Werkzeugwechselsystem Werkzeugwechsel an Pressen: Ein maßgeschneidertes Konzept mit System

Ein Gastbeitrag von F. Stephan Auch

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Für die besonders schweren Stanzwerkzeuge einer neuen Produktreihe suchte Jean Müller in Eltville am Rhein zuerst nur nach einem neuen Transportwagen. Die Lösung war am Ende ein komplettes Werkzeugwechselsystem aus Regalanlage und Hubwagen mit integriertem Andocksystem und Funk-Fernbedienung.

Der Transportwagen RWA 4000 für Lasten bis 4 Tonnen und die Regalanlage mit acht Werkzeugplätzen.
Der Transportwagen RWA 4000 für Lasten bis 4 Tonnen und die Regalanlage mit acht Werkzeugplätzen.
(Bild: Römheld)

Hunderte von Werkzeugen für das Stanzen, Spritzgießen und Spritzprägen nutzt Jean Müller (JM), um mehr als 40.000 unterschiedliche Artikel zum Verteilen, Steuern, Sichern und Messen von elektrischer Energie in Niederspannungsnetzen herzustellen. Die Fertigungstiefe ist hoch und reicht von der Produktentwicklung über den Werkzeugbau bis hin zur Komponentenmontage. In Europa und Asien sitzt der Großteil der internationalen Kundschaft, die das Unternehmen beliefert. Regelmäßige Produktinnovationen aus eigener Entwicklung und eine effiziente Produktion sorgen für ein kontinuierliches Wachstum, das regelmäßige Veränderungen erfordert. Eine Anpassung stand in der Abteilung „Vorproduktion Metall“ an. Dort brachten die Mitarbeiter über viele Jahre Stanzwerkzeuge mithilfe eines Transportwagens zu ihren Pressen. Zwar war das Gerät wendig und einfach zu bedienen, seine maximale Zuladung betrug jedoch nur 2,5 Tonnen. Das ist zu wenig für die Werkzeuge, mit denen seit Kurzem Stanzteile für die Sicherheitsschaltleisten der neuen Tokeo-Produktlinie gefertigt werden.

Michael Gensecke, JM-Teamleiter für Metallvorprodukte, und Konstrukteur Holger Christ beschäftigten sich bereits frühzeitig damit, nach einem neuen Wagen mit einer höheren Tragfähigkeit zu suchen. Ralf Depcik, Geschäftsleiter Produktion, gab die Richtung vor: „Wir wollten die beste, nicht die schnellste Lösung.“ Ziel war es, einen Transportwagen für die schweren Werkzeuge zu finden, mit dem ein schnelles und sicheres Rüsten der Pressen möglich ist. Er sollte außerdem einfach zu bedienen sein und eine gute Ergonomie bieten. Wegen mehrerer Engstellen mit weniger als 3 Meter Rangierplatz um eine 2,5-Tonnen-Presse von Andritz Kaiser und eine 1,6 Tonnen-Presse von Haulick+Roos sollte der Wagen zudem sehr wendig sein. Wichtig war darüber hinaus, dass die Werkzeuge ohne Umbauten verwendet und an Maschinentisch und Regal auf Hubhöhen zwischen rund 300 und 1.800 Millimeter mühelos und sicher eingeschoben werden konnten. Wünschenswert war zuletzt noch eine Fernbedienung.

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Individuell statt von der Stange

Mit dem Lastenheft machten sich Gensecke und sein Team auf die Suche nach dem richtigen Lieferanten. In die engere Wahl kamen drei Anbieter. Allerdings erfüllte keiner der marktgängigen Transportwagen sämtliche Anforderungen. Die passende Lösung fand JM beim Rüstzeitoptimierer Roemheld. Teams beider Unternehmen entwickelten gemeinsam ein individuelles Komplettsystem für das optimale Rüsten. Ein Vorgehen, das sich bewährte, so Gensecke: „Wir haben viel geplant und abgestimmt und hatten zudem einige Sonderwünsche. Am Ende hat alles gut geklappt.“ Andreas Reich, Produktbereichsleiter Werkzeugspanntechnik bei Roemheld fand die Entwicklungs-Partnerschaft ebenfalls fruchtbar: „Auch wir haben durch den intensiven Austausch viel gelernt. Außerdem freuen wir uns, dass wir zusätzliche Anforderungen bei der Steifheit der Regale, beim Anfahren des Wagens und bei den Sicherungssystemen schnell und zur Zufriedenheit von Jean Müller umsetzen konnten.“

Herzstück der gemeinsamen Lösung ist der besonders wendige, elektrisch angetriebene Werkzeug-Wechselwagen des Typ RWA 4000 bis 4 Tonnen Last. Er verfügt über einen Werkzeug-Wechseltisch mit integrierten hydraulischen Kugelleisten und zusätzlich über ein Zug-Schub-System, was das automatische Einschieben der Werkzeuge auf den Pressentisch erleichtern. Während des Transports sind die hydraulischen Kugeln im Tisch des Wechselwagen abgesenkt, das Werkzeug ist gegen Verrutschen gesichert. Eine Sicherheitsschaltung sorgt dafür, dass der RWA 4000 nur bei abgesenkten Kugelleisten fährt. Steckbare Leisten an der Front und den Seiten der Auflagefläche sichern das Werkzeug zusätzlich. Zur Übergabe des Werkzeugs ist die Hubplattform außerdem mit einem Überstand ausgestattet. Der Wagen lässt sich über ein zentrales Bedienpanel an der Multifunktions-Fahrdeichsel steuern, an der eine Multifunktions-Anzeige angebracht ist. Außerdem können die Mitarbeiter die wichtigsten Wagenfunktionen per Funk mit einer zusätzlichen Fernbedienung steuern.

