Materialforschung Intrinsisch flammgeschütztes Polyamid leistet mehr
Durch inneren Flammschutz, der nicht durch Additive erreicht wird, können neuartige Polyamide jetzt zu einer besonderen Klasse von Textilien werden, wie DITF-Forscher berichten.
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Die Brennerflamme nähert sich dem Gewebe. Doch statt eines plötzlichen Aufloderns fängt die Textilprobe nur zögerlich an zu schmelzen. Erst zieht sich das Gewebe dabei nur zusammen, erst sehr verspätet fallen dunkle Polymertropfen herunter. „Was wir hier in der Brennkammer sehen, ist das Ergebnis eines neuartigen Flammschutzes für Textilien aus Polyamid“, erläutert Dr. Georgios Mourgas. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter an den DITF Denkendorf betreut er ein Projekt, das zum Ziel hat, Flammschutzverbindungen auf eine völlig neue Art in Polymerverbindungen einzubauen.
Kein Kettenbrech-Effekt durch pulverartige Additive
„Üblicherweise werden flammhemmende Phosphorverbindungen als Additive den Polymeren zugesetzt“, erklärt Dr. Mourgas. Doch benötige man große Mengen an Phosphorverbindungen, um eine gute Brandschutzwirkung zu erzielen. Und das geschehe meistens auf Kosten der physikalischen und physiologischen Eigenschaften der Textilien. Dr. Mourgas lässt ein Kunststoffgranulat durch die Hände rieseln. Es besteht aus einem Polyamid, das in den Laboren der DITF chemisch modifiziert worden ist. Gegenüber der üblichen Verfahrensweise, Phosphorverbindungen als Zuschlagstoff dem Polymer beizumischen, konnten diese in geringen Konzentrationen direkt in die Polymerketten eingebaut werden. Das geschieht während der Polykondensation, also der Synthese des Kunststoffes in Reaktorkesseln. Dieser chemische Prozess ist üblicherweise so ausgelegt, dass möglichst langkettige Moleküle entstehen, die Polymere also ein hohes Molekulargewicht erhalten. Das ist eine Voraussetzung für die spätere Verspinnbarkeit des Polymergranulates zu textilen Fasern.
Doch hier liegt auch die Schwierigkeit: In großen Mengen als Additiv zugesetzt verhindern diese Phosphorverbindungen, dass lange Molekülketten entstehen können und wirken somit als Kettenabbrecher. Der resultierende Kunststoff lässt sich überhaupt nicht oder nur sehr schwer zu Fasern verarbeiten und durch Alterung und Waschvorgänge tritt das Additiv mit der Zeit aus der Faser heraus.
Neue Methode spart Phosphor-Additive
Das an den DITF entwickelte Verfahren ist eleganter: Es werden nur geringe Mengen an Phosphorverbindungen benötigt, um einen vergleichbar guten Flammschutz zu erreichen. Die Verbindungen werden chemisch an die Molekülketten gekoppelt und damit viel fester an das Polymer gebunden, als das bei Additiv-Zumischungen überhaupt möglich wäre. „Wir nennen diese Polyamide intrinsisch flammgeschützt“, erklärt Dr. Mourgas. „Das bedeutet, dass der Flammschutz direkt in das Polyamid eingebaut ist. Dadurch erzielen wir eine permanente, langanhaltende Flammschutzwirkung“.
Durch die Reduzierung der benötigten Flammschutzmittel lässt sich das erzielbare Molekulargewicht während der Synthese deutlich besser steuern. Es können genau die Viskositäten der Kunststoffschmelze eingestellt werden, die eine optimale Verspinnbarkeit des Polymers zu Fasern garantieren.
Auch die Haut wird es den Nutzern danken
Labortests wiesen bereits nach, dass der Flammschutz ebenso gut ist wie der von Polyamiden, denen Additive zugegeben wurden. Die chemische Anbindung der Flammschutzmittel an die Polymere verhindert aber darüber hinaus eine alterungsbedingte Migration und Auswaschung aus den Fasern, wie sie bei der Verwendung von Additiven beobachtet wird. Nicht nur der Flammschutz bleibt dadurch vollständig erhalten, auch die physiologische Hautverträglichkeit ist verbessert: Intrinsisch flammgeschützte Polyamide setzen nahezu keine Phosphorverbindungen frei. Hautverträglichkeitstest bewerten diese Art von Polyamiden als gut.
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