Regelungstechnik Mit Model-Based-Design den Entwurf von Steuerungen effizienter gestalten

Autor / Redakteur: Paul Barnard / Barbara Schulz

Bei immer kürzer werdenden Entwicklungszyklen kann die Produktivität beim Entwurf von Regelungssystemen mit Hilfe von Model-Based-Design erhöht werden. Diese mathematische und visuelle Methode erlaubt es Ingenieuren, über den gesamten Entwicklungsprozess ein einziges Systemmodell zu verwenden, um das Verhalten der Regelungssoftware und des physikalischen Systems zu beschreiben.

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Zwei entgegengesetzte Trends stellen die Entwickler beim Entwurf regelungstechnischer Embedded Systems vor ein Dilemma: Während die Entwicklungszyklen stetig kürzer werden, sind gleichzeitig immer raffiniertere Entwürfe gefragt. Diesem Problem ist nur mit einer strategischen Aufgabenverteilung beizukommen. Dazu müssen die Fähigkeiten von Mitarbeitern aus den verschiedensten Fachgebieten koordiniert werden. Für diese Vorgehensweise ist der konventionelle, auf schriftlichen Spezifikationen basierende Ansatz zur Entwicklung von Embedded Systems längst nicht mehr geeignet.

Model-Based-Design ist eine mathematische und visuelle Methode, die besonderen Probleme der Entwicklung komplexer Regelungssysteme anzugehen. Sie wird mit großem Erfolg in den verschiedensten Bereichen wie der Bewegungssteuerung und Industrieausrüstung, der Luft- und Raumfahrt oder der Automobiltechnik angewendet.

Ingenieure, die mit Model-Based-Design arbeiten, können den gesamten Entwicklungsprozess hindurch das gleiche Systemmodell verwenden – von der Planung der Anforderungen über den Konzeptentwurf bis hin zur detaillierten Ausarbeitung und zur Verifikation. Dieses Modell beschreibt das Verhalten der Regelungssoftware, des physikalischen Systems, das die Software steuert, sowie der Betriebsumgebung des Systems.

Da das Modell direkt aus den Systemanforderungen abgeleitet wird, kann es genauere und detailliertere Informationen über die Funktionsweise des Systems liefern als schriftlich niedergelegte Spezifikationen. Das Systemmodell ist eine ausführbare Spezifikation, die ein Entwickler in den verschiedenen Phasen des gesamten Systementwurfs immer wieder simulieren kann. Aus der Spezifikation lässt sich automatisch Echtzeit-Software für Tests, für die Prototyping-Phase und schließlich für die Implementierung auf einem Embedded System erzeugen. Außerdem ist der automatisch generierte Code nicht anfällig für Übersetzungs- und Interpretationsfehler, die häufig auftreten, wenn Entwickler, die an verschiedenen Aufgaben arbeiten, manuell erstellte Dokumentationen austauschen.

Model-Based-Design bringt die Softwareentwicklung und die Entwicklung des eigentlichen Embedded Systems deutlich enger zusammen. So können die Regelungsingenieure beispielsweise die Leistung ihres Softwareentwurfs bereits beurteilen, ohne auf Produktprototypen und Echtzeit-Targets warten zu müssen. Die Mitglieder des Entwicklungsteams arbeiten das Systemmodell im Verlauf der Entwicklung immer detaillierter aus, wodurch das Modell das zu entwickelnde System zunehmend akkurater repräsentiert (Bild 1).

Model-Based-Design spart Entwicklungszeit

Der Entwurf eines elektrischen Fensterhebers für ein Auto zeigt beispielhaft, wie Model-Based-Design die Entwicklung vereinfacht und Entwicklungszeit spart. Das Modell spiegelt sämtliche über das System verfügbaren Informationen wider (Bild 2). So kann die Entwicklung beginnen, ohne dass dazu ein Prototyp aus den Einzelkomponenten des Fenstersystems gebaut, ein Prozessor-Target erzeugt oder Software geschrieben werden muss.

Entwickler, die Model-Based-Design erfolgreich für regelungstechnische Embedded-Anwendungen einsetzen wollen, sollten über ein Grafik-orientiertes Werkzeug verfügen, das Aufgaben wie den Algorithmenentwurf, die Definition des Modells, die Simulation, Optimierung und Validierung des Systems und schließlich die Codegenerierung abdeckt.

