Digitalisierung Einführung von Industrie 4.0 hat schon begonnen

Von Dipl.-Ing. (FH) Reinhold Schäfer

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Die Herstellung Industrie-4.0-fähiger Produkte ist für viele Unternehmen schon eine Selbstverständlichkeit, wie man auch auf den Ständen der Hannover-Messe sehen kann, allerdings setzen gerade kleine oder mittelständische Unternehmen sie oftmals nicht selbst ein. Es gibt jedoch durchaus einige, die nicht nur solche Produkte herstellen, sondern mit diesen auch im eigenen Betrieb arbeiten, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.

Viele Unternehmen haben schon begonnen, Industrie-4.0-fähige Produkte einzusetzen, weil dies handfeste wirtschaftliche Vorteile bietet.
Viele Unternehmen haben schon begonnen, Industrie-4.0-fähige Produkte einzusetzen, weil dies handfeste wirtschaftliche Vorteile bietet.
(Bild: Weidmüller)

Wie fit ist Ihr Unternehmen für die Zukunft und inwieweit ist es bereits digital vernetzt? Diese Frage stellten wir Unternehmen verschiedenster Größenordnungen, die in diesem Jahr auf der Hannover-Messe ausstellen werden. Das Ergebnis:Viele haben sich schon auf den Weg begeben, nicht nur um den Zug in die Zukunft nicht zu verpassen, sondern auch weil dies handfeste wirtschaftliche Vorteile bietet.

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„Siemens hat wesentliche Elemente der digitalen Fabrik in seinem Elektronikwerk Amberg realisiert. Die Fertigung funktioniert weitgehend automatisiert. 75 % der Wertschöpfungskette bewältigen Maschinen und Computer eigenständig. Sämtliche Prozesse der Fertigung sind IT-optimiert“, sagt Dipl.-Ing. (FH) Klaus Helmrich, Mitglied des Vorstands der Siemens AG. Bei gleichbleibender Produktionsfläche und einer kaum veränderten Mitarbeiterzahl von rund 1100 Personen konnte Helmrich zufolge das Produktionsvolumen in den vergangenen 25 Jahren verachtfacht werden. Zugleich produziere man dort Simatic-Steuerungen mit einer Qualitätsrate von 99,9988 %. „Siemens hat aber auch viele andere Produktionsstandorte, wie beispielsweise in Erlangen oder im chinesischen Chengdu, mithilfe eigener IT-Systeme wie MES (Manufacturing Execution System) und Automatisierungstechnik sowie einer durchgehenden Vernetzung weitgehend digital optimiert und wird diesen Prozess kontinuierlich vorantreiben“, sagt Helmrich.

Ähnlich ist es auch bei Bosch Rexroth, wie uns Steffen Haack, Mitglied des Vorstands von Bosch Rexroth, bestätigt: „Als Leitanwender von Industrie 4.0 sammeln wir in unseren eigenen Werken wertvolle Praxiserfahrungen, die auch in die Entwicklung neuer Produkte einfließen. Beispielsweise setzen wir unsere dezentral intelligenten Steuerungen und Antriebe sowie Schraubsysteme in zahlreichen Industrie-4.0-Projekten ein wie in Homburg oder Lohr in Deutschland oder in Bethlehem in den USA.“ Dort würden über die Kommunikationsplattform Ac­tivecockpit alle relevanten Fertigungs- und Prozessdaten einer Linie erfasst und über IT-Software in Echtzeit aufbereitet. „Damit stellt Activecockpit den Mitarbeitern vor Ort genau die Informationen bereit, die sie für schnelle Entscheidungen und die kontinuierliche Verbesserung von Prozessen benötigen.“

Die Vision Industrie 4.0 wird zur Wirklichkeit
Interview

Wie weit sind die Mitglieder auf dem Weg zu Industrie 4.0?

Industrie 4.0 ist in den Fabriken der ZVEI-Mitgliedsunternehmen angekommen und wird von der Vision zur Wirklichkeit. Das zeigen zahlreiche Industrie-4.0-Demonstratoren auf der Hannover-Messe 2016.

