Robotersoftware Open-Source-Software für die Robotik
Frei verfügbare Software für Roboter verbreitet sich in der Industrie zunehmend. Was Entwickler und Anwender bewegt und warum auch Amazon und Google auf das Robot Operating System (ROS) setzen, zeigte die ROS-Industrial-Konferenz im Dezember in Stuttgart.
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Das Interesse am freien ROS hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. 2007 entstanden, wurde es zunächst zum De-facto-Standard in der Forschung, aber auch für Serviceroboter-Technologien. Gerade zahlreichen Start-ups verhalf es mit seinem Angebot an grundlegenden, aber komplexen Funktionen für Roboter dazu, schnell erste Entwicklungen auch mit wenigen Ressourcen umsetzen und am Markt platzieren zu können. ROS bietet Komponenten für Manipulation, Navigation oder Bildverarbeitung, aber auch Treiber, Algorithmen sowie Diagnose- und Entwicklungswerkzeuge. Sie sind frei verfügbar, herstellerunabhängig, standardisiert und entstehen partizipativ. Einmal entwickelte Komponenten können einerseits mehrfach verwendet werden, was die Entwicklung und Inbetriebnahme von Robotersystemen effizienter und somit wirtschaftlicher macht. Und andererseits kann jedermann die Komponenten als Basis für die Neu- oder Fortentwicklung nutzen. Auch eine kommerzielle Nutzung ist bereits recht verbreitet und beinhaltet häufig sowohl Open-Source- als auch Closed-Source-Komponenten.
Sieben Kernbotschaften der ROS-Veranstaltung
Bereits seit 2013 gibt es die Initiative ROS-Industrial, die sich für die industrielle Anwendung von ROS einsetzt. Sie versteht sich als Schnittstelle zwischen Entwicklergemeinde und Industriepartnern und hat mit ihren mittlerweile drei Konsortien und 65 Mitgliedern weltweit eine wichtige Netzwerkfunktion. Das Fraunhofer-IPA leitet den europäischen Ableger. In dieser Funktion richtete das Institut im vergangenen Dezember bereits zum sechsten Mal eine große ROS-Veranstaltung aus, die rund 150 Teilnehmern 27 Fachvorträge aus Forschung und Industrie bot. Aus ihnen lassen sich sieben Kernbotschaften ableiten, die Trends, Anwendungshighlights und anzugehende Herausforderungen mit ROS widerspiegeln.
Roboteranwendungen gehen weg von Insellösungen
Henrik Christensen, Professor an der UC San Diego, nannte in seiner Key Note drei treibende Faktoren, warum Roboteranwendungen zunehmend keine Insellösungen mehr sein werden. Stattdessen werden sie in größeren, vernetzten Strukturen oder Ökosystemen agieren und Daten teilen. Zu den Faktoren gehören die zunehmend geforderte Flexibilität in Produktionen, die alternde Weltbevölkerung verbunden mit dem Wunsch nach mehr automatisierter Dienstleistung zuhause und als dritter Punkt die Verstädterung, die die Logistik vor stetig wachsende Herausforderungen stellt. Roboter müssen in allen Kontexten zugleich kosteneffizient und robust sein, was sich perspektivisch nur über die Cloud bieten lässt. Denn entsprechende Hardware auf den Systemen ist entweder nicht sinnvoll in die Geräte zu integrieren (zum Beispiel bei Haushaltsrobotern) oder die Systeme werden zu teuer (zum Beispiel autonom fahrende Autos).
Zahlreiche Firmen vornehmlich aus den USA und Asien agieren innerhalb dieser neuen Ökosysteme. Sie haben ihr Geschäftsmodell dahingehend geändert, Dinge oder Technologien nicht mehr zu besitzen, sondern sie als Plattformdienste anzubieten. ROS kann ein entscheidender Faktor sein, um die nötige Standardisierung für diese Entwicklung hin zu gemeinsamen Plattformen zu bieten.
Amazon und Google auf der ROS-Konferenz
Prominente Beispiele für diese Entwicklungen sind Amazon und Google, die ebenfalls mit Vorträgen auf der ROS-Konferenz präsent waren. Beide stellten 2018 jeweils eine neue Plattform vor, um die Entwicklung von Robotern mithilfe von ROS in der Cloud zu ermöglichen. Auch über die Branche hinaus sorgte dieses Engagement von Firmen, deren Kerngeschäft fern der Robotik liegt, für Aufsehen. Die Amazon-Plattform Robomaker bietet eine browserbasierte Entwicklungsumgebung und zahlreiche cloudbasierte Dienste wie Sprach- und Bilderkennung für Roboter oder Tools für Maschinelles Lernen und Analyse. Eine Simulationsumgebung sowie die Möglichkeit des Flottenmanagements sind ebenfalls Teil von Robomaker. Auch Google adressiert mit seiner Plattform Cloud Robotics basierend auf ROS den steigenden Bedarf an Lösungen, die skalierbar sind, kollaborative Fähigkeiten und Verhalten sowie eine robuste Verwaltung von Änderungen und Monitoring bieten.
