Technologie-Workshop Anti-Crash-Systeme für Zerspanung im Fokus der Entwicklung
Experten aus Forschung und Industrie gaben beim ersten Workshop zum Thema Spindelkollisionschutz fundierte Antworten darauf, wie Maschinenausfälle und teure Reparaturen durch intelliegente Methoden verhindert werden können.
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Darmstadt (pk) – Ott-Jakob Spanntechnik, das PTW an der TU Darmstadt (Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen) und die Jakob-Antriebstechnik luden am 29. November zum ersten Technologie-Workshop ein, in dessen Verlauf Vorträge und Gespräche über die verschiedenen Methoden und Ansätze zum Schutz der Bearbeitungssspindeln von Werkzeugmaschinen vor unsachgemäßer Bedienung informierten. Das Ziel: Möglichst autonom arbeitende Anlagen, die auch über längere Zeit störungsfrei produzieren.
Mechatronik als Schlüsseltechnologie
Ludwig Jakob, Geschäftsführer von Jakob-Antriebstechnik, erklärte in seiner Begrüßungsrede, dass die wachsende Komplexität moderner Produkte störungsfreie Bearbeitungsprozesse fordere damit angesichts immer kürzerer Entwicklungszeiten, diese anspruchsvollen Komponenten auch reibungslos und somit wirtschaftlich gefertigt werden können.
„Wir brauchen intelligente, selbstständig arbeitende Fertigungszellen, die Bedienungsfehler effektiv vermeiden können,“ betonte Jakob. Seiner Meinung nach sind mechatronische Systeme der richtige Weg um das zu erreichen, weil rein mechanische Methoden an ihre physikalisch Grenzen gestoßen seien. Jakob sieht den Schlüssel zum Erfolg in der Implementierung von Sensoren. Das sei mit ein Grund, warum sich speziell Ott-Jakob entschieden habe, den mechatronischen Weg zu beschreiten. Den allgemeinen Unkenrufen der Medien zur Konjunkturentwicklung zum Trotz, äußerte sich der Firmenchef über die aktuelle Marksituation seiner Unternehmensgruppe. Jakob liefert seine Antriebssysteme in alle Welt und registriert, nach einem leichten Rückgang der Auftragslage im August, laut eigener Aussage nun wieder eine sich verstärkende Nachfrage. Ludwig Jakob blickt zuversichtlich in Richtung 2013 und rechnet zumindest mit einem leichten Anstieg.
Vorträge und Funktionsmuster im Mittelpunkt des Geschehens
Schwerpunkte waren die Präsentationen der Experten sowie die Demonstration des Spindelkollisionsschutzsystems MS-3 von Jakob-Antriebstechnik, das in ein Fräszentrum des Maschinenherstellers MAG integriert wurde und nun Stillstandszeiten sowie teure Beschädigungen an Spindel und Bauteil zuverlässig vermeidet. Eine entsprechende Anlage konnte vor Ort am PTW besichtigt werden. Die Drehmomentübertragung des Spindelschutzsystems MS 3 ist magnetisch gekoppelt und zusätzlich mittels Polymerdämpfern axial abgesichert. Bei radialer oder axialer Überlast, also bei einem beginnenden Crash zwischen Werkzeug und Werkstück, entkoppelt sich die Krafteinleitung und schaltet das System zuverlässig ab.
Geschickte Signalverarbeitung verhindert Rattern
Tilo Sielaff, Mitarbeiter am PTW, Informierte über die Steuerungsintegrierte Prozessüberwachung bei der Zerspanung durch geschickte Signalverarbeitung am Beispiel des sogenannten regenerativen Ratterns als Störfaktor, wie man dieses richtig analysiert und einordnet und letztendlich reduzieren kann, um den Prozess stabiler zu machen.
Aktuelle Projekte bei Ott-Jakob Spanntechnik
Josef Greif, Konstruktionsleiter bei Ott-Jakob, präsentierte aktuelle Entwicklungen im eigenen Hause. So berichtete er über die Arbeit an der energiebeadarfsoptimierten Motorspindel (EnergieMSP). Greif erklärte auch die Funktion des elektronischen Plananlagenkontrollsystems Planko für HSK-Werkzeuge, das Positionierungsfehler,etwa durch Späne, über die Veränderungen einer stehenden Welle im System erkennt. Planko soll demnächst in eine Versuchsspindel integriert werden. Den Abschluss seines Vortrags bildete ein Überblick über die aktuellen Projekte auf mechanischem Gebiet, wie der Spannpatrone HM 85, neuen Drehdurchführungen und entsprechenden Dichtsätzen und einem unkomplizierten Handspannsystems für Werkzeugmaschinen mit Monoschnittstellenkonzept.
Crashursachen und ein praktikables Gegenmittel
Dennis Korff vom PTW vermittelte das nötige Basiswissen, um die üblichen Ursachen, die zu einem Crash in der Maschine führen, im Hinterkopf behalten zu können. Ergänzend dazu enthielt sein Vortrag auch einen Überblick über die zur Zeit existierenden Gegenmaßnahmen.
Arno Wörn, Entwicklungsmanager bei Jakob-Antriebstechnik, nahm das Auditorium mit auf eine Informationsreise rund um die Funktionen und Vorteile des Spindelschutzsystems MS-3 und präsentierte es später live an der MAG-Anlage.
Radarwarner der Zukunft
Den Abschluss der Vortragsreihe bildetet die Präsentation der Forschungsarbeit von Thomas Wächter von der TU in München, zum Thema radarbasierte Kollisionserkennung, die zusammen mit Stefan Bonerz dem Technologiemanager von Ott-Jakob durchgeführt wurde. Dieses Projekt soll zu einem System führen, dass bereits vor einer unerwünschten Berührung zwischen Werkzeug, Maschine und Werkstück, abschätzen und entscheiden kann, ob die aktuelle Bewegung lieber abgestoppt werden sollte, um drohende Schäden zu verhindern.
Chancen durch die Lernfabrik
Joachim Metternich, stellvertretender Institutsleiter am PTW, ergänzte die Veranstaltung mit seinem Vortrag über die Potenziale der Lernfabrik, die auf dem Gelände der TU in Darmstadt angesiedelt ist. Dort können nicht nur Studenten sondern auch Mitarbeiter von Unternehmen in der Praxis erlernen beziehungsweise vertiefen, wie es in einer durch organisierten Fabrik zugehen sollte. Denn laut einer Studie behalte der Mensch lediglich 10 % der gesehenen, 20 % der gehörten, aber ganze 90 % der praktisch erlebten Informationen im Gedächtnis.
Gefahr vor falsch verstandener Internationalisierung
Metternich, Experte für das Produktionsmanagement, erklärte weiter, wie in solch einer Lernfabrik die Kompetenzen im Bereich Zerspanung aufgebaut werden können und der Blick für das Erkennen von Missständen und Unproduktivität geschärft werden kann. Darüber hinaus warnte Metternich vor den Gefahren einer falschen Internationalisierungsstrategie, die dazu führen könnte, das zunächst die Produktion und dann auch andere arbeitsplatzsichernde Unternehmenszweige aus einem Land abwandern. Als negatives Beispiele nannte er die Situation in England und die aktuelle Entwicklung in Frankreich. Ein wichtiger Ansatz zum Gegensteuern ist seiner Meinung nach die rigorose Nutzung aller Potenziale moderner Produktionsanlagen sowie deren Weiterentwicklung im Hinblick auf die Performance. Denn so könnten der hierzulande lastende Lohnkostenanteil auf die Stückkosten stets erfolgreich kompensiert werden.
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