Unternehmensnachfolge Darum ist es so schwierig, einen passenden Nachfolger zu finden

Autor Melanie Krauß |

In den nächsten zehn Jahren werden über eine Million Unternehmer in Rente gehen. Einen geeigneten Nachfolger haben sie noch nicht gefunden. Doch die Uhr tickt – und ohne eine zukunftsfähige Lösung steht ihr Lebenswerk vor dem Aus.

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Die Chancen auf einen reibungslosen Generationswechsel im Unternehmen steigen, wenn das Thema rechtzeitig angegangen wird.
Die Chancen auf einen reibungslosen Generationswechsel im Unternehmen steigen, wenn das Thema rechtzeitig angegangen wird.
(Bild: ©bnenin - stock.adobe.com)

Ein Vierteljahrhundert lang hat Lothar Horn den Betrieb geleitet, den sein Vater gegründet hat. Nun übergibt er ihn Schritt für Schritt an seinen Sohn Markus. Der Unternehmer kennt beide Seiten: Geschäftsführer und Nachfolger. Aus seinen damaligen Erfahrungen hat er gelernt und will nun alles richtig machen. Momentan arbeitet er noch Tür an Tür mit seinem Sohn – beide als gleichberechtigte Geschäftsführer. Doch schon in wenigen Jahren wird er sich aus dem Unternehmen zurückziehen. Dass die Nachfolge so reibungslos klappt wie im Fall der Hartmetall-Werkzeugfabrik Paul Horn GmbH, ist jedoch eher die Ausnahme als die Regel.

Die deutsche Wirtschaft steht vor einer Nachfolgewelle. Über eine Million Unternehmerinnen und Unternehmer erreichen laut DIHK in den nächsten zehn Jahren das Ruhestandsalter – pro Jahr durchschnittlich 100.000. Der Anteil der über 60-Jährigen hat sich von 2002 bis 2016 nahezu verdoppelt, von 12 auf 21 %. Demgegenüber steht der Anteil an Jung-Unternehmern unter 40, der sich gleichzeitig von 28 auf 15 % halbiert hat.

Unternehmensnachfolge ist nichts für Faule

Das Interesse, ein Unternehmen zu übernehmen, geht zurück. Diesen Eindruck teilt auch Lothar Horn. Den Grund dafür sieht er in dem zunehmenden Bedürfnis nach mehr Work-Life-Balance. „Das Wort Unternehmer kommt von unternehmen. Man muss eine gewisse Leistungsbereitschaft mitbringen und oft auch einen sechsten Tag in der Woche bereit sein, diese Leistung zu erbringen“, so der Unternehmer. „Ich kann natürlich nachvollziehen, warum manche sagen: Das möchte ich nicht.“

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Entgegen dem, was man vielleicht zunächst denken mag, ist die Gründung im gemachten Nest nichts für Faule. „44 % der Übernahmeinteressenten unterschätzen die Anforderungen“, warnt auch Dr. Marc Evers, Leiter des Referats Mittelstand, Existenzgründung, Unternehmensnachfolge bei der DIHK. Schließlich gibt es oft schon einen Kundenstamm, die Marke ist eingeführt, es gibt ein Netzwerk von Zulieferern. Doch: „Gerade bei der Unternehmensnachfolge kommt es oft darauf an, neue Wege bei Angebot und Strategie zu gehen und dabei Mitarbeiterteams mitzunehmen, die über Jahre gewachsen sind.“ Das erfordert laut dem Experten eine hohe unternehmerische Eignung, strategischen Weitblick und Empathie.

Jemanden zu finden, der diese Eigenschaften mitbringt und auch noch bereit ist, das Unternehmen zu führen, ist gar nicht so einfach. Findet man die Person im eigenen Familienkreis, ist das ein Glücksfall. „Die Kinder kennen das Unternehmen und die Unternehmenskultur meistens schon von klein auf“, sagt Evers. „Wichtig ist: Man muss neben der Elternbrille nun auch die Unternehmerbrille aufsetzen. Die Kinder sind jetzt Verhandlungspartner.“ Damit der Nachwuchs nicht einfach nur als das Kind vom Chef abgestempelt wird, sollte er zunächst eigene Erfahrungen unabhängig vom elterlichen Betrieb sammeln.