Dynamische Systeme modellieren und simulieren

Zur Modellierung des Systems wird ein interaktives Werkzeug benötigt, in dem dynamische Mehrdomänensysteme modelliert, simuliert und analysiert werden können. Die Mehrdomänen-Fähigkeit ist von zentraler Bedeutung für viele Systeme, bei denen nebeneinander mechanische, elektrische und andere Domänen entworfen und analysiert werden. Das eingesetzte Modellierungswerkzeug sollte es gestatten, ein Systemmodell in Form eines Blockdiagramms aufzubauen, das Systemverhalten zu simulieren, die Leistung des Modells zu ermitteln und den Entwurf je nach Bedarf weiter zu verfeinern, bis er die Systemspezifikationen erfüllt. Durch eine enge Verknüpfung mit einem Werkzeug für den Algorithmenentwurf kann man außerdem Veränderungen an den Systemalgorithmen und der Systemarchitektur auf einfache Weise miteinander kombinieren und so die Optimierung des Entwurfs beschleunigen.

Um die Algorithmen für das Regelungssystem zu entwickeln, ist ein Werkzeug gefragt, in dem sowohl der Algorithmenentwurf als auch die Visualisierung der Ergebnisse in einer für den Systemingenieur intuitiven Weise geschieht. Das Entwurfswerkzeug sollte möglichst flexibel sein und verschiedene Eingabetypen verarbeiten können – beispielsweise Daten von Instrumenten, aus externen Datenbanken und anderen Programmen sowie aus externen Routinen in Form von anwendergesteuerten Eingaben in Sprachen wie etwa C. Viele Regelungssysteme sind ereignisgesteuert.

Daher ist außerdem ein Werkzeug nötig, das ebenso den Entwurf und die Simulation der Teile des Target-Systems gestattet, für deren Entwicklung der Einsatz von Zustandsdiagrammen nützlich ist. So können auch Ingenieure, die keine ausgewiesenen Experten in der Theorie endlicher Zustandsautomaten (Finite-State-Machines, FSM) sind, die Entwicklung und Visualisierung ereignisgesteuerter Systeme bewältigen.

Im Idealfall können die Entwickler mit Hilfe der eingesetzten Software ihre Reglermodelle ganz einfach in Echtzeit auf einer Prototyping-Entwicklungsplattform oder auf der tatsächlichen Target-Hardware für das System ausführen. Die Systemparameter sollten sich in Echtzeit anpassen lassen und es sollte möglich sein, Laufzeitdaten des Systems festzuhalten. Dieses Konzept, bekannt als Rapid Prototyping, hilft sicherzustellen, dass die Reglersoftware bei der Echtzeitausführung tatsächlich die gewünschte Systemleistung erbringt.

Produktionscodes automatisch aus Systemmodell erzeugen

Nach Fertigstellung der Reglersoftware muss der Produktionscode erzeugt werden, der später auf dem echten System läuft. Dies kann zwar manuell geschehen, ist aber mühsam und es können sich Fehler in den endgültigen Programmcode einschleichen. Eine bessere Wahl ist daher ein Software-Werkzeug, das automatisch Produktionscodes aus dem fertigen Systemmodell erzeugt. Ein gutes Werkzeug für die automatische Codegenerierung gestattet die Erzeugung, das Testen und die Implementierung von Produktionscodes, gewöhnlich in C, auf praktisch jeder Embedded-Hardware. Der automatisch generierte Code sollte in Bezug auf Ausführungsgeschwindigkeit und Speicherbedarf dem manuell erzeugten Code ebenbürtig sein und dabei gleichzeitig alle Anforderungen des jeweiligen Industriestandards erfüllen.

Schlussendlich ist ein wenig Hilfe bei genau dem Teil der Systementwicklung gefragt, den jeder Ingenieur hasst: der Erstellung der Dokumentation. Ein eng mit den Werkzeugen für den Systementwurf gekoppeltes Tool zur automatischen Erzeugung der Dokumentation kann hier Zeit sparen. Es unterstützt sowohl die Erstellung der Dokumentation, die alle Details des Regelungssystems erläutert, als auch die Archivierung des Systementwurfs.

Links zu gängigen formalen Requirements-Management-Systemen und zu Office- und Hilfsprogrammen und HTML-Browsern beschleunigen den Vorgang der Systemdokumentation zusätzlich. So kann sich der Entwickler der Entwicklung weiterer Systeme widmen. Sind diese Anforderungen an die Entwicklungstools erfüllt, bietet Model-Based-Design ein erhebliches Potenzial, den Entwurf regelungstechnischer Embedded-Systems zu vereinfachen. MM

Paul Barnard ist Controls-Design-Automation Marketing Director bei The Math Works in Natick, USA, Tel. (0 89) 99 59 01-0, info@mathworks.de

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