Getriebe Getriebe für Cobots – neue Produkte, neue Player

Von Stefanie Michel Lesedauer: 8 min |

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Der Cobot-Markt ist auf Wachstumskurs und verspricht eine rosige Zukunft. Die Einsatzbereiche sind groß, der Preisdruck ebenfalls. Dennoch wagen sich auch neue Zulieferer in diesen Markt. Wir blicken auf die Getriebehersteller.

Cobots gehört die Zukunft. Dieses Segment verspricht also steigenden Umsatz.
Cobots gehört die Zukunft. Dieses Segment verspricht also steigenden Umsatz.
(Bild: Stefanie Michel)

Cobots gehört die Zukunft – zumindest, wenn man Analysten wie ABI Research oder Interact Analysis glauben darf: Der Trend zur weiteren Automatisierung sowie die flexiblen Einsatzmöglichkeiten lassen den Markt in den nächsten fünf bis zehn Jahren deutlich wachsen. Im Moment liegt der Anteil an Cobots bezogen auf alle Roboter in der Industrie laut International Federation of Robotics (IFR) nur bei 5 Prozent. Doch er soll bis 2030 auf 29 Prozent steigen.

Der Robotikmarkt wächst in den nächsten Jahren, ganz deutlich legen aber die kollaborativen Roboter zu.
Der Robotikmarkt wächst in den nächsten Jahren, ganz deutlich legen aber die kollaborativen Roboter zu.
(Bild: Interact Analysis)

Dieses Segment verspricht also steigenden Umsatz, und zwar nicht nur für die Roboterhersteller und nicht nur in der Industrie. Auch die Zulieferer werden profitieren. Zudem soll der Bereich der nicht-industriellen Anwendungen sogar noch schneller wachsen. Diese Aussichten sorgen auch dafür, dass neue Player auftreten. Beispielhaft wollen wir uns deshalb den Bereich der Getriebe für Cobots genauer ansehen, weil in den letzten zwei bis drei Jahren sowohl neue Anbieter als auch neue Produkte auf dem Markt erschienen sind.

Wellgetriebe bestens für Cobots geeignet

Diese kollaborativen Roboter, „Cobots“ genannt, gehören zu den Leichtbaurobotern. Sie arbeiten zusammen mit dem Menschen, ihre Verfahrgeschwindigkeit und Beschleunigung müssen also auf die Geschwindigkeiten abgestimmt sein, die für die Mensch-Roboter-Kollaboration zulässig sind. Was den Antrieb betrifft, spielt vor allem das Gewicht eine große Rolle: Je geringer das Eigengewicht ist, desto geringer ist auch das Massenträgheitsmoment, und damit erhöht sich die Dynamik.

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Auch für die Getriebe ist das Gewicht ausschlaggebend, denn sie müssen hohe Drehmomente bei geringem Gewicht bereitstellen. Deshalb kommen in Leichtbaurobotern und Cobots vor allem Wellgetriebe zum Einsatz. Sie erfüllen die Anforderungen an kompakte Abmessungen und geringes Gewicht am besten. Zudem bieten sie eine ideale Kombination aus Spielfreiheit, Steifigkeit, hoher Präzision und langer Lebensdauer. Dieser Getriebetyp wird aus drei Komponenten aufgebaut (von innen nach außen):

  • Wellgenerator (Wave Generator): eine elliptische Scheibe, die mit einem verformbaren Wälzlager ausgestattet ist; über den Wellgenerator ist das Getriebe mit der Motorwelle verbunden
  • Flexring (Flexspline): eine zylindrische, verformbare Büchse mit Außenverzahnung; sie überträgt die elliptische Bewegung des Wellgenerators
  • Außenring (Circular Spline): starrer Ring mit Innenverzahnung; diese Verzahnung besitzt mehr Zähne als die Außenverzahnung des Flexspline

Die Vorteile der Wellgetriebe liegen in der absoluten Spielfreiheit über die gesamte Lebensdauer, der hohen Torsionssteifigkeit über den gesamten Drehmomentbereich sowie der hohen Untersetzungsverhältnisse und Wiederholgenauigkeit. Aufgrund dieser Eigenschaften setzen Roboterhersteller schon lange auf diese Getriebeart als Achsantriebe.