Das haben sowohl Lothar Horn als auch sein Sohn Markus getan. Bevor sie ins Familienbusiness eingestiegen sind, haben sie im Bereich Unternehmensberatung gearbeitet. Ihren eigenen Weg zu gehen, war trotzdem nicht immer einfach. „Mein Vater war mit meinem Führungsstil damals nicht zufrieden“, erinnert sich Lothar Horn. „Ich war ihm viel zu locker, viel zu kumpelhaft.“

Bei seinem eigenen Sohn will er zwar sicherstellen, dass ihm die Werte, die er jetzt in der zweiten Generation verkörpert, zumindest bekannt sind. Was er daraus macht, sei jedoch seine Sache. „Der eine sagt und der andere möchte, aber darf nicht – das ist das Schlimmste, was passieren kann!“, findet Horn. „Es ist wichtig, dass die nächste Generation ihre Ideen und Impulse setzt und ins Unternehmen einbringt. Als Unternehmer bedeutet das, zu akzeptieren, loszulassen und Vertrauen zu haben in das, was noch kommt.“

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Tipp
So klappt der Stabwechsel innerhalb der Familie

Offene Worte: Viele Streitigkeiten sind emotionaler Natur. Elementar ist eine offene und direkte Kommunikation. Dazu zählt eine Streitkultur, die keine sachliche Kontroverse scheut, aber niemanden persönlich verletzt. Aufgestaute Konflikte innerhalb der Familie sollten gezielt thematisiert und ausgeräumt werden.

Gemeinsame Strategie: Nicht selten bestehen unterschiedliche Lebensentwürfe und Vorstellungen zur Unternehmens- und Führungskultur. Ein intensiver Austausch über Ziele, Werte und Erwartungen schafft Transparenz und Identifikation. Eine gemeinsame Familienstrategie stärkt das „Wir-Gefühl“ und sichert eine langfristige Firmen- und Vermögensplanung.

Eigene Projekte: Typischerweise durchläuft der Nachwuchs alle zentralen Bereiche. Zudem sollte er frühzeitig einzelne Verantwortungsfelder übernehmen. Dazu zählen etwa der Aufbau des digitalen Business oder die Einführung neuer Arbeitsformen. Der Nachwuchs sollte Freiraum bekommen, um eigene Erfahrungen und auch Fehler zu machen, eventuell zunächst abseits des Familienunternehmens.

Klarer Fahrplan: Fatal sind unklare Zuständigkeiten, Strukturen und Prozesse. Die Übergangsphase ist inhaltlich und zeitlich genau zu planen. Wichtig sind Zwischenziele, um den Fortschritt regelmäßig zu prüfen. So kann der Nachwuchs stufenweise mehr Verantwortung übernehmen und ihr auch gerecht werden. (Quelle: Tresono Family Office)

Strategische Investoren als Alternative zur Familie

Eine familieninterne Nachfolge ist jedoch nicht die einzige Möglichkeit für die Unternehmen. Häufig übergibt der Inhaber das Unternehmen auch an einen leitenden Mitarbeiter. „Der Übernahmepreis wird über Jahre hinweg in Raten beglichen, finanziert aus den Gewinnen des Unternehmens“, so Unternehmensberater Reiner Fischer. Das sogenannte Management-Buy-out lohnt sich daher jedoch nur bei besonders ertragsstarken Firmen mit einem sechsstelligen Jahresüberschuss.

Auch von Finanzinvestoren rät der Experte Inhabern ab: „Solche Kapitalgeber stecken ihr Geld in gesunde, renditestarke Unternehmen, streichen die Überschüsse von ein paar Jahren ein und steigen dann schnellstmöglich wieder aus.“ Dies sei somit eher eine Übergangs- als eine langfristige Nachfolgelösung.

Die idealen Nachfolger sind in seinen Augen daher strategische Investoren. Sie verfolgen langfristige Ziele und die Produktions- oder Einkaufsynergien garantieren die Finanzkraft, die zur Fusion benötigt wird. Fischer empfiehlt jedoch, nicht übereilt zu verkaufen, sondern zuerst „nur“ eine strategische Partnerschaft einzugehen. Diesen Zeitraum können beide Parteien nutzen, um sich gegenseitig kennenzulernen und alle rechtlichen Formalien zu regeln.

Zu lange zu warten, ist der größte Fehler

Doch nicht nur bei der Suche nach einem geeigneten Investor ist genügend Zeit ein entscheidender Faktor. „Wer mit 65 das Unternehmen in neue Hände geben will, der sollte schon mit Mitte 50 quasi durchs Fernrohr schauen und die Zukunft in den Blick nehmen“, rät DIHK-Experte Evers. Der richtige Zeitpunkt, um mit der Nachfolgeplanung zu beginnen, ist etwa zehn Jahre vor dem geplanten Ausstieg. Insbesondere, wenn doch einmal etwas anders läuft als geplant, kann noch korrigiert werden.

Ich habe meinem eigenen Sohn davon abgeraten.

Lothar Horn

„Warten bis zum Sankt-Nimmerleins-­Tag ist der größte Fehler!“, warnt auch Lothar Horn. Er selbst hat sehr viel Wert darauf gelegt, rechtzeitig einen Nachfolger aufzubauen – nicht zuletzt, weil er seinen Mitarbeitern gegenüber eine soziale Verantwortung trägt. Dass es am Ende Markus Horn sein würde, war nicht von Anfang an klar. „Ich habe meinem eigenen Sohn davon abgeraten“, so der Unternehmer. „Umso mehr schätze ich, dass er den Willen und die Fähigkeiten hat, es zu tun.“

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