Einfärben beim Spritzgießen von Thermoplasten

Autor / Redakteur: Katrin Klamt / Peter Königsreuther

Forscher am KUZ untersuchen jetzt die Korrelation zwischen Farbmittel, Verarbeitungsbedingungen und Oberflächenqualität im Bereich der Zusammenfließlinien beim Spritzgießen von thermoplastischen Kunststoffteilen.

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Das Einfärben von Thermoplasten individualisiert die Bauteile auf relativ einfache Weise in einer Welt schrupfender Losgrößen, stellt die Lohnfertiger aber immer wieder vor Herausforderungen. Um nun vorherzusagen, wie die Oberflächenqualität eines Bauteils im Bereich der sogenannten Fließlinien wird, untersuchen KUZ-Forscher jetzt die entsprechenden Einflussgrößen, damit das wunschgemäße Einfärben im Spritzgießprozess zielsicherer wird.
Das Einfärben von Thermoplasten individualisiert die Bauteile auf relativ einfache Weise in einer Welt schrupfender Losgrößen, stellt die Lohnfertiger aber immer wieder vor Herausforderungen. Um nun vorherzusagen, wie die Oberflächenqualität eines Bauteils im Bereich der sogenannten Fließlinien wird, untersuchen KUZ-Forscher jetzt die entsprechenden Einflussgrößen, damit das wunschgemäße Einfärben im Spritzgießprozess zielsicherer wird.
(Bild: Messe Düsseldorf / C. Tillmann)

Dem stetig zunehmenden Bedarf nach Produktdifferenzierung über Farb- und Spezialeffekte bei immer kleiner werdenden Losgrößen kann der Spritzgießverarbeiter relativ kostengünstig, einfach und schnell durch Einfärbung der Kunststoffe unmittelbar im Herstellungsprozess Rechnung tragen. Über die „Farbe“ als Additiv erreicht man die kundenbezogene Diversifikation eines effizient hergestellten Massenproduktes. Das klingt im Prinzip einfach, stellt den Spritzgießverarbeiter im Alltag allerdings immer wieder vor neue Herausforderungen.

Prognose der Oberflächenqualität im Fließlinienbereich der Kunststoffteile

Ziel des am Kunststoff-Zentrum in Leipzig (KUZ) bearbeiteten Forschungsprojektes „Einfärben beim Spritzgießen von Thermoplasten: Korrelation zwischen Farbmittel, Verarbeitungsbedingungen und Oberflächenqualität im Bereich der Zusammenfließlinie" war es, Modelle zu entwickeln, mit deren Hilfe die Oberflächenqualität im Bereich der Zusammenfließlinien beim Einfärben von thermoplastischen Materialien in der Spritzgießverarbeitung vorhergesagt werden kann. Grundlage für die Entwicklung dieser Vorhersagemodelle bildeten systematische Untersuchungen der Korrelation zwischen den in diesem Zusammenhang als bedeutend eingestuften Eingangsgrößen im Spritzgießprozess mit der Oberflächenqualität im Bereich der Zusammenfließlinien.

Der Schlüssel heißt Materialcharakteristik

Die 17 für ABS, PMMA, PP und PA6 als praxisrelevant ausgewählten Farbmittel wurden in Monobatches und zum Teil in wachsbasierte Mikrogranulate sowie Flüssigfarbe eingearbeitet und physikalisch, das heißt, über Farbkörpergröße, -form und -verteilung, klassifiziert.

Bild 1: Verschiedene Möglichkeiten für die Farbpräparation thermoplastischer Kunststoffe. Von links: Eingefärbtes Materbatch, Farbpigmente, Flüssigfarbe.
Bild 1: Verschiedene Möglichkeiten für die Farbpräparation thermoplastischer Kunststoffe. Von links: Eingefärbtes Materbatch, Farbpigmente, Flüssigfarbe.
(Bild: KUZ)

Werkzeug- und maschinentechnische Rahmenbedingungen für die systematischen Spritzgießversuche:

  • • Modellformteil zur Provokation von Binde- und Fließnähten, alternierend mit einem Werkzeug mit Kalt- oder Heißkanalsystem hergestellt;
  • • Spritzgießmaschine: Intelect 100/470-180 mit Standardschnecke Æ 30 mm von Sumitomo;
  • • Dosierung der Farbmittel: bei festen Präparationen gravimetrisch, bei den Flüssigfarben über ein Pumpsystem am Einfülltrichter und alternativ in der Meteringzone am Zylinder der Spritzeinheit über das acc-System, einer Entwicklung der Sumitomo (SHI) Demag Plastics Machinery GmbH;
  • • Verwendung von Mischelementen der Groche Technik GmbH und Promix Solutions GmbH.