Das steigende Interesse an Cobots hat Harmonic Drive, der Marktführer für Wellgetriebe, bereits vor einigen Jahren gespürt. Die Folge waren Lieferengpässe bei den Getrieben, die das Unternehmen für alle namhaften und global tätigen Roboterhersteller produziert. Deshalb hat es von 2017 bis 2019 die Fertigungskapazitäten in den Werken in Deutschland und USA verdoppelt.

Viele der bekannten Roboterhersteller setzen für ihre kleinen Varianten häufig Harmonic-Drive-Wellgetriebe ein. Nach eigenen Angaben liegt das neben der hohen Produktqualität, der jahrzehntelanger Erfahrung in der Fertigung von Wellgetrieben und der Fertigung in Deutschland, USA und Japan auch an der qualifizierten Beratung, die Harmonic Drive bietet.

Prädestiniert für Cobots sind beispielsweise die besonders leichten Getriebe-Einbausätze CPL-2A von Harmonic Drive. Die Baureihe ist in fünf Baugrößen mit den Untersetzungen 50, 80, 100, 120 und 160 bei einem wiederholbaren Spitzendrehmoment zwischen 18 und 372 Nm und einer Leistungsdichte von 340 bis 735 Nm/kg erhältlich. Bei Bedarf ist auch eine kundenspezifische Ausführung möglich. Durch die große Hohlwelle lassen sich Versorgungsleitungen, Wellen und Kabeln für weiterführende Antriebssysteme führen.

Auch die Baureihe CSG-2A eignet sich für kleinere Roboter und wurde für hochdynamische Anwendungen entwickelt. Sie weist im Vergleich zu Standardwellgetrieben um 30 Prozent höhere Drehmomente auf. Das bedeutet, dass in Anwendungen eine höhere Beschleunigung möglich ist und die Zykluszeiten reduziert werden können. Ist das Gewicht entscheidend, kann alternativ bei gleicher Belastung auch eine kleinere Getriebebaugröße ausgewählt werden. Die Baureihe deckt einen breiten Drehmomentbereich ab und ist in zehn Baugrößen erhältlich.

Wellgetriebe nach Kundenwunsch entwickelt

Zu den weltweiten Marktführern bei Robotikgetrieben gehört Nabtesco. Das Unternehmen liefert Zykloidgetriebe für klassische Industrieroboter. Die bauen schon sehr kompakt und liefern eine hohe Leistungsdichte, doch für die kleineren Cobots genügte das nicht. „Wenn es um extrem kleine Modelle geht, stoßen wir unweigerlich an physikalische Grenzen“, erklärt Daniel Obladen, Head of Sales General Industries bei der Nabtesco Precision Europe GmbH. Seit 2017 gehört zu Nabtesco allerdings auch die Marke Ovalo – ein Hersteller, der schon seit 2006 Wellgetriebe für Großserienanwendungen (Automobilindustrie) produziert. Diese Ovalo-Wellgetriebe eignen sich für den unteren Drehmomentbereich, während die Nabtesco-Zykloidgetriebe vor allem höhere Drehmomente abdecken.

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Die Wellgetriebe bestehen aus drei Elementen: dem Hohlrad, dem Flextopf sowie dem Wellengenerator.
Die Wellgetriebe bestehen aus drei Elementen: dem Hohlrad, dem Flextopf sowie dem Wellengenerator.
(Bild: Nabtesco)

Nach eigenen Angaben sollen Cobot-Hersteller somit weder Abstriche beim Preis noch bei der Qualität machen müssen. Gefertigt werden die Getriebe nach Automotive-Standard, wie Obladen berichtet: große Stückzahlen, hohe Qualitätsanforderungen sowie automatisierte Fertigungsprozesse mit hoher Prozesssicherheit und vollständiger Rückverfolgbarkeit. Außerdem unterscheiden sie sich vom Wettbewerb durch einen wichtigen Punkt, so Obladen: „Alle Wellgetriebe werden exakt nach Kundenwunsch entwickelt. Nicht die Applikation wird dem Getriebe angepasst, sondern das Getriebe den Anforderungen.“ Um den Kunden Gesamtsysteme liefern zu können, hat Ovalo komplette Antriebskonzepte aus spielfreien Wellgetrieben, bürstenlosen Elektromotoren sowie allen dazugehörigen Anbauteilen und Sensoren im Programm.

