Zerspanen Hochfeste Werkstoffe erfordern bessere Schneiden

Autor / Redakteur: Wolfgang Filì / Rüdiger Kroh

Hochfeste, zähe sowie ausgesprochen leichte Werkstoffe wie Titan, Sinteraluminium oder faserverstärkte Kunststoffe sind auf dem Vormarsch. Das garantiert konstruktive Freiheiten. Und die gute Nachricht für Zerspaner: Die Präzisionstools der jüngsten Generation kommen nicht nur mit ihnen, sondern auch mit neuen Composites und Gussmaterialien wie ADI, GJV oder Sibodur souveräner denn je zurecht.

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Die stärksten Entwicklungstreiber sind immer noch die Automobil- und Luftfahrt-Branche. Aber auch der allgemeine Maschinenbau, Elektronik und die Medizintechnik machen Druck und fordern Präzisionswerkzeuge ein, die mit neuen Gusswerkstoffen wie ADI, GJV und Sibodur, hochfesten und Hochtemperatur-Legierungen, Invar, Titan, Composites oder Sintermaterial genau so problemlos zurecht kommen wie mit glas- und kohlenstofffaserverstärktem Material. Die gestalterischen Freiheitsgrade wachsen mit diesen Werkstoffen enorm.

„Aber die Zerspanung ist problematisch“, gibt Dieter Kress, geschäftsführender Gesellschafter der Mapal Dr. Kress KG zu bedenken. Titanlegierungen etwa seien in der Luftfahrt zwar seit langem etabliert, bei jeder Zerspanung träten jedoch relativ hohe und konzentrierte Schnittkräfte auf.

Bedingt durch die geringe Leitfähigkeit des Materials greift die Prozesswärme zudem voll in der Zerspanungszone der Schneiden. „Insoweit ergäben sich erschwerte Bedingungen“, sagt Kress.

Mit erheblichem Aufwand – allein 2007 wurden 8% vom Umsatz in Forschung und Entwicklung investiert – hat das Aalener Unternehmen in den vergangenen Jahren neue Werkzeuge entwickelt und bestehende Lösungen angepasst.

Hochfeste Werkstoffe erzeugen Nachfrage nach neuen spanenden Werkzeugen

Auch Marktgrößen wie Kennametal und die zu Sandvik zählende Walter-Gruppe sind längst auf die neuen Werkstoffe eingestellt. „47% unseres Geschäfts machen wir heute mit Tools, die weniger als fünf Jahre alt sind“, erklärt Henk van den Berg, der bei Kennametal in Europa für Entwicklung zuständige Direktor.

50 frische Patente kämen jedes Jahr hinzu. Bei Kennametal konnten spanende Werkzeuge für hochfeste Stähle, Titan, ADI und Vermikularguss, Exoten und faserverstärkte Kunststoffe in den vergangenen fünf Jahren ihren Produktionswert verdoppeln und machen 15% des kompletten Programms aus.

Da das Leistungsprofil solcher Tools jedoch auch bei herkömmlichen Werkstoffen greift, will Mapal keine entsprechenden Zahlen veröffentlichen. Die Zuordnung sei nicht eindeutig. Auch die Walter AG tut sich schwer, schätzt den Anteil der Zerspanungstools für neue Werkstoffe jedoch auf 10 bis 20% des Portfolios ein. Dieser hätte sich damit seit der Jahrtausendwende verdreifacht.

Schneidwerkstoff Tigertec für schwer zerspanbare Werkstoffe wird zum Renner

So ist der Schneidstoff Tigertec mittlerweile ein Marktrenner: Speziell für schwer zerspanbare sowie rostfreie Materialien entwickelt und mit Aluminiumoxid beschichtet, ermöglicht er eine erhebliche Produktivitätssteigerung. Tigertec hat sich damit in nahezu allen Branchen durchgesetzt. Michael Fink, Manager Produktmarketing Rotary Tools bei Walter, ist überzeugt, dass weltweit mehrere Milliarden neuer Werkzeuge für schwer zerspanbare und exotische Werkstoffe benötigt werden.