Welche Aufgaben müssen noch bewältigt werden?

Im Bereich der Standardisierung müssen wir uns weiter einigen, und zwar auf Basis der Leitplanken, die das Referenzarchitekturmodell Industrie 4.0, kurz RAMI 4.0, setzt.

Wie unterstützt der Verband seine Mitglieder auf dem Weg zu Industrie 4.0?

Im Verband sind über 60 Unternehmen im Führungskreis Industrie 4.0 engagiert. Dort wurden RAMI 4.0 und die Industrie-­4.0-Komponente entwickelt und in die Plattform Industrie 4.0 eingebracht: Die Elektroindustrie und der ZVEI nehmen hier eine Führungsrolle ein und gehen voran. Das zeigt sich auch am Open-Source-Software-Projekt „Openaas“. Hier wenden wir uns direkt an die Entwicklungsabteilungen von Unternehmen, um Industrie 4.0 gemeinsam weiter umzusetzen.

Wie wichtig ist RAMI bei der Einführung von Industrie 4.0?

RAMI 4.0 ist das international am weitesten ausdifferenzierte Referenzarchitekturmodell zu Industrie 4.0. An ihm orientieren sich auch viele andere Akteure. Ein Erfolg ist dabei, dass RAMI 4.0 bereits in einer DIN Spec 91345 vorliegt. So kann es nun in der IEC TC65 auf internationaler Ebene diskutiert werden.

Dient RAMI der Überprüfung auf Industrie-4.0-Fähigkeit?

RAMI 4.0 hilft Unternehmen, Industrie 4.0 umzusetzen, denn mit RAMI 4.0 gibt es erstmals eine einheitliche Sprache und Struktur, um über Industrie 4.0 unternehmensübergreifend zu diskutieren und sich zu verständigen. RAMI 4.0 wird von vielen Unternehmen, Hochschulen und Institutionen angewendet, um Industrie-4.0-Lösungen zu entwickeln.

Sind mittlerweile die Security-Leitprinzipien in RAMI implementiert, so wie dies Herr Ziesemer im März vergangenen Jahres erzählt hat, und welche sind das?

Security ist in RAMI 4.0 auf allen Ebenen, den sogenannten Layern, Bestandteil der Betrachtung. Das Stichwort ist hier „Secu­rity-by-Design“, denn Security muss von Anfang an mitgedacht und entwickelt werden.

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Auch Mittelständler sind Industrie-4.0-affin

Nun, von einem großen Unternehmen wie Siemens und Bosch Rexroth kann man das ja auch erwarten, meinen Sie? Es gibt aber auch Firmen, die mittelständisch geprägt und ebenso innovationsfreudig sind wie die Großen und die sich ebenfalls schon aufgemacht haben in die digitale Zukunft: „Die Produktion bei Pilz ist bereits mit den vor- und nachgelagerten Prozessen und Abläufen vernetzt: Werkstückträger finden selbstständig den Weg, durch gezielte Sammlung und Verarbeitung von Maschinendaten optimieren wir die Fertigungssteuerung, Arbeitsdokumente werden in einer Pilz-Cloud gespeichert, um stets aktuell und in Echtzeit zur Verfügung zu stehen. Dafür setzen wir auch unsere Steuerungen, Antriebstechnik und Sensoren ein“, sagt dazu die Vorsitzende der Geschäftsführung, Renate Pilz.

Und dies ist kein Einzelfall. Auch Unternehmen aus dem traditionellen Maschinenbau, wie der Schaltschrankhersteller Rittal, sind schon längst in der digitalen Welt angekommen, wie uns Hans Sondermann, Geschäftsführer Vertrieb und Marketing von Rittal bestätigt: „Rittal investiert aktuell am Standort Haiger in den Bau eines komplett neuen Produktionswerks nach Industrie 4.0.“ Die Basis für die Implementierung von Industrie 4.0 sei eine durchgängige Digitalisierung der gesamten Prozesskette von der Konfiguration des kundenspezifischen Auftrages über eine Durchlaufzeit-optimierte flexible Fertigungssteuerung bis hin zur termingerechten Distribution.

