Nachgehakt WAS IST MIT … 3D-Druck bei der Deutschen Bahn?
Mit 3D-Druck könnte die Deutsche Bahn (DB) pünktlicher werden. Wie die Additive Fertigung (AM) dabei hilft, das erklärt Florens Lichte von der DB Fahrzeuginstandhaltung GmbH.
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MM: Herr Lichte, die Bahn hat bisher rund 1800 Bauteile additiv gefertigt, bis Ende 2018 sollen es 15.000 Teile werden. Wie viele 3D-Drucker besitzt die Deutsche Bahn?
Florens Lichte: Bis dato besitzt die DB keinen eigenen Anlagenpark, sondern greift im Rahmen des Netzwerkes „Mobility goes Additive” auf spezialisierte Dienstleister zurück.
Welche Bauteile lassen Sie denn additiv fertigen?
Gedruckt werden insbesondere Ersatzteile für ältere Fahrzeuge oder Anlagen im Infrastrukturbereich, die nicht mehr oder nur schwer lieferbar sind. Dazu gehören beispielsweise Lüftungsgitter, Kopfstützen, Mantelhaken oder Kabelkästen.
Es stehen einige Materialien und 3D-Druckverfahren zur Auswahl. Für welche haben Sie sich entschieden?
Die Bauteile bestehen aus verschiedenen Materialien. Die zwei häufigsten, die wir derzeit nutzen, sind Aluminium und Polyamid. Für den 3D-Druck von Kunststoffteilen aus Polyamid eignet sich besonders das Lasersinterverfahren. Bei diesem Verfahren wird das pulverförmige Ausgangsmaterial mittels eines Lasers verschmolzen und Schicht für Schicht zu einem Bauteil aufgebaut.
Warum nutzt die Deutsche Bahn überhaupt Additive Fertigung?
Der Nutzen des 3D-Drucks für die DB lässt sich gut am Beispiel einer einfachen Staubschutzkappe erklären: Diese Kappe ist Bestandteil des Bremssystem an einem Gleisarbeitsfahrzeug und schützt den Kupplungskopf der Bremsleitung vor Verschmutzungen. Beim Bruch dieser Kappe musste in der Vergangenheit der komplette Kupplungskopf ersetzt werden, da das defekte Einzelteil nicht vom Lieferanten zu beziehen war. Dank der Fertigung im 3D-Druckverfahren kann die Staubschutzkappe zukünftig separat getauscht werden. So sinkt sowohl der Materialaufwand, als auch der Arbeitsaufwand für aufwendige Brems- und Dichtigkeitsprüfungen.
Hat denn auch der Fahrgast einen Nutzen davon?
Natürlich. Für unsere Kunden brauchen wir Fahrzeuge, die rollen, und nicht wegen eines fehlenden Teils lange im Werk stehen. Wir rechnen damit, die Anzahl der Defekte in Zukunft deutlich zu reduzieren. Dabei hilft uns, dass das Bauteil im Zuge des Reverse Engineering konstruktiv verbessert wurde.
Besonders für Konstrukteure soll die Additive Fertigung eine Herausforderung sein. Wie waren Ihre ersten Gehversuchen?
Da die Themen Gewichteinsparung und Topologieoptimierung für die DB eher eine untergeordnete Rolle spielen, reduziert sich für uns hier die Komplexität. Unter der Beachtung bereits existierender Designrichtlinien und in Abstimmung mit den jeweiligen Dienstleistern, sind wir diesbezüglich bisher gut zurecht gekommen. Aber mittel- und langfristig wird die AM-gerechte Konstruktion viel stärker ein Thema für OEMs wie Siemens, Bombardier, Alstom oder Knorr Bremse werden, die bereits bei der Konstruktion und Auslegung neuer Zuggenerationen an AM-gerechtes Design für relevante Komponenten denken müssen.
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3D-Druck
Die neue Freiheit der Konstrukteure
Wo lagen die größten Schwierigkeiten?
Einerseits darin, geeignete Anwendungen zu identifizieren, andererseits die Kollegen vom Nutzen und von der Qualität additiv gefertigter Teile zu überzeugen und Vertrauen in die Technik zu schaffen.
Und wie haben Sie sie überzeugt?
Um unsere Kollegen zu informieren und das Wissen um Anwendungsmöglichkeiten zu streuen, haben wir in den letzten 18 Monaten gut 40 Workshops in verschiedenen Instandhaltungswerken und an anderen DB-Standorten abgehalten. Viele Mitarbeiter haben uns Vorschläge gemacht, die wir im Anschluss geprüft und geeignete Teile sukzessive für den Einsatz qualifiziert haben. Die größte Überzeugungskraft hatten – und haben nach wie vor – konkrete Beispielteile mit klar definierbaren Einspareffekten oder Prozesszeitverkürzungen, welche den Kollegen in die Hand gegeben werden können.
Die Additive Fertigung ist noch ein recht junges Verfahren, die Entwicklungen rasant. Bei der Umsetzung welcher Anforderungen würden Sie am liebsten Fortschritte sehen?
Wer die Entwicklung rund um die Technik verfolgt hat, stellt fest, dass im Bereich der additiven Fertigung einiges an Dynamik steckt. Die klassischen Wünsche von Anwender gehen in Richtung größer, schneller, mehr Materialauswahl. Hier hat sich im letzten Jahrzehnt ohne Frage einiges getan. Nichtsdestotrotz schränkt uns die Größe der herstellbaren Teile, die zur Verfügung stehenden Materialien, sowie aus wirtschaftlicher Sicht die Fertigungsgeschwindigkeit stark ein. Bauteile im Schienenfahrzeugbereich haben üblicherweise größere Abmessungen und müssen gerade im Kunststoffbereich höchsten Brandschutzanforderungen genügen.
Also größere Drucker und resistentere Materialien.
Entscheidend für die Geschwindigkeit der Industrialisierung wird auch die Entwicklung der Qualitätssicherung während des Fertigungsprozesses sein. Hier gibt es bereits erste Lösungen von Anlagenherstellern. Wenn wir es schaffen, bereits im Fertigungsprozess die Qualität der erzeugten Teile zu beobachten und den Prozess über eine Closed-Loop-Kontrolle zu steuern, können wir uns hoffentlich zukünftig die kostenintensive Auswertung von Probekörpern oder die Durchführung von CT-Tests sparen.
Die DB hat das Netzwerk „Mobility goes Additive” gegründet. Dabei geht es auch um die Ausbildung im Bereich Additiver Fertigung?
Im Bereich der Ausbildung von Konstrukteuren oder Ingenieuren gibt es grundsätzlich einiges an Nachholbedarf. Additive Fertigung findet man nur mit Ausnahmen in den Curricula technischer Studiengänge. Gerade das Thema AM-gerechtes oder auch bionisches Design ist im Bereich Konstruktion noch nicht wirklich angekommen. Daher fördern wir das Thema gemeinsam mit Universitäten, Forschungsinstituten und Industriepartnern über das im vergangen Jahr gegründete, DB-initiierte Branchennetzwerk „Mobility goes Additive”.
* Das Interview mit Florens Lichte, Head of Additive Manufacturing bei der DB Fahrzeuginstandhaltung GmbH, führte Simone Käfer, Redakteurin für Additive Fertigung.
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