CAD-CAM-Fräsmaschine In fünf Minuten vom CAD-Modell zum fertigen NC-Code

Autor / Redakteur: Florian Hörmann und Lukas Nuschele / Mag. Victoria Sonnenberg

An der Fakultät für Maschinenbau und Verfahrenstechnik der Hochschule Augsburg haben Studierende die Prozesskette CAD-CAM-Fräsmaschine revolutioniert. Mittels Edge CAM kann die Fräsmaschine als eine Art 3D-Drucker verwendet werden.

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Maschine, Spannmittel, Rohteil und Bauteil in der CAM-Umgebung.
Maschine, Spannmittel, Rohteil und Bauteil in der CAM-Umgebung.
(Bild: HS Augsburg)

Ein lang gehegter Traum der Konstrukteursgilde geht in Erfüllung: Vergleichbar mit einem Dokument, das nach Erstellung per Knopfdruck an einen Drucker gesendet werden kann, können Konstrukteure jetzt aus einem erstellten CAD-Modell ein maschinenfertiges CNC-Programm aufbauen, um daraus mithilfe einer Schnittstelle auf der Maschine ein reales Bauteil zu fertigen.

Die Konstrukteure halten das modellierte Bauteil somit innerhalb kürzester Zeit in ihren Händen. Aufwendiges und zeitintensives Programmieren von Hand durch geschulte Spezialistinnen und Spezialisten sowie die 2D-Zeichnungsableitung für Fertigungszwecke gehören der Vergangenheit an – ein weiterer Schritt in Richtung Industrie 4.0.

Mit dem Ziel eine Fräsmaschine wie einen 3D-Drucker zu verwenden, wurde dazu die gesamte Prozesskette vom CAD-Modell bis zum fertigen Bauteil optimiert. Schlüssel zum Erfolg waren die konsequente Standardisierung entlang der kompletten Prozesskette und eine umfassende automatische Feature-Erkennung zwischen der 3D-Konstruktion im CAD und der automatischen CAM-Programmierung sowie einem selbst programmierten Makro für Freiformflächen. Die automatische NC-Programmerstellung wurde anhand des an der Hochschule Augsburg bereits etablierten CAD-Systems PTC Creo 5.0 und der CAM-Software Edge Cam von Timatech durchgeführt. Edge CAM zeichnet sich neben einer hohen Anwenderfreundlichkeit vor allem durch eine umfassende automatische Feature-Erkennung aus.

Standardisierung der Prozesskette

Vor jeder erfolgreichen Automatisierung steht eine Standardisierung der Abläufe, um später unvorhergesehene Störungen zu vermeiden und dem Prozess die Möglichkeit zu geben, mit der Zeit zunehmend stabiler zu werden. Aufgrund dessen, dass nach der CAD-Erstellung keine weitere Programmierinstanz nachgelagert wird, bevor das Bauteil auf der NC-Maschine gefertigt wird, ist es notwendig, bereits in der Konstruktion alle relevanten Informationen zur Verfügung zu stellen. Konstrukteurinnen und Konstrukteure müssen bei der 3D-Modellerstellung besonders präzise vorgehen und sind zwingend angehalten, die im CAD-Programm vorgegebenen Features, wie zum Beispiel Tasche, Bohrung und Gewinde zu nutzen, da diese im weiteren Verlauf zur Programmerstellung verwendet werden.

Diese Forderung klingt trivial ist jedoch in deutschen Unternehmen immer noch nicht in allen Fällen Standard. Neben den Features sind zudem noch weitere Informationen zur Oberflächenbeschaffenheit mit anzugeben, damit das CAM-Programm die richtige Strategie erstellt. Zwei weitere geforderte Standards sind die Einbindung des Rohteils und der verwendeten Spannmittel auf der NC-Maschine. Dadurch können Konstrukteurinnen und Konstrukteure zum einen bereits im CAD die Machbarkeit überprüfen. Außerdem stehen die Spannmittel für die NC-Programmierung zur Verfügung und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der NC-Maschine haben eindeutige Anweisungen zur Aufspannung. Alle drei Punkte tragen entscheidend zur fehlerreduzierten Bauteilherstellung bei.

Fokus auf den Standardwerkzeugsatz

Auf der NC-Maschine – einer hochschuleigenen, fünfachsigen Fräsmaschine DMU 50 von DMG Mori – kommt ein Standardwerkzeugsatz zum Einsatz, mit dem eine hohe Varietät an Bauteilen gefertigt werden kann. Der Fokus auf den Standardwerkzeugsatz ist notwendig, um einerseits die kostenintensiven Werkzeugwechsel zu vermeiden, als auch die Komplexität aus der NC-Programmerstellung zu nehmen. Diese Werkzeuge sind ebenso in Edge CAM hinterlegt und werden bei der Strategieerstellung automatisiert zugewiesen. Dadurch ergeben sich NC-Programme, die nicht an die speziellen Bedürfnisse des einzelnen Bauteils angepasst sind und folglich meist zu höheren Laufzeiten auf der Maschine führen. So begrenzt sich das Anwendungsspektrum auf Einzelteile oder Kleinserien. Durch die feste Verbindung zwischen CAD-Features, NC-Strategie und der Werkzeuge auf der Maschine entstehen über mehrere Aufträge hinweg sehr stabile Bearbeitungsbedingungen. Die Voraussetzung für eine automatische Bauteilherstellung ist gegeben.

