Vernetzung Systemdiagnostik: Eine Voraussetzung für Industrie 4.0?

Von Heino Brose

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Fast vergessen, aber nicht verloren: Die Systemdiagnostik hat in den letzten Jahren an Popularität eingebüßt. Wer aber am Puls der Zeit bleiben will, sollte sie auf dem Zettel haben.

Systeme werden in Zukunft noch komplexer werden als sie es heute schon sind. Die Systemdiagnostik schafft Struktur.
Systeme werden in Zukunft noch komplexer werden als sie es heute schon sind. Die Systemdiagnostik schafft Struktur.
(Bild: ©vector_s - stock.adobe.com)

Im Zentrum von Industrie 4.0 stehen Vernetzung, Digitalisierung und Automatisierung. Will man diese Konzepte umsetzen, zieht das viele komplexe Prozesse nach sich. Wer „up to date“ bleiben will, muss sich diesen Aufgaben stellen.

Einige Lösungen zu diesen Aufgaben liegen in einem bislang wenig beachteten Gebiet – dem der Systemdiagnostik. Im Gegensatz zu ihrem Ansehen vor einigen Jahren wird sie heute oft ignoriert, belächelt, vergessen oder nicht wahrgenommen. Man könnte aber argumentieren, dass sie Innovation im Umfeld von Industrie 4.0 erst möglich macht.

Was steckt hinter der Systemdiagnostik

Vom Grundgedanken her wurde die Systemdiagnose entwickelt, um Fehleranalysen von technischen Systemen zu unterstützen. Ein technisches System lieferte im Fehlerfall einfache Fehlercodes oder Messwerte, die von einem Mechaniker ausgewertet wurden. Damit hatte sich die Meinung etabliert: „Systemdiagnostik ist Fehlersuche“. Diese Sichtweise hält sich bis heute. Dabei hat sich die Systemdiagnostik in den letzten 20 Jahren stark gewandelt.

So definieren Fachexperten den Begriff der Systemdiagnostik heute entsprechend umfassend: „Systemdiagnostik ist die Lehre und Kunst, Zustände von Systemen strukturiert zu erfassen, einzustellen und zu beschreiben. Darunter werden alle Methoden, Algorithmen, Datenformate, Prozesse, Verfahren und Tools verstanden, deren Ziel die Entwicklung, Herstellung, Reparatur und Wartung einer elektronischen Komponente ist. Die Anwendung der Systemdiagnostik umfasst das Konzeptionieren, Spezifizieren, Entwickeln, Testen und Produzieren sowie das Funktionieren, das Updaten, das Reparieren und das Warten des Systems.“

Ziele der Systemdiagnostik

Die technische Systemdiagnostik beinhaltet damit heute allgemein genommen alle Funktionalitäten, die ein technisches System nicht in seiner eigentlichen Funktion ausübt.. Ihre zentralen Fragestellungen lauten:

  • Wie können die Zeiten für Inbetriebnahme und Update verringert werden?
  • Wie können Fehler im System vermieden werden?
  • Wie kann die Systemzuverlässigkeit erhöht werden?
  • Wie kann die Bedien- und Instandhaltungsfreundlichkeit erhöht werden?
  • Wie können Wartungs- und Instandhaltungskosten verringert werden?
  • Wie können Kundendienst und Support vereinfacht und beschleunigt werden?
  • Wie kann die Kundenzufriedenheit erhöht werden?

Aufgaben der Systemdiagnostik

Die Anwendungsbereiche der Systemdiagnostik finden sich im gesamten Lebenszyklus eines technischen Systems.

In der Phase der Produktentwicklung spielt die Systemdiagnostik eine große Rolle vor allem beim Testen und Updaten der Systeme.

In der Phase der Herstellung des Produkts sind die bedeutendsten Anwendungsfälle Datenversorgung, Versionsverwaltung und Inbetriebnahme. In speziellen Fällen werden die Fehlersuche, die Geräteeinstellungen und die Qualitätssicherung des Produkts mit systemdiagnostischen Methoden durchgeführt.

In der anschließenden Phase von Verkauf und Vertrieb wird die Systemdiagnostik vor allem dazu verwendet, um das Produkt zu transportieren und spezielle Kundenfunktionen freizuschalten.

Die Systemdiagnostik kann ein breites Aufgabenspektrum abdecken.
Die Systemdiagnostik kann ein breites Aufgabenspektrum abdecken.
(Bild: Synostik)

In der Anwendungsphase werden heute oft Monitoring-Funktionen aktiviert, um Daten für spezielle Analysen aufzuzeichnen. Diese können dann für kommende Entwicklungen herangezogen werden.

In der Phase des Kundendienstes sind die Hauptaufgaben der Systemdiagnostik Reparatur, Inspektion, Wartung, Funktionsupdates und nachträgliche technische und funktionelle Erweiterungen. Daten-, Software-, Funktions- und Variantenmanagement spiele ebenfalls eine größere Rolle, sowie das Übersetzen der Informationen in bestimmte Sprachen, das Rücksetzen auf Werkseinstellungen und die Systemkalibrierung.

Anwendungsbeispiel aus der Fahrzeugtechnik

Seit der Jahrtausendwende steigt in der Fahrzeugentwicklung die Anzahl der Funktionen kontinuierlich an, und mit ihnen die Anzahl der beteiligten Teilkomponenten und deren Vernetzung untereinander.

Dies führte zu zwei Entwicklungen: Zum einen erhöht sich die Anzahl der potenziellen Fehler. Nicht nur mit der Anzahl der Funktionen, sondern auch mit dem Grad ihrer Vernetzung, da hier zusätzliche Fehlerquellen lauern. Zum anderen setzen sich Fehler von Teilkomponenten in diesen ständig komplexer werdenden Gesamtsystemen – oft schleichend und unbemerkt – über mehrere Funktionen fort. Über Fehlerspeichereinträge ist die eigentliche Ursache oft nicht mehr direkt zu identifizieren. Im Ergebnis ist der Aufwand für Fehlersuche und -behebung deutlich angestiegen.

Um dem entgegenzuwirken haben einige Autohersteller bereits 2005 für ihre Steuergeräte und deren Subsysteme Diagnoseobjekte, Diagnosekommunikation und Diagnosebeschreibungen standardisiert. Gleichzeitig wurden die Diagnosefunktionalitäten erweitert. Die Digitalisierung der Systemdiagnostik war geboren, dem durch Komplexitätserhöhung steigenden Analyseaufwand konnte somit gut entgegengewirkt werden.

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Lehren aus der Fahrzeugtechnik beachten

Die Komplexität technischer Systeme mit ihren internen Vernetzungen und Anbindungen an vor- oder nachgelagerte Systeme wird weiterhin stark zunehmen. Damit einher geht eine stetig wachsende Anzahl an Aufgaben und Daten, die nur mit intelligenten Methoden, Algorithmen und Tools bewältigt werden kann.

Die Entwicklung der Systemdiagnostik in der Fahrzeugtechnik in den letzten beiden Jahrzehnten war darauf ausgerichtet, technische Innovationen über den gesamten Lebenszyklus überhaupt erst zu ermöglichen. Die Lernerfahrung hier war, dass der Fokus auf kundenerlebbare Funktionen nicht ausreicht.

Überträgt die Industrie die entwickelten, geprüften und etablierten Funktionalitäten auf ihre technisch hochkomplexen Systeme, so ist zu erwarten, dass sie die Revolution zur 4.0 meistert.

* Heino Brose ist Geschäftsführer der Synostik GmbH in 39646 Oebisfelde, Tel: (+49) 39 00 28 11 58, info@synostik.de

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