Prozessautomatisierung Plattform unterstützt bei der Planung bis hin zur Fertigung
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Bei der Großserienfertigung finden sich Einsparpotenziale kaum mehr bei der Bearbeitung, sondern eher bei vor- und nachgelagerten Prozessschritten. Eine Plattform verknüpft und automatisiert diese Prozesse.

Es gibt unterschiedliche Ansätze, um die Leistungsfähigkeit von Fertigungsprozessen weiter zu steigern, etwa die Integration möglichst vieler Prozessschritte in einer Maschine. Dies ist jedoch technisch sehr komplex, unflexibel und damit anfällig. Kapp Niles geht einen anderen Weg: „Wir sehen statt integrierter Maschinen eher integrierte Fertigungsketten mit so wenig manueller Handhabung zwischen den einzelnen Gliedern wie möglich“, meint der Leiter Produktmanagement, Konstantin Schäfer. Augenfällig zeigt dies der Aufbau des Bereichs Messtechnik, der als Kapp Niles Metrology agiert. Auch das vorhandene Portfolio wird für miteinander kommunizierende Fertigungssysteme ertüchtigt, vor allem durch die neue Plattform KN assist, die den Anwender gemeinsam mit der Steuerungssoftware KN grind von der Projektplanung bis zur Fertigung unterstützt.
Bei der projektbezogenen Konfiguration sind alle erforderlichen Bearbeitungsoptionen in einem Werkstückprojekt zusammengefasst. Die intuitive Benutzerführung erfolgt sukzessive zur Erfassung der konkreten Projektdaten. Der Nutzer wählt in einem virtuellen Rüstvorgang den Verzahnungstyp und die passenden Werkzeuge aus einem Komponentenset. Jeder Schritt wird an einer stilisierten Maschine angezeigt. Auf Wunsch macht KN grind auch Technologievorschläge.
Volker Zenker, Leiter Softwareentwicklung, erläutert: „Gegenüber den Vorgängerversionen erhält der Anwender eine Anzeige von kritischen oder fehlerhaften Werten. Eine Ablaufsteuerung ermöglicht per Drag and drop ein unkompliziertes Zusammensetzen von Arbeitsfolgen. Dies ist sehr nützlich für komplexe Bearbeitungen, zum Beispiel von Werkstücken mit mehreren Bearbeitungspositionen in einem Projekt. Die so entstandenen Folgen lassen sich sowohl für die automatische Bearbeitung als auch für Rüstsequenzen anwenden.“
Gegenüber hochautomatisierten Fertigungszentren erscheint es wie ein Überbleibsel aus der Frühzeit der Industrialisierung, wenn ein Bediener Messprotokolle zu Fuß vom Messraum zur Maschine bringt, um dort Korrekturwerte manuell einzutippen. Dass dies in einem Hochtechnologieumfeld immer noch geschieht, liegt an den extrem hohen Sicherheitsstandards der Anwender, wie beispielsweise der Automobilbranche, die eine einfache Datenintegration bisher verhinderten. Auch sind häufig USB-Sticks strikt verboten. Zusätzlich fehlten einheitliche Datenübertragungsstandards, um eine sichere Datenintegration zu ermöglichen. Kapp Niles hat deshalb Lösungen entwickelt, bei denen der Anwender keinerlei invasive Software installieren muss und damit stets die Kontrolle über seine Daten behält. Konstantin Schäfer: „Das Konzept beinhaltet keinerlei Cloud-Services.“ Anwendungen, die über die unmittelbare Maschinensteuerung hinausgehen, sind in HTML5 programmiert.
Plattform läuft auf PC genauso wie auf mobilen Endgeräten
Das Resultat dieser Überlegungen ist die Plattform KN assist. Durch die erwähnte HTML5-Programmierung läuft sie ohne zusätzliche Software auf einem PC genauso wie auf mobilen Endgeräten. Der Anwender ruft nur eine Adresse im Intranet auf und hat auf seinem Browser oder über eine App Zugriff auf das System.
Der Datenaustausch erfolgt über die Standardschnittstelle OPC UA, die eine Maschine-zu-Maschine-Kommunikation mit wenig Aufwand ermöglicht. Für einen Überblick über das gesamte Anlagenfeld nutzt KN assist offene Datenaustauschformate, wie GDE (Gear Data Exchange) und Umati (universal machine tool interface), das der VDW gemeinsam mit Projektpartnern entwickelt hat. So lassen sich unter anderem Grundverzahnungsdaten, Modifikationen oder Auswertungen herstellerübergreifend austauschen. Des Weiteren können die Betriebszustände aller Maschinen im Werk angezeigt werden. So kann sich ein Anwender von jedem Standort aus in der Produktion einen Überblick verschaffen.
Komponenten eindeutig identifizieren
Eine komplexere Anwendung ist die Datenverwaltung aller bauteilspezifischen Komponenten, wie beispielsweise Spannmittel, Abrichtwerkzeuge und Schleifwerkzeuge. Bislang mussten Daten von Rüstkomponenten manuell an der Maschine eingegeben werden, da Datenträger von Zulieferern nach Möglichkeit nicht in die Produktion gelangen sollten. Zukünftig sind Abrichtrollen, Schnecken oder Spannmittel mit RFID oder 2D-Codes versehen, die die Maschine auslesen kann. Das verkürzt die Rüstzeiten erheblich und die Komponenten sind eindeutig identifizierbar. So lassen sich der Lagerplatz, Standzeiten, Spannzyklen oder Zuordnung zu einem geplanten Projekt sehr einfach dokumentieren. Neben den internen Prozessen wird damit auch die Reaktionszeit auf eine Serviceanforderung beschleunigt.