In der Luft- und Raumfahrt lassen Airbus und Boeing keinen Zweifel daran, dass sowohl Titanlegierungen und Metall-Keramik-Verbundstoffe (Composites) als auch glas- und faserverstärkte Kunststoffe stark im Aufwind sind. Während der Strukturgewichtsanteil von CFK bei älteren Flugzeuggenerationen noch zwischen 10 und 15% lag, beträgt er bei heutigen Maschinen inzwischen 20% und soll in zukünftigen Modellen bis auf 40% steigen.

Neue Geschäftschancen für Hersteller von Präzisionswerkzeugen

Damit wachsen auch die Geschäftschancen der Präzisionswerkzeugbauer. Denn bei der Produktion einbaufertiger CFK-Bauteile sind der eigentlichen Formgebung weitere Zerspanungsprozesse nachgeordnet wie Bohren und Orbitalbohren, das Stirnfräsen und Besäumen.

Hersteller wie Mapal haben hier gemeinsam mit der Flugzeugindustrie geeignete Werkzeuge entwickelt. So werden Holmgurte für ein Flugzeug-Seitenleitwerk komplett mit Mapal-Fräsern der Baureihen HP-Face-Mill und HP-End-Mill bearbeitet.

Die monolithisch aufgebauten Werkzeuge mit festen Schneiden aus polykristallinem Diamant machen durch die sehr hohe Schneidenanzahl höchste Vorschubwerte möglich. Aber auch labile Bauteile können dadurch schwingungsarm bearbeitet werden. Die Verwendung von CFK in weiteren Industriezweigen wie dem Schiffsbau und bei Schienenfahrzeugen wird auch in Zukunft steigen.

Dagegen herrschen in der Automobilbranche immer noch Stahl- und hochfeste Gusswerkstoffe vor. Sie werden jedoch zunehmend ergänzt durch ADI und Aluminiumlegierungen. Auch Sinteraluminium fasst nach und nach Fuß.

ADI und Aluminiumlegierungen auch im Maschinenbau auf dem Vormarsch

Vergleichbares gilt für die Maschinenbaubranche und den Formen- und Werkzeugbau. In der Medizin- und Kommunikationstechnik wiederum dürften Titan-Aluminium-Legierungen sich zunehmend festsetzen.

Speziell im Lkw-Bau erkennt Dieter Kress eine starke Tendenz zu hochfesten Gusswerkstoffen wie GJV, ADI und Sibodur. Titanaluminide hingegen werden sich seiner Ansicht nach kaum durchsetzen. „Auch CFK und GFK sehe ich im Pkw-Sektor für die kommenden fünf Jahre lediglich in Nischen“, betont der Mapal-Chef.

Werkstücke ohne spanende Bearbeitung herzustellen ist das Ziel beim Sintern. Durch Kalibrieren oder Warmsintern sind gute Qualitäten erreichbar. Oft sind Bohrungstoleranzen und Rundheiten gefordert, die nur durch eine spanende Nachbearbeitung erreichbar sind. Gleiches gilt für bestimmte Geometrien, wie radiale oder tiefe axiale Einstiche, die prozessbedingt durch Sintern nicht herstellbar sind.

Die Zerspanung von Sinterteilen ist anspruchsvoll. So können bei Bauteilen mit vergleichsweise geringer Härte, sehr harte Partikel eingeschlossen sein die später an den Schneiden erhöhten Verschleiß verursachen.

CBN als Schneidstoff ist hier ein probates Mittel. Zudem neigen Bestandteile in Sinterstoffen oft zur chemischen Reaktion mit dem Schneidstoff, so dass letztere adäquat beschichtet werden müssen.

Wolfgang Filì ist freier Fachjournalist in 50529 Köln.

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