auch Früchte trägt“, sagt der Energie- und Gebäudemanager.
Die Erfolge der Zusammenarbeit und des konsequenten Fokus auf den Baustein ‚Leckage‘ bei der Reduktion des Energiebedarfs führen bereits zu spürbaren Ergebnissen: Innerhalb von zwei Jahren wurde der Leckageluftanteil um 50 Prozent reduziert.
:quality(80)/images.vogel.de/vogelonline/bdb/1796100/1796124/original.jpg)
Montageautomation
Ist die Elektrik immer besser als die Pneumatik?
Vorbeugende Instandhaltung durch Leckagebeseitigung
Um die bisherigen Einsparungen zu erreichen wurde die Leckageortung und -beseitigung in der Instandhaltungsplanung fest einkalkuliert. „Zwei bis drei Wochen vor dem geplanten Instandhaltungsfenster für eine Produktionslinie ist unser Team vor Ort und führt die Ortung durch. Dank moderner Ultraschallortungstechnologie kann das bei laufender Produktion erfolgen“, erzählt Marina Griesinger. Im Servicefenster selbst ist das Mader-Team ebenfalls vor Ort und beseitigt die gefundenen Leckagen. Mindestens einmal jährlich werde so jede Produktionslinie im dafür vorgesehenen Instandhaltungsfenster einem Leckage-Check unterzogen.
Neben dem Ziel die Leckageluft und damit den Energieverbrauch zu reduzieren, sieht Flaig bei einer konsequenten Leckagestrategie einen weiteren entscheidenden Vorteil: „Es hilft dabei Verschleiß zu erkennen und Stillstand zu vermeiden. Damit sind die Maßnahmen auch ein Teil der vorbeugenden Instandhaltung“. Gleichzeitig sei es ein Baustein, der „kleinteiliger“ sei und den man konsequent und langfristig verfolgen müsse. Anders als etwa große Projekte wie der Austausch der Beleuchtung, sei man mit dem Baustein ‚Leckage‘ „nie fertig“.
„Dicht machen“ und bis zu 30 Prozent sparen
„Dass Leckagen entstehen, lässt sich nicht vermeiden“, bestätigt auch Energieeffizienzexpertin Marina Griesinger. „Alle Bauteile unterliegen einem gewissen Alterungsprozess. Komponenten, die ständig in Bewegung sind oder wie es bei Ritter Sport der Fall ist, mit extremen klimatischen Bedingungen konfrontiert sind, verschleißen. Dichtungen werden spröde und können nicht mehr vollständig abdichten und schon entweicht an dieser Stelle Druckluft. Druckluft, die unter hohen Energieaufwand erzeugt wurde, wird in die Umgebung dann einfach abgeblasen.“ Neben dem bewussten Einsatz von Komponenten, die für die jeweilige Umgebung geeignet und möglichst haltbar sind, empfiehlt sie die regelmäßige Beseitigung von undichten Stellen im Druckluftsystem. „Eine Leckage allein ist meistens nicht so groß, aber die Vielzahl macht es aus“, sagt auch Flaig.
Eine aktuelle Meta-Studie des Umweltbundesamts zur Energie- und Kosteneinsparung in der Fluidtechnik gibt durchschnittliche Leckageanteile von 20 bis 30 Prozent in 80 Prozent der Druckluftanlagen an. Die Potenzialstudie 'Energie- / Kosteneinsparung in der Fluidtechnik‘ sieht demnach die Beseitigung von Druckluft-Leckagen als „Einzelmaßnahme mit dem größten Einsparpotenzial“ im Bereich Druckluft an.
:quality(80)/images.vogel.de/vogelonline/bdb/1861600/1861679/original.jpg)
Forschung
Projekt zum autonomen Werksverkehr
Kontinuität ist wichtig
Benjamin Flaig zeigt sich überzeugt vom eingeschlagenen Weg, der für ihn – gemeinsam mit Mader – sehr gut funktioniert..Jährlich werden durchschnittlich 500 Leckagen geortet und beseitigt, was 200 bis 250 Tonnen CO2 entspricht. „Technisch bedingt werden wir die Leckagen nie auf Null senken können, doch wir sind bestrebt, durch die regelmäßigen Einsätze die Leckagen deutlich und kontinuierlich zu reduzieren“, sagt Flaig.
* Ulrike Böhm arbeitet bei der Mader GmbH & Co. KG.
(ID:47560635)