Im Service- oder Fehlerfall erwartet der Kunde schnellste Hilfe. Die klassische Meldekette ist jedoch vergleichsweise langsam: Der Maschinenbediener stellt einen Fehler fest, informiert die Instandhaltung und beschreibt das Problem. Die Instandhaltung kontaktiert den Hersteller; dieser fragt noch ergänzende Daten ab, im besten Fall über ein dann zu aktivierendes Modem, häufig jedoch per Sprachanruf. Dabei können Informationen verloren gehen oder Anzeigen falsch abgelesen werden. So vergeht die erste Stunde; umgerechnet in Stillstandszeiten eine kostspielige Angelegenheit. Zudem muss der Maschinenhersteller die Daten erst erfassen, einpflegen und analysieren. Eine konventionelle Datenübertragung über das Internet wäre möglich, ist aber den meisten Anwendern zu unsicher.
Anwender verliert weder die Hoheit über den Prozess noch über die Daten
Kapp Niles hat für diesen Prozess Abhilfe geschaffen: Der Kunde kann direkt in KN grind die Kontaktaufnahme anstoßen. Christian Füger, Leiter Vertrieb Service, erläutert die Funktion: „Der Service-Request kann über einen Button auf dem Display der Maschine ausgelöst werden oder über die Web-Oberfläche eines beliebigen mobilen Endgeräts. So kann der Instandhaltungsleiter genauso wie der Bediener oder der Planer sofort reagieren.“ Die Serviceanforderung geht bei Kapp Niles direkt über eine TÜV-IT-zertifizierte VPN-Verbindung ein. Diagnosedaten, Logfiles et cetera der entsprechenden Maschine stehen dann nach expliziter Freigabe des Kunden zur Verfügung, ohne dass er die Hoheit über den Prozess oder die Daten verliert.
Derzeit liegt die Reaktionszeit bei rund zwölf, in einer anderen Zeitzone ohne lokale Vertretung schlimmstenfalls bei 24 Stunden. „Wir streben einen lückenlosen Service mit einer Reaktionszeit von zwei bis vier Stunden an. Das ist machbar, da mit der Anforderung bereits alle Informationen, wie beispielsweise Kommissionsnummern, Fehlerbilder oder Messprotokolle vorliegen“, sagt Füger.
Wie eingangs erwähnt, gehören nun auch Maschinen für produktionsbegleitende Messungen zum Portfolio, denn auch beim Nachbereiten des Schleifprozesses sind erhebliche Zeiteinsparungen möglich. Im klassischen Prozess müssen für Stichproben Werkstücke aus der Produktion entnommen und zur Messmaschine gebracht werden, die möglicherweise in einer anderen Halle stationiert ist. Je nach Auslastung liegt das Ergebnis 15 bis 20 Minuten später vor. Dann muss das Messprotokoll zurück zur Maschine, an der die Korrekturen manuell eingetippt werden. Um diese Zeiten zu verkürzen, setzt Kapp Niles an mehreren Stellen an.
Die Messmaschinen sind auch für einen produktionsnahen Einsatz entwickelt. Sie kommen ohne Klimakammer aus. Zur Temperaturkompensation werden die einzelnen Achsen und das Werkstück mit Sensoren überwacht. Luftfederelemente absorbieren die Vibrationen. Damit entspricht die Messgenauigkeit auch in der Großserienfertigung höchsten Ansprüchen. Die Maschinen sind für den Bediener von drei Seiten frei zugänglich und damit auch prädestiniert für eine automatische Beladung. Für die Messung von wellenförmigen Teilen stehen flexibel positionierbare Gegenhalter zur Verfügung. Außerdem lassen sich die Maschinen durch ein Schnellwechsel-Spannsystem binnen Sekunden auf ein anderes Werkstück umrüsten.
Daten schneller und weniger fehleranfällig importieren
Einen mindestens ebenso großen Anteil an der Zeitersparnis erwirtschaftet die Automatisierung. „Closed Loop“ nennt die Branche die direkte Verbindung zwischen Schleif- und Messmaschine. Die Messmaschine stellt die Daten nicht nur als Protokoll, sondern auch als GDE-Datensatz zur Verfügung. In der ersten Version sind dies typische Korrekturgrößen (fHα, fHß, Zahnweitenkorrektur), die sich bei Erwärmung oder Werkzeugverschleiß verändern. Diese Daten können über OPC UA in KN grind importiert und ausgewertet werden, schneller und weniger fehleranfällig als bei einer manuellen Eingabe. Liegt ein neues Messergebnis vor, wird der Bediener benachrichtigt und erhält Korrekturvorschläge.
Dabei findet kein reiner Soll-Ist-Vergleich statt. Vielmehr erhält der Bediener die Messwerte so aufbereitet, dass er aufgrund seiner Erfahrung schnell entscheiden kann, ob und wie er eingreift. Projektabhängig ist auch ein automatisches Nachführen möglich.
In der Summe werden die beschriebenen Maßnahmen den Workflow erheblich beschleunigen und vereinfachen. Der Anwender erhält einen besseren Überblick über die Produktion und kann viele Vorteile der neuen Softwareplattform herstellerübergreifend nutzen.
* Dipl.-Phys. Martin Witzsch ist freier Journalist aus 91056 Erlangen. Weitere Informationen: Kapp GmbH & Co. KG in 96540 Coburg, Carola Rehder, Tel. (0 95 61) 8 66 12 50, carola.rehder@kapp-niles.com
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