Dazu wurden weiterhin im Rahmen des Projekts der gesamte Ablauf der Programmierung standardisiert. Alle überflüssigen Auswahlmöglichkeiten, die nicht im Zusammenhang mit einer automatisierten Strategieerstellung stehen, wurden im CAM-System entfernt. Das Bauteil wird zusammen mit dem Rohteil und dem Spannmittel ins CAM übertragen und kann durch eine standardisierte Bearbeitungsreihenfolge programmiert werden. Diese Maßnahmen stabilisieren die Prozesskette, ohne den konstruktiven Freiraum einzuschränken.

Nachdem das Bauteil, das Spannmittel und das Rohteil im CAM definiert wurden, funktioniert der verbleibende Prozess zur Programmerstellung automatisiert. Die Feature-Erkennung identifiziert alle Eigenschaften des Bauteils und eine Bearbeitungsstrategie wird mit den passenden Werkzeugen automatisch erstellt. Das NC-Programm wird per Knopfdruck ausgeführt und kann an die Maschine übertragen werden. Durch den Einsatz eines selbst programmierten Makros können sämtliche 2.5D-Formen und sogar Freiformen gefertigt werden. So ist es allen Konstrukteuren möglich mit wenigen Klicks innerhalb von fünf Minuten von einem CAD-Modell zum fertigen NC-Code zu gelangen und das ohne jegliche Fehlerquellen.

Optional kann das CNC-Programm mit einer wahrheitsgetreuen Simulation, welche Abtrag und Konturwege darstellt, überprüft werden. Rohteil, Aufspannung, Werkzeuge und die Maschine sind in das CAM-Programm übernommen worden und können auf Kollisionen geprüft werden. Zahlreiche praktische Versuche mit einer erfolgreich durchlaufenen Prozesskette stützen das Ergebnis.

Der Erfolg der automatischen Programmierung kann am Beispiel einer Halterplatte, die zur Befestigung von Sensoren dient, gezeigt werden. Die Programmerzeugung mit einem herkömmlichen CAM-System beansprucht etwa 35 Minuten. Diese Zeit konnte um etwa 90 % auf nur knappe vier Minuten anhand der automatischen Programmierung in Edge CAM reduziert werden. Die Fertigung der Halterplatte mit dem herkömmlich programmierten NC-Code liegt bei 24,43 Minuten. Demgegenüber liegt die Maschinenlaufzeit bei 27,14 Minuten anhand der Edge-CAM-Programmierung. In Summe ergibt sich eine deutliche Verbesserung von etwa 28 Minuten.

Anwendung bei Prototypen und der Einzelteilfertigung

Die sich daraus ergebenen Möglichkeiten sind breit gefächert. Besonders interessant wird diese Anwendung im Bereich der Prototypen und der Einzelteilfertigung. Dieser Effekt wird noch verstärkt, wenn ein kurzer beziehungsweise sehr kurzer Liefertermin gefordert wird. Denn neben einer absoluten Reduzierung der eigentlichen Bearbeitungszeiten durch den NC-Programmierer zur Programmerstellung ist die Verkürzung der Prozesskette um den CAM-Schritt ein entscheidender Faktor. Folglich spielen Überlastung und/oder fehlendes Personal in der NC-Abteilung keine Rolle mehr.

Die Verkürzung der Prozesskette kann auch für die zunehmend erstarkende Repair-Bewegung einen entscheidenden Faktor spielen, da heute oftmals die Reparatur an der Verfügbarkeit von Ersatzteilen scheitert. Im Bereich der Kunststoffe kann dieses Problem anhand der 3D-Drucker oftmals übernommen werden. Im Bereich von metallischen Werkstoffen bleibt diese Hürde jedoch bestehen. Durch die dargestellte Vereinfachung der Prozesskette kann auch diese Hürde in den kommenden Jahren genommen werden.

Aufgrund des geringen zeitlichen Aufwands bei der Herstellung der Bauteile stellt diese Fertigungsmethode eine kostengünstige Alternative zu additiven Fertigungsverfahren, wie zum Beispiel dem Lasersintern dar. Die Hochschule machte durch die Anschaffung von EdgeCAM einen Schritt in die richtige Richtung und bleibt zeitgemäß beim Thema papierlose Fertigung. Nun ist es die Aufgabe diese Forschungsergebnisse auch für den 3D-Fertigungsbereich
voranzutreiben.

* Prof. Dr.-Ing. Florian Hörmann lehrt an der Fakultät Maschinenbau und Verfahrenstechnik der Hochschule Augsburg, Lukas Nuschele ist Student der Hochschule Augsburg in 86161 Augsburg, 0821 5586-3167, f.hoermann@hs-augsburg.de

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