Durch Nadellager kompaktere Getriebe möglich

Ein Neuling auf dem Markt der Cobot-Getriebe ist Schaeffler. Man kennt das Unternehmen als Lagerhersteller – auch für Roboter –, und es kann hier punkten: So ist seit 2020 ein neues Schrägnadellager XZU verfügbar, das über eine mindestens 25 Prozent höhere Steifigkeit als die Kreuzrollenlager der Serie XRB verfügt (Stand der Technik für Gelenke in Robotern). Grund dafür ist die X-Anordnung (45° Schräge) der Nadeln in zwei Laufbahnen und die höhere Anzahl tragender Wälzkörper durch Nadeln statt Rollen. Dieses Wälzlager kommt sowohl als Gelenkarmlager in Leichtbaurobotern zum Einsatz, aber auch als Hauptlagerung für das neue Wellgetriebe der Baureihe RTWH. Das verbessere die Sytemsteifigkeit sowie das Reibverhalten und baue zugleich kompakter, erklärte Michael Heid, Leiter Geschäftsfeld Industriemaschinen, bei der Produktvorstellung Anfang 2020.

Dieses Durawave-Wellgetriebe hat Schaeffler speziell für Cobot-Gelenke entwickelt und konnte dabei auf seine Entwicklungserfahrung von Wellgetrieben aus dem Automotive-Bereich zurückgreifen. Laut Nicolai Hämmerle,Leiter Geschäftsfeld Robotik bei Schaeffler, wurden für das Getriebe spezielle Werkstoffe und ein optimierter Fertigungsprozess eingesetzt. Das Herzstück Flexslpine wird beispielsweise durch Kaltumformung hergestellt und erhielt eine neue Oberflächenbehandlung.

Die Durawave-Getriebe gibt es aktuell in den vier Baugrößen 14, 17, 25 und 32, mit Übersetzungen von 100 bis 160 und Nennmomenten von 25 bis knapp 900 Nm. „Die Integration des Schrägnadellagers XZU als Hauptlager garantiert zudem höchste Steifigkeit und ein optimiertes Reibverhalten, um die Positioniergenauigkeit des Roboters zu erhöhen und ein Nachschwingen an der Endposition zu reduzieren“, erklärt Hämmerle.

Kombiniert werden kann das Durawave-Wellgetriebe mit der ebenfalls speziell für die Robotik entwickelte Motorenserie UPRS. Durch die Bauart als Axialflussmaschine mit Statoren in PCB-Leiterplattentechnologie sind hohe Leistungen bei geringem Bauraum und Gewicht möglich. Im Vergleich mit Maschinen ähnlichen Durchmessers spart dieser Motor bis zu einem Viertel an Gewicht und hat eine 30 Prozent kleinere Baulänge. Wie Hämmerle berichtet, wird zudem gerade eine in das Getriebe integrierte Drehmomentsensorik entwickelt. Diese ermöglicht die Sensorisierung der Cobot-Gelenke, ohne auf den Bauraum Rücksicht zu nehmen.