„In unserem Produktionswerk im italienischen Valeggio, wo unsere neue, energieeffiziente Kühlgeräteserie Blue e+ gefertigt wird, sorgt bereits heute eine durchgängig digitale Vernetzung nach Industrie 4.0 für effiziente Prozesse und höchste Qualität – und macht eine Fertigung nach Losgröße 1 möglich.“

Nun gut, bei einem Schaltschrankhersteller, der muss vielleicht ab und zu einen einzelnen Schaltschrank ausliefern und hat dadurch Vorteile. Falsch gedacht. Denn Schaltschränke von Rittal werden in Serie gefertigt und Massenhersteller können dadurch ihr Geschäftsfeld erweitern.

Eine durchgehend digitales und automatisiertes Unternehmen hat aber noch weitere Vorteile, deshalb hat sich unter anderem auch das als Steckverbinderhersteller bekannte Unternehmen Weidmüller von Anfang an mit dem Thema befasst, wie Dr. Markus Köster, Technologieexperte bei Weidmüller, ausführt: „Gefördert vom Bundesministerium für Forschung und Entwicklung, entstand im Rahmen des ostwestfälisch-lippischen Spitzenclusters ,it’s OWL’ das Projekt ,Self X Pro’ – die Selbstoptimierung von Stanz-Biege-Maschinen.“ Damit sollen Unregelmäßigkeiten im Produktionsprozess eigenständig korrigiert werden.

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Das Ziel sei eine ressourcensparende Produktion durch minimale Materialverluste und Steigerung der Qualität durch optimale Prozessparameter. Man habe eine handelsübliche Spritzgussmaschine mittels kommunikationsfähiger Komponenten in ein Industrial-Ethernet-Produktions-und-Fertigungsnetz eingebunden. „Der integrierte Power-Monitor misst und erfasst alle relevanten elektrischen Kenngrößen über die Maschine und macht sie dem Energiemanagementsystem verfügbar. Kommunikationsfähige Signalkonverter wandeln analoge Maschinendaten in digitale Daten, die anschließend in einer Cloud bereitgestellt und analysiert werden“, führt Köster weiter aus.

Auch das Unternehmen Limtronik hat in der Vergangenheit bereits erste Lean-Maßnahmen in der Montage umgesetzt. In enger Kooperation mit dem Beratungsunternehmen Staufen AG werden die Aktivitäten dabei ausgeweitet – bis hin zu einer durchgängigen Lean Production.

Schlanke Elektronikfertigung 4.0 in Gang gesetzt

Das Leuchtturmprojekt der schlanken manuellen Montagezelle befindet sich bereits in der Realisierung. Maximilian Ohl, Lean-Experte bei Limtronik, beschreibt die Vorgehensweise: „Über allem stand die zentrale Frage: Was ist Wertschöpfung, was ist Verschwendung? Wir haben unter anderem in einer Wertstromanalyse die einzelnen Prozesse verfolgt und die Durchlaufzeiten gemessen. Daraufhin haben wir beispielsweise die Wartezeiten reduziert. Insgesamt konnten wir damit die Durchlaufzeit vom Wareneingang bis zum -ausgang deutlich minimieren.“ Des Weiteren habe man durch die Umgestaltung der Arbeitsplätze 30 % Fläche gewonnen.

Das Konzept „Limtronik 2020“ nimmt Fahrt auf

Dies alles zeigt, dass es besonders für die Unternehmen, die sich noch nicht mit dem Industrie-­4.0-Thema beschäftigt haben, wichtig ist, auf die Hannover-Messe zu gehen, um sich dort ausführlich darüber zu informieren, wie auch sie ihr Unternehmen für die Zukunft fit machen können. MM

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