Digitalisierung Corona-Krise als Treiber für die Digitalisierung

Autor Stefanie Michel

Nicht jedes Industrieunternehmen war und ist bereit für die Digitalisierung. Doch jetzt in der Corona-Krise musste gehandelt werden – und es funktionierte. Ein Zurück darf es nicht geben, denn es zeigt sich, dass die Digitalisierung das Überleben von Unternehmen sichern kann.

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Dr. Carlo Velten: „Digitaler Innovationen machen Unternehmen und Organisationen in Krisenzeiten anpassungsfähig, handlungsfähig und damit überlebensfähig.“
Dr. Carlo Velten: „Digitaler Innovationen machen Unternehmen und Organisationen in Krisenzeiten anpassungsfähig, handlungsfähig und damit überlebensfähig.“
(Bild: flap.at)

Was in Deutschland bisher eher schleppend umgesetzt wurde, ging im Zuge von Corona dann schnell: Homeoffice wurde großflächig ermöglicht, virtuelle Messen und Produktvorstellungen organisiert sowie E-Learning-Angebote entwickelt. Die Vorteile der Digitalisierung werden werden sichtbar, die Hürden scheinen zu sinken – auch in der Industrie.

In den letzten Jahren wurde viel über Digitalisierung gesprochen, viele Produkte und Lösungen vorgestellt. Doch in manchen Bereichen der Industrie vollzog sich dieser Prozess bisher eher schleppend. Für Dr. Carlo Velten, Digitalisierungsexperte und Mitgründer von Cloudflight, zeigt sich hingegen in der jetzigen Krise der wahre Charakter digitaler Innovationen. „Sie machen Unternehmen und Organisationen in Krisenzeiten anpassungsfähig, handlungsfähig und damit überlebensfähig“, so Velten.

Digitale Transformation erst in den „Kinderschuhen“

Im Moment ist der Stand der Digitalisierung allerdings bei vielen Unternehmen ernüchternd, wie Cloudflight angibt:

  • Die Mehrheit der Unternehmen hat weder flächendeckende Homeoffice-Regelungen noch eine etablierte „New Work”-Kultur.
  • Über 70 % der Unternehmen in der DACH-Region haben die digitale Transformation nicht abgeschlossen.
  • Logistik- und Produktionsketten sind zwar optimiert, aber meist auf Basis von Erfahrungswissen und Prozessdokumentationen statt digitaler Automation und autonomer Steuerung durch Künstliche Intelligenz (KI).
  • Kundenbeziehungen und Kommunikationskanäle sind nur teilweise digitalisiert und automatisiert.

Eine Blitz-Umfrage des VDMA Software und Digitalisierung, die Softwarehäuser aus dem Mitgliedsbereich des VDMA mit Blick auf den Maschinenbau befragt hat, zeigt ein ähnliches Bild (siehe auch Grafik in der Bildergalerie):

  • 53 % der befragten Softwarehäuser berichteten von einer fehlenden Digitalisierungsstrategie
  • Ebenfalls 53 % geben an, dass bei ihren Kunden aus dem Maschinenbau die Verschiebung oder gar Streichung von Digitalisierungsprojekten ein großes Problem darstellt.
  • Fast der Hälfte der Unternehmen verwiesen auf fehlende Kollaborationstools für das webbasierte Arbeiten.

Bei der Frage nach den Digitalisierungsherausforderungen sind fehlende Kollaborationstools (47 %) sowie die fehlende oder unzureichende digitale Durchgängigkeit von Wertschöpfungsketten (43 %) ein weiteres Problem. Gut aufgestellt ist der Maschinenbau hingegen in der produktionsnahen Digitalisierung. „Beispielsweise die Vernetzung innerhalb der Produktion sowie die Einbindung von Sensorik zur Optimierung der Produktion“, resümiert Prof. Claus Oetter, Geschäftsführer VDMA Software und Digitalisierung.

Velten fordert deshalb neben dem Krisenmanagement auch ein Portfolio- und Budget-Review, um aus operativer und strategischer Perspektive zu bewerten, welche Digital- und IT-Projekte weitergeführt und welche gestoppt werden. Auch muss geklärt werden, wie IT und Digitalabteilung zu den unternehmensweiten Sparzielen beitragen und freien Cashflow generieren können.