Kunststoffgetriebe für den Low-Cost-Markt

Einen etwas anderen Weg in der Robotik schlägt Igus ein: Low Cost. Wellgetriebe verbindet man typischerweise mit hochpreisigen Präzisionsgetrieben. Der Kunststoffspezialist hat in den letzten Jahren das Thema „Low Cost Automation“ vorangetrieben und damit auch günstige Robotik-Lösungen. Komponenten dafür sind im Robolink-Baukasten zu finden, darunter das komplett aus Kunststoff gefertigte Wellgetriebe. Aufgrund der verwendeten Hochleistungskunststoffen müssen Wellgetriebe von Igus nicht wie die metallischen Varianten zusätzlich geschmiert werden. Reibung und Verschleiß werden durch die trockenlaufenden Tribo-Polymere optimiert. Gleichzeitig ermöglicht der Einsatz von Kunststoffen eine äußerst kompakte Bauweise und eine kostengünstige Herstellung; allerdings muss der Anwender Einschränkungen bei Präzision und Steifigkeit hinnehmen. Igus hat aktiv an Wellgetrieben geforscht und sie weiterentwickelt. Vor allem in der neuesten Generation hat das Unternehmen durch konstruktive Optimierungen und die Werkstoffauswahl die Laufruhe, das Umkehrspiel und die Lebensdauer weiter verbessert.

Die Wellgetriebe von Igus sind durch die schmierfreien Hochleistungskunststoffe leicht, wartungsarm und langlebig.
Die Wellgetriebe von Igus sind durch die schmierfreien Hochleistungskunststoffe leicht, wartungsarm und langlebig.
(Bild: Igus)

Im Fokus steht die Servicerobotik als Einsatzbereich, weil das leichte Kunststoffgetriebe dafür sorgt, dass die Serviceroboter weniger Eigengewicht aufweisen und somit mehr laden können. „Wir sehen für unsere leichten Kunststoff-Wellgetriebe Marktchancen in Robotern, die komplett unter acht Kilogramm wiegen“, erklärt Alexander Mühlens, Leiter Low Cost Automation bei Igus. „Denn bei der Robotik in der Low Cost Automation ist neben der Traglast und einem günstigen Preis immer auch das Eigengewicht wichtig.“ Anwendungen sind beispielsweise Cobots für die Gastronomie (Kaffee ausschenken) oder die Pflege, aber auch in der Logistik.

Die neue Version der Kunststoff-Wellgetriebe ist seit April 2020 auf dem Markt. Im Frühjahr 2021 stellte Igus zudem einen Getriebebaukasten vor mit Wellgetrieben in den Größen 80 und 105 mit integriertem Motorcontroller, Kraftregelungselektronik, Absolutwert-Encoder und Motor.

Fast ein Zykloidgetriebe für Cobots

Das Getriebe E-Cyclo von Sumitomo Cyclo Drive auf der Automatica 2018.
Das Getriebe E-Cyclo von Sumitomo Cyclo Drive auf der Automatica 2018.
(Bild: Stefanie Michel)

Ebenfalls hohe Drehmomente übertragen kann ein Zykloidgetriebe, das zudem noch höhere Wirkungsgrade erreicht. Die Problematik für Cobots wurde bereits erwähnt. Doch eine Kombination aus Zykloid- und Wellgetrieben stellte Sumitomo Cyclo Drive auf der letzten Automatica 2018 vor. Das Getriebe E-Cyclo („E“ steht für „elastic“) ermöglicht eine spielfreie Kraftübertragung bei gleichzeitig hoher Steifigkeit und Übertragungsgenauigkeit. Trotzdem ist es klein und leicht: So misst das kleinste E-Cyclo ECY103 74 mm im Außendurchmesser und 52,5 mm in der Länge. Es hat einen Hohlwellendurchmesser von 19 mm und wiegt 0,9 kg. Durch die große Hohlwelle können beispielsweise Versorgungsleitungen oder Wellen geführt werden. Die Getriebe decken Nennbetriebsdrehmomente von 25 bis 63 Nm ab, können aber sogar mit einem Beschleunigungsdrehmomenten bis zu 137 Nm belastet werden.

Die Auswahl an Wellgetrieben wächst also ähnlich wie die Anwendungen für Cobots. Der Trend bleibt: Immer leichter und kleiner, immer leistungsfähiger – und immer digitaler. Der Cobot soll letztendlich auch mit dem Menschen kommunizieren. In diese Richtung entwickelte ein Forscher der TU Graz ein intelligentes Getriebe für Cobots, das auf umlaufende Zahnräder verzichtet. Das Konzept nennt sich „Smart Gear“ und zeigt, dass die Entwicklung noch lange nicht zu Ende ist.

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