Prominente Anwendungen aus der Industrie
Eine ganze Konferenzsession war dem Thema Anwendungs- Highlights mit ROS gewidmet. So stellte beispielsweise das Forschungszentrum Informatik (FZI) zusammen mit Opel eine Anwendung vor, bei der ein Roboter eine Autotürdichtung mit rund 35 Metallpins befestigt. Die Anwendung war der Sieger des europäischen Robotikwettbewerbs Euroc. Zwar ist die Anwendung bisher nicht in der Produktion im Einsatz, Opel bewertete sie jedoch hinsichtlich der funktionalen Sicherheit positiv.
Weitere Anwendungsbeispiele waren die Kooperation zwischen BMW und Microsoft und fahrerlose Transportfahrzeuge (FTF) der Firma E&K Automation. Zwei Navigationslösungen für mobile Roboter präsentierte das Fraunhofer-IPA. Zum einen läuft die IPA-Software mit ROS- Modulen auf FTF von Bär Automation. Diese FTF sind in einer Automobilproduktion im Einsatz, um die Karosserien flexibel von Montagestation zu Montagestation zu bringen. Außerdem navigieren sogenannte „Smart Transport Robots“ (STR) im BMW-Group-Werk Regensburg mit der IPA-Software. Auch hier ging es darum, eine sehr flexible und robuste Navigation zu ermöglichen.
Systemintegration bislang noch zu aufwendig
Mehrere Sprecher auf der Konferenz hoben hervor, dass die Systemintegration für ROS-basierte Anwendungen noch zu aufwendig und ressourcenintensiv ist. Vorträge von Acutronic Robotics, Denso, ABB, Bosch, Universal Robots, Fraunhofer-IPA und auch von den bereits genannten Unternehmen Amazon und Google präsentierten deshalb Komponenten oder Entwicklungsplattformen, die eine einfachere, schnellere und verlässliche Systemintegration ermöglichen sollen.
Um Open-Source-Software in industrielle Anwendungen zu bringen, muss sie qualitativ hochwertig sein, insbesondere für sicherheitskritische Einsätze. Neue Tools für die Qualitätssicherung von Code entstehen beispielsweise im Forschungsprojekt Rosin. Außerdem entwickeln die Projektpartner eine Umgebung für automatische Codetests. Ein weiteres Tool ist das Haros-Framework (High Assurance ROS), das einen ROS-spezifischen Codetest bietet. Ziel davon ist es, mögliche Fehler im Code frühzeitig zu finden und so Entwicklungszeit und -kosten zu sparen.
Immer wieder Thema in den Vorträgen und Diskussionen waren Sicherheitsfragen, deren verlässliche Lösung nötig ist, um ROS-basierte Anwendungen in den industriellen Einsatz zu bringen. Ein Ansatz hierfür sind die gerade genannten Ausführungen zum Testen des Codes. Die Ubuntu Linux Distribution, betrieben von Canonical, bietet ebenfalls ROS-spezifische Sicherheitsfeatures. Der Vortrag der Firma für Sicherheitstechnologien Pilz sah das Thema Sicherheit in einem noch größeren Kontext. Denn die kommenden Roboter, seien es Serviceroboter im persönlichen oder gewerblichen Umfeld oder auch industriell genutzte Roboter, die direkt mit dem Menschen zusammenarbeiten sollen, erfordern eine ganz neue Strategie bei der Absicherung der Systeme. Pilz setzt sich intensiv mit diesem Wandel auseinander und hat vergangenes Jahr einen eigenen Roboterarm basierend auf ROS-Komponenten vorgestellt. Die Firma profitiere von den umfangreichen Programmierkenntnissen der Entwicklergemeinde, gab aber auch zu bedenken, dass der Code nach erfolgter Sicherheitsabnahme nicht mehr geändert werden dürfte. Die Berücksichtigung von Open-Source-Technologien in künftigen Sicherheitsvorgaben sei deshalb wünschenswert.
Verschiedene EU-Projekte zum Thema ROS
ROS weiter in industrielle Anwendungen zu bringen, ist auch das Ziel mehrerer Forschungsprojekte, für die sich Unternehmen auf EU- beziehungsweise bald auch nationaler Ebene bewerben können. Das EU-Projekt Rosin bietet neben der finanziellen Förderung von ROS-Softwarekomponenten auch verschiedene Weiterbildungsmaßnahmen an. Ferner ist es mit dem EU-Projekt Robmosys möglich, eine Förderung für die Mitwirkung an einem modellbasierten Ökosystem für Roboter-Software zu erhalten.
In der zweiten Jahreshälfte 2019 möchte das nationale Forschungsprojekt Seronet (Serviceroboter-Netzwerk) einen Aufruf zur geförderten Beteiligung öffentlich machen. Hier geht es um die Etablierung einer Plattform, die Produkte und Dienstleistungen für professionelle Servicerobotik bereitstellt und die kooperative Zusammenarbeit von Hard- und Softwareanbietern, Systemintegratoren und Endanwendern ermöglicht.
* Thilo Zimmermann ist Projektmanager am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA in 70569 Stuttgart, Tel. (07 11) 9 70 12 40, thilo.zimmermann@ipa.fraunhofer.de
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