Die Oberflächenqualität qualitativ und quantitativ effektiv beurteilen

Die Beurteilung der Zusammenfließlinien an den Modellformteilen basierte zum einen auf genormten Prüfungen wie der visuellen Beurteilung und der farbmetrischen Bestimmung. Zudem wurde eine Methode entwickelt, auf der Grundlage von Oberflächenscans die Ausprägung der Zusammenfließlinie zu beurteilen. Die resultierenden Bewertungskriterien wurden in einem Netzdiagramm zusammengefasst, wie am Beispiel in der Abbildung gezeigt wird. Umso größer die Flächendeckung im Netzdiagramm erscheint, umso auffälliger ist die Zusammenfließlinie beim untersuchten Farbmittel.

Bild 2: Das sind die nötigen Produktionsmittel.
Bild 2: Das sind die nötigen Produktionsmittel.
(Bild: KUZ)

Diese Einflussfaktoren betreffen die Oberflächenqualität

Bild 3: Dieses Netzdiagramme fassen die Bewertungskriterien für Polypropylen (PP) zusammen.
Bild 3: Dieses Netzdiagramme fassen die Bewertungskriterien für Polypropylen (PP) zusammen.
(Bild: KUZ)

Die Vorhersagemodelle wurden auf Grundlage nichtlinearer statistischer Modelle unter Einbeziehung oben genannter Faktoren mittels der Software Stasa QC der Steinbeis Angewandte Systemanalyse GmbH entwickelt. In der Abbildung werden die ermittelten Abhängigkeiten aufgezeigt, die eine Vorhersage der Oberflächenqualität im Bereich der Zusammenfließlinien gestatten. Dabei erfolgte eine Wichtung der Einflussgrößen in Größen mit starkem, das heißt, überdurchschnittlichen, mit mittlerem und mit vernachlässigbarem Einfluss auf die Oberflächenqualität. Nicht belegt sind die Kombinationen, bezüglich derer keine eindeutige Aussage zu treffen ist.

Bild 4: Dies Einflussfaktoren wirken sich bezüglich der Ausprägung von Fließlinien beim Spritzgießen thermoplastischer Kunststoffteile besonders aus.
Bild 4: Dies Einflussfaktoren wirken sich bezüglich der Ausprägung von Fließlinien beim Spritzgießen thermoplastischer Kunststoffteile besonders aus.
(Bild: KUZ)

Der Blick in die Zukunft

Die mittlere Farbkörpergröße in der Farbpräparation stellt in Kombination mit der Häufigkeitsverteilung zur Farbkörpergröße bezüglich der Ausprägung der Zusammenfließlinien den primären Einflussfaktor dar. Auf dieser Grundlage ist eine Risikoabschätzung hinsichtlich der zu erwartenden Oberflächenqualität möglich.

Damit stellen die gewonnenen Erkenntnisse die Basis für weitere Entwicklungen dar. Eine Fortsetzung der Untersuchungen mit Farbrezepturen ist notwendig, da in der Praxis in der Regel nicht mit Monopräparationen sondern Farbrezepturen gearbeitet wird. Zum einen sind die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Farbmitteln, zum anderen ist die Intensität der Zusammenfließlinien in Abhängigkeit von Mengenanteilen einzelner Farbmittel zu untersuchen.

Ein weiterführendes Forschungsvorhaben:

Das Ziel des aktuell am KUZ laufenden Forschungsthemas „Farbe 4.0 - Inline-Farbmessung und Onlinedosierung von Flüssigfarben zur Regelung der Formteilfarbe“ ist die vollständige Integration der Einfärbung von thermoplastischen Kunststoffen in den Herstellungsprozess beim Spritzgießen. Dabei erfolgen die Rezeptierung und die Farbdosierung sowie die Messung der Formteilfarbe direkt im Spritzgießprozess. Die Umsetzung wird realisiert über die Verknüpfung von Sensoren und Aktoren mithilfe einer intelligenten Regelstrategie und entspricht der konsequenten Umsetzung von Industrie 4.0 auf das Einfärben von Thermoplasten im Spritzgießprozess.

Bild 5: Farbe 4.0! Das ist das Prinzip mit dem KUZ-Forscher in Zukunft die Inline-Farbmessung in Kombination mit einer Flüssigfarb-Online-Dosierung für das Spritzgießen thermoplastischer Kunststoffe entwickeln wollen.
Bild 5: Farbe 4.0! Das ist das Prinzip mit dem KUZ-Forscher in Zukunft die Inline-Farbmessung in Kombination mit einer Flüssigfarb-Online-Dosierung für das Spritzgießen thermoplastischer Kunststoffe entwickeln wollen.
(Bild: KUZ)

Die in der Abbildung dargestellte avisierte intelligente Verknüpfung von Rezeptierung, Dosierung, Vermischung von Kunststoff mit Farben und Farbmessung macht eine unmittelbar im Spritzgießprozess integrierte Qualitätsüberwachung und Senkung der Ausschussrate durch frühzeitige automatische Korrektur von Farbabweichungen möglich. Mit dieser Lösung werden die Voraussetzungen geschaffen, dass der Kunststoffverarbeiter dem Anspruch auf immer stärkere Individualisierung mit häufig wechselnder und flexibler Farbgebung bei hohen Qualitätsanforderungen in der Zukunft nachhaltig gerecht werden kann. MM

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