Eine Zug-Schub-Kette mit Greifer hält die Werkzeuge sicher

Über ein im Wagen integriertes Zug-Schub-System können die Werkzeuge gefahrlos aus den Lagerplätzen auf ihn gezogen und anschließend von dort auf den Maschinentisch der Presse geschoben werden – ohne körperlichen Krafteinsatz der Einrichter. Da sämtliche JM-Werkzeuge über Ösen für die Greifer der Zug-Schub-Kette verfügen, lassen sie sich bei der neuen Rüstlösung unverändert einsetzen. Damit häufig genutzte Werkzeuge maschinennah gelagert werden können, gehören zu dem Komplettsystem zwei speziell von Roemheld entwickelte Regalanlagen mit acht Werkzeugplätzen. Sie sind mit einen speziellen Sicherheits-Andocksystem und Rollenbahnen ausgestattet. Mit dieser einheitlichen Ausstattung können die Werkzeuge auf allen Flächen mühelos bewegt und exakt positioniert werden: nach dem Abdocken an der Regalanlage oder am Pressentisch werden die Kugeln abgesenkt und deren Sicherheitssperre angehoben. Die Werkzeuge sind zuverlässig gelagert und können sich nicht mehr bewegen.

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Sichere Übergabe mittels Andockleisten

Die sichere Übergabe der Werkzeuge zwischen Regal und Wagen sowie Wagen und Presse garantieren Andockleisten mit Zentrierhilfen. Diese wurden so konstruiert, dass sie an allen Elementen angebracht werden können. Damit können die Werkzeuge jederzeit zwischen den unterschiedlichen Lagerplätzen und Pressen gewechselt werden. Nachdem die Werkzeuge auf dem Pressentisch richtig positioniert worden sind, werden sie dort mit Hilfe hydraulischer Einschubspanner rasch und zuverlässig gespannt. Andreas Reich: „Das integrierte Zug-Schub-System ist die ideale Ergänzung unseres umfangreichen Angebots, mit dem wir individuelle Komplettsysteme für den Werkzeugwechsel an Stanz- und Umformanlagen entwickeln. Wie bei Jean Müller ermöglichen wir so einen effizienten Werkzeugwechsel und sichern eine durchgängig hohe Produktivität der Presse.“

Das von Roemeheld seit einigen Jahren angebotene Zug-Schub-System kann Werkzeuge bis 50 t über einen Kettenantrieb in die Presse hinein und aus ihr heraus bewegen. Es wird direkt an den Pressentisch angeschraubt, über den die Kette das Werkzeug mit einer Geschwindigkeit von 33 mm/s transportiert. Schnellere Ausführungen mit maximal 200 mm/s sind ebenfalls lieferbar. Eine Führung der Werkzeuge ist je nach Ausschublänge nicht erforderlich. Das System kann auf Anfrage auch mit einer separaten Steuerung geliefert werden.

Wie in Eltville können zudem Regalsysteme, Spannelemente und Werkzeugzentrierungen in die Gesamtlösungen einbezogen werden: Mit unterschiedlichen Lösungen lassen sie sich genau an die jeweiligen Anforderungen der Produktionsstätte anpassen. Spannelemente aus dem Standardprogramm sowie Kugel- oder Rollenleisten im Pressentisch und in den Wechselwagen sorgen für einen durchgängig sicheren, schnellen und rationellen Werkzeugwechsel. Bei den Transportwagen bietet Roemeheld ebenfalls eine Auswahl an Modellen für unterschiedliche Anforderungen.

Kurze Wege und Rüstzeiten

Im Frühjahr 2022 wurden alle Komponenten geliefert, in Eltville installiert und die Bediener in einstündigen Schulungen eingewiesen. Seitdem ist die Lösung durchgehend im Dreischichtbetrieb im Einsatz. Der Erfolg: Es sind nicht nur die Wege der Werkzeuge vom Regal zur Maschine kürzer geworden, auch die Dauer der bis zu drei Wechsel pro Schicht hat sich um jeweils rund 15 Minuten verkürzt. Michael Gensecke ist rundum zufrieden: „Produkte, Lieferung und Service sind top. Es funktioniert alles sehr gut und fehlerfrei.“ Mevlüt Kücükler, der seit 32 Jahren bei JM als Einrichter an den Pressen arbeitet, sieht die Vorteile im Alltag: „Früher mussten wir die Werkzeuge mit dem Kran und dem Stapler auf die Presse heben und dort manuell positionieren. Das war zeitaufwändig und anstrengend. Jetzt ist der Wechsel einfacher: es wird nichts mehr von Hand bewegt, es ist viel bequemer, schneller, praktischer und auch sehr sicher.“ Und Produktions-Geschäftsleiter Depcik hebt ausdrücklich die Zusammenarbeit mit Roemheld hervor: „Wir haben gemeinsam gute Entwicklungsarbeit geleistet, dabei viel voneinander gelernt und ein hervorragendes Ergebnis erzielt. Ich bin mir nicht sicher, ob das mit anderen Anbieter auch so gut geklappt hätte.“

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