MM-Podcast #3: Corona-Krise: Ein Schub für die Digitalisierung in der Industrie?

Wie steht es um die Digitalisierung in der deutschen Industrie und welche Auswirkungen hat die Corona-Krise darauf? Darüber spricht Stefanie Michel, Fachredakteurin für Digitalisierung und Industrie 4.0, in dieser Folge des MM MaschinenMarkt Podcasts mit Prof. Claus Oetter, Geschäftsführer des Fachverbands Software und Digitalisierung im VDMA.

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Digitale Geschäftsmodelle sichern den Erfolg

In der derzeitigen Krisensituation wird ein Virus zu einer „disruptive Kraft” und zeigt, wie Digitalisierungsgrad und Wettbewerbsfähigkeit zusammenhängen können. Betrachtet man das Beispiel Amazon, dann wird deutlich, wie dieses Unternehmen seine Marktmacht gerade jetzt weiter ausbaut. Traditionelle Unternehmen, die weniger auf Digitalisierung gesetzt haben, stehen vor dem Aus. Frühzeitig auf digitale Geschäftsmodelle zu setzen, scheint gerade in der Corona-Krise eine Sicherheit zum Überleben zu sein.

Erfolgreiche Unternehmen scheinen bei der Digitalisierung Vorreiter zu sein. So hat eine Sonderauswertung der wissenschaftlichen Leitung von „Top 100“ zum Thema Digitalisierung – noch basierend auf der Zeit vor der Coronakrise – gezeigt, dass dieses Thema bei den aktuellen Innovationschampions einen sehr hohen Stellenwert genießt: Bei 94 % von ihnen beschäftigt sich die Geschäftsführung bereits seit langem mit der Digitalisierung und drängt auch auf die Umsetzung. Die Digital-Affinität spiegelt sich aber noch in weiteren Punkten: 84 % sagen, dass die Digitalisierung der entscheidende Faktor für die Weiterentwicklung ihrer Produkte und Leistungen sei. 78 % der Top-100-Unternehmen steuern alle ihre Aufgaben und Prozesse über eine Software, 55 % haben den Prozess des Kundenkontaktes vollumfänglich über ein IT-System digitalisiert. Auch im Arbeitsalltag nutzen viele der neuen Top-Innovatoren digitale Anwendungen: 64 % kommunizieren im eigenen Unternehmen intensiv mit softwarebasierter Kommunikation.

Die Krise verändert radikal die Adaptionsmechanismen neuer und digitaler Technologien. Digitale Nachzügler und Zauderer werden gerade vom Potenzial der Digitalisierung überzeugt. Velten ist sich sicher: „Dieser Sinneswandel, der derzeit durch Deutschland und ganz Europa geht, kann die Basis für eine erfolgreiche und schnelle Digitalisierung in der Post-Corona-Phase bilden.“

Digitale Resilienz gegen unvorhergesehene Krisen

Die vom VDMA befragten Softwarehäuser sehen jedoch gerade in der Krise die Chance, die Digitalisierung der Geschäftsprozesse und Workflows voranzutreiben. „Eine wesentliche Chance wird darin bestehen, Kundenbeziehungen aufzubauen und zu festigen, indem Distanz und Nähe verbunden werden – beispielsweise durch die Visualisierung von Show-Rooms oder Trainings“, erklärt Oetter. Außerdem zeigt sich, dass Digitalisierung ein wichtiger Baustein ist, um Resilienz gegen Krisen aufzubauen. „Jeder, der sein Geschäftsmodell jetzt mutig und konsequent hinterfragt, wird Chancen aus der Krise generieren. Wer beispielsweise schon virtuelle Inbetriebnahmen und das Thema Simulation beherrscht, ist bereits jetzt ein Gewinner“, sagt Oetter.

Auch Velten spricht von „digitaler Resilienz“, die gegen unvorhergesehene Krisen schützt – das zeigt die Corona-Krise. Die Digitalisierung kann die Unternehmen in solchen Situationen widerstandsfähiger machen. Daher sollte die IT autonomer, automatisierter und agiler werden. Analog zur IT-Infrastruktur („Hybrid Cloud”) werden auch Unternehmens- und IT-Organisationen zunehmend „hybrid”. Algorithmen und autonome Maschinen werden ihren Platz neben den Menschen und Applikationen beziehungsweise Business-Prozessen einnehmen.

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