Digitale Arbeitswelten Forschung rund um den Mitarbeiter 4.0

Redakteur: Rebecca Vogt

An der Universität Paderborn beschäftigen sich Wissenschaftler im Themenspecial „Arbeit 4.0“ mit Veränderungen in der Arbeitswelt. Neben technischen Innovationen werden dabei insbesondere auch gesellschaftspolitische Implikationen beleuchtet.

Anbieter zum Thema

Der Roboter Baxter im Smart Automation Laboratory ist speziell für die Zusammenarbeit mit Menschen entwickelt.
Der Roboter Baxter im Smart Automation Laboratory ist speziell für die Zusammenarbeit mit Menschen entwickelt.
(Bild: Universität Paderborn/Johannes Pauly)

Die Digitalisierung verändert die Art und Weise, wie wir arbeiten. Um diesen Wandel näher zu erforschen, greifen Wissenschaftler an der Universität Paderborn auf eine Theorie aus den 1920er-Jahren zurück. „Der Begriff Arbeit 4.0 ist erst im Jahr 2011 entstanden – die Idee dahinter ist aber schon viel älter. Die sogenannte Theorie der langen Wellen (Kondratjew-Zyklen) geht auf den sowjetischen Wirtschaftswissenschaftler Nikolai Kondratjew zurück“, erklärt Prof. Dr.-Ing. Iris Gräßler, Wissenschaftlerin an der Universität Paderborn und Leiterin des Lehrstuhls für Produktentstehung an der Fakultät für Maschinenbau.

„Bereits 1926 erklärte er, warum sich die Produktivität nicht gleichmäßig, sondern in langen Wellen entwickelt. Durch eine neue Basisinnovation wird ein Paradigmenwechsel ausgelöst. Zunächst wird massenhaft in diese neue Technologie investiert und damit ein Aufschwung hervorgerufen. In der Zeit des Abschwungs kommt es typischerweise zu einem ökonomischen Mangel, der durch weitergehende Produktivitätssteigerung nicht zu befriedigen ist, sodass ein neues Paradigma erforderlich wird. Es kommt zu neuen Entdeckungen und Erfindungen.“ Brisant an der Kondratjew-Theorie sei, so Gräßler, dass ein langer Strukturzyklus nicht nur ein ökonomischer, sondern ein gesamtgesellschaftlicher Vorgang sei. Die ganze Gesellschaft organisiere sich neu, um die Basisinnovation optimal zu nutzen. „Und genau das erleben wir gerade mit Arbeit 4.0.“

IuK-Technik soll Arbeit erleichtern

Im Zentrum steht die Frage, wie Menschen zukünftig in Produktionsplanungs- und -steuerungssysteme eingebunden werden können. „Mithilfe der sogenannten Szenariotechnik versuchen wir diese Entwicklung vorauszuahnen“, erklärt Gräßler. Für ihre Untersuchungen nutzen die Forscher das Smart Automation Laboratory, in dem der Industrie-4.0-Gedanke in die Praxis umgesetzt wird. Das Labor verfügt unter anderem über drei Fertigungsstationen – eine Drehmaschine, einen 3D-Drucker und eine Fräsmaschine. Zum Einsatz kommen beispielsweise auch ein Montageroboter und verschiedene weitere Industrieroboter. Gesteuert werden die Komponenten über digitale Managementsysteme. „Ein wichtiger Aspekt der Forschung in dem Labor ist die Untersuchung der Rolle des Beschäftigten in einer solchen Umgebung. Zentraler Untersuchungsgegenstand ist hierbei, wie Informations- und Kommunikationstechnik eingesetzt werden kann, um die Arbeit für den Beschäftigten zu erleichtern“, so Gräßler.

Im Zuge der voranschreitenden Digitalisierung und Automatisierung würden sich viele Arbeitnehmer die Frage stellen, ob Industrie 4.0 zum Verlust des eigenen Arbeitsplatzes führen kann und welche Fähigkeiten und Kompetenzen man in Zukunft braucht. „Wir müssen zwischen zwei unterschiedlichen Formen der Auswirkungen einer Digitalisierung unterscheiden. Zum einen gibt es Tätigkeitsfelder, die sich verändern und in denen gewisse Tätigkeiten automatisiert werden – auch im Dienstleistungsgewerbe. Zum anderen müssen Menschen Informationen nutzen, die von komplexen Algorithmen berechnet und möglichst verständlich dargestellt werden“, erklärt Gräßler.

Individuelle und kontinuierliche Weiterbildung

Als Beispiel nennt sie die Additive Fertigung, mit der komplexe, an die Belastung angepasste Formen hergestellt werden. Anstelle der klassischen Konstruktion würden solche Bauteile heute mithilfe von Simulationen konstruiert. Der Mensch müsse an dieser Stelle die vom Computer angezeigten Berechnungen interpretieren und auf dieser Basis eine Entscheidung zur konstruktiven Gestaltung treffen. „Das kann auch sicherheitskritische Systeme betreffen. Ein Mitarbeiter 4.0 muss also hier nicht nur im Allgemeinen, sondern auch ganz speziell in Bezug auf die Anwendungssoftware digitale Kompetenzen besitzen“, sagt Gräßler.

Wichtig sei eine individuelle und kontinuierliche Weiterbildung der Mitarbeiter. Diese müssten offen für neue Tätigkeitsfelder sein und mehr Verantwortung – auch für sich selbst – übernehmen. „Schon heute kommen Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen zum Einsatz. Ergebnisse sind dann nicht mehr mit herkömmlichen Ansätzen validierbar, wir müssen in der Forschung neue Wege in diesem Bereich vorbereiten. Verharrt man hierbei auf alten Denk- und Arbeitsweisen, wird man also auch als sehr gut ausgebildete Fachkraft Schwierigkeiten bekommen.“

* Weitere Informationen: Prof. Dr.-Ing. Iris Gräßler, Fakultät für Maschinenbau, Fachgruppe Produktentstehung am Heinz-Nixdorf-Institut in 33102 Paderborn, Tel. (0 52 51) 60-62 75, iris.graessler@hni.uni-paderborn.de

(ID:45350651)