Porträt Ein ungewöhnlicher Preisträger
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Aus der Medizin nicht mehr wegzudenken, findet die Röntgentechnik auch langsam ihren Platz in industriellen Anwendungen. Doch war war ihr Entdecker und was zeichnete ihn aus?

Der 10. Dezember 1901 war ein außergewöhnlicher Tag. Nicht nur, weil mit der Verleihung des Physik-Nobelpreises – des ersten Nobelpreises, der je vergeben wurde – der Wunsch Alfred Nobels, außergewöhnliche Leistungen zu würdigen, endlich umgesetzt wurde. Nobel hatte sein Testament bereits 1895 verfasst, war 1896 gestorben, aber es vergingen noch Jahre, bis seine Erben das Testament offiziell anerkannten. Mit Wilhelm Conrad Röntgen gab es auch einen durchaus ungewöhnlichen Preisträger: Abgang von der Schule ohne Abiturzeugnis, Diplom als Maschineningenieur ohne Promotionsberechtigung – nicht der klassische Einstieg in eine Karriere als Naturwissenschaftler.
Aber der Reihe nach: Geboren wurde Röntgen am 27. März 1845 in Lennep im Bergischen Land. Wenige Jahre später siedelte die Familie nach Apeldoorn in den Niederlanden um. Anlass dafür waren, wie es in Biografien Röntgens heißt, zum einen wirtschaftliche Gründe, zum anderen die niederländischen Wurzeln seiner Mutter. Bis zu seinem 16. Lebensjahr besuchte Röntgen Schulen in Apeldoorn und wechselte dann an eine technische Schule nach Utrecht. Obwohl sein Fleiß als mäßig galt, waren seine Noten durchaus gut. Ursache seines Schulabgangs ohne Abiturzeugnis war etwas anderes. Ein Mitschüler hatte eine Karikatur eines Lehrers in den Klassenraum gemalt. Als Röntgen sich weigerte, den Namen seines Mitschülers zu verraten – Röntgen betrachtete, wie Biografen berichten, wohl gerade die Zeichnung, als der Lehrer den Raum betrat –, wurde er von der Schule verwiesen. Nachdem er aufgrund unglücklicher Umstände auch die in den Niederlanden mögliche Zulassungsprüfung für die Universität nicht bestand, schien der Weg zur Hochschule endgültig versperrt zu sein.
1869: Promotion mit Gasen
Ein neuer Weg eröffnet sich Röntgen in der Schweiz. Am Eidgenössischen Polytechnikum in Zürich war ein Studium auch ohne Reifezeugnis möglich, die eigentlich erforderliche Aufnahmeprüfung wurde ihm erlassen. 1868 erhielt er das Diplom als Maschineningenieur, allerdings war eine Promotion am Polytechnikum damals nicht möglich, wohl aber an der im gleichen Gebäude untergebrachten Universität. Röntgen blieb am Polytechnikum eingeschrieben, hörte verschiedene Physikvorlesungen, schrieb in seiner freien Zeit eine theoretische Abhandlung mit dem Titel „Studien über Gase“ und wurde damit 1869 an der Universität Zürich zum Dr. phil. promoviert.
Zu seinen Lehrern in dieser Zeit gehörte auch der junge Physikprofessor August Kundt – eine Begegnung, die Röntgens Leben für viele Jahre prägte. Er wurde Kundts Assistent, begleitete ihn zuerst nach Würzburg und dann nach Straßburg. In Straßburg erhielt Röntgen im März 1873 seine Habilitation, die – welch' Ironie des Schicksals – ihm an der Uni Würzburg, deren berühmtester Sohn er noch werden sollte, wegen seines fehlenden Abiturs verwehrt worden war.
1875 wurde Röntgen außerordentlicher Professor für Physik und Mathematik in Hohenheim, 1876 außerordentlicher Professor für Physik in Straßburg und 1879 ordentlicher Professor in Gießen. Damit erhielt er zum ersten Mal in seiner wissenschaftlichen Laufbahn ein festes Gehalt.
1888: Röntgen wird Professor
Im August 1888 ernannte Prinzregent Luitpold von Bayern Röntgen zum Professor in Würzburg. Dort machte er vor 120 Jahren am 8. November die Entdeckung, die für immer mit seinem Namen verbunden ist und die die Physik, die Medizin und die Technik dauerhaft veränderte, die X-Strahlen, heute nur noch als Röntgenstrahlen bekannt.
Zu den faszinierenden Forschungsgebieten der damaligen Zeit gehörte die Untersuchung von elektrischen Strömen in evakuierten Glasgefäßen. Experimente dieser Art waren erst möglich, seit der Bonner Universitätsglasbläser Heinich Geißler 1855 eine Quecksilberluftpumpe entwickelt hatte. Um 1890 war ein Vakuum von etwa dem einmillionsten Teil des Luftdruckes möglich. Auch Röntgen experimentierte mit in diesen Röhren erzeugten Elektronenstrahlen, die er auf einem Fluoreszenzschirm betrachtete.
Wie Röntgen die Strahlung ganz genau entdeckte, ist nicht überliefert. Dies liegt auch daran, dass Röntgen anordnete, dass nach seinem Tode alle von ihm ausgesonderten Aufzeichnungen ungelesen vernichtet werden sollten. Er selbst widmete sich nach dem 8. November wochenlang nichts anderem als dem von ihm entdeckten Phänomen, sprach aber mit niemandem – auch nicht mit seiner Frau – über seine Entdeckung. Am 28. Dezember 1895 erschien in den Sitzungsberichten der Würzburger Physikalisch-Medizinischen Gesellschaft seine Arbeit „Eine neue Art von Strahlen“, der bald weitere Veröffentlichungen folgten. Die Bilder von durchleuchteten Händen, auf denen deutlich die Skelettstruktur zu erkennen war, erregten schnell große Aufmerksamkeit, die Entdeckung Röntgens war schnell weltbekannt, aus den X-Strahlen wurden die Röntgenstrahlen.
1896: Röntgen erhält den Verdienstorden
Röntgen selbst blieb trotz des Weltruhms zeitlebens bescheiden, heißt es in seinen Biografien. 1896 bekam er das Ritterkreuz des königlichen Verdienstordens der Bayerischen Krone verliehen. Die damit verbundene Erhebung in den persönlichen Adelsstand lehnte er ab.
Von ganz besonderer Bedeutung war Röntgens Entschluss, seine Entdeckung nicht patentieren zu lassen. Amerikanische Unternehmen sollen ihm Millionenbeträge geboten haben: Röntgen verzichtete auf ein Patent und stellte die Nutzung allen Interessenten zum Wohle der Menschheit frei.
Im April 1900 wechselte Röntgen von Würzburg an die Universität nach München, an der er bis zu seiner Emeritierung im April 1920 lehrte. Wenige Jahre später, am 10. Februar 1923, starb Röntgen an den Folgen eines Krebsleidens.
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