Arbeitssicherheit nachrüsten Neues Sicherheitskonzept für bestehenden Palettierer

Autor / Redakteur: Götz Fiessler / M.A. Frauke Finus

Sicherheitstechnik  Alte Anlagen sind nicht automatisch „altes Eisen“, nur weil sie nicht mehr den aktuellen Anforderungen an Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik entsprechen. Eine Modernisierung macht das alte Eisen wieder up to date.

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Ein Stapler vor einer der Aufgabestationen in der Produktion des Rohrdorfer Zementwerks.
Ein Stapler vor einer der Aufgabestationen in der Produktion des Rohrdorfer Zementwerks.
(Bild: Fiessler)
  • Wenn sich Anforderungen an die mit Maschinen und Betriebsmitteln verbundene Sicherheitstechnik weiterentwickeln, ist eine entsprechende Anpassung und Modernisierung nötig.
  • Für die Zugangsabsicherung von Anlagen stellen Sicherheitslichtgitter eine gute Realisierung dar.
  • Sicherheitslichtgitter können so ausgelegt werden, dass sie zwischen Personen und beispielsweise Gabelstaplern, die zur Beschickung von Anlagen eingesetzt werden, unterscheiden können.

Bei einem Retrofit werden bestehende meist älterer Maschinen und Betriebsmittel modernisiert, damit diese wieder technisch up to date weiter produzieren können. Manchmal ist die Technik gar nicht veraltet, jedoch haben sich die Anforderungen an die mit den Maschinen und Betriebsmitteln verbundene Sicherheitstechnik weiter entwickelt. Dann ist eine entsprechende Anpassung und Modernisierung nötig.

Dass Zement alles andere als eine graue Materie ist, beweist die Südbayerische Portland-Zementwerk Geb. Wiesböck & Co. GmbH, auch bekannt unter dem Namen Rohrdorfer Zementwerk, seit Jahrzehnten mit einem breiten Leistungsspektrum. Dabei achtet das Unternehmen auch auf den nachhaltige Einsatz von Ressourcen. Darum sollte eine bestehenden Anlage, die schon etwas in die Jahre gekommen war, erhalten werden und mit aktueller Arbeitssicherheit modernisiert werden. Entsprechend den neuesten Vorgaben und Normen sollte die Anlage sicherheitstechnisch auf den aktuellen Stand der Technik gebracht werden. Dafür wurde in enger Absprache zwischen Franz Stocker, Elektrotechnikleiter und Sicherheitsfachkraft beim Rohrdorfer Zementwerk, und Fiessler Elektronik aus Aichwald sowie einer externen Sicherheitsfirma ein Sicherheitskonzept erarbeitet, umgesetzt und im Anschluss durch eine entsprechende Sicherheitserklärung abgenommen.

Anlage gegen Betreten absichern

Die betreffende Anlage besteht aus zwei Palettiereinheiten, einem Hochpalettierer von Beumer, sowie einem sogenannten Verpackungspalettierer von Möllers. Grundsätzlich ist ein Palettierer ein System der Prozessautomatisierung, um automatisch Packstücke auf Ladungsträgern zusammenzufassen. Durch die gewählte Modulbauweise aus Hochpalettierer und Verpackungspalettierer konnte die Gesamtanlage an die Bedürfnisse des Rohrdorfer Zementwerks angepasst werden. So können beispielsweise Säcke mit einem Gewicht von 25 kg schonend in entsprechende Packgutformate gestapelt werden. Hierbei kommt auch eine Dehnungsfolie zum Einsatz, sodass das Packgut einfach und schnell für den späteren Transport auf Europaletten platzsparend und ladungsstabilisierend verpackt werden kann.

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Über ein Rollen- beziehungsweise Transportband werden die fertigen Gebinde an zwei Abnahmestellen bereitgestellt. Dort können die Paletten von einem Gabelstapler abgeholt werden. Für den sicherheitstechnischen Aspekt mussten bei der bestehenden Anlage drei Bereiche betrachtet werden:

  • Die Aufgabestation für Leerpaletten,
  • die Aufgabestation für die Verpackungsfolie,
  • die beiden Abnahmestationen für die Entnahme der gepackten Paletten.

Bei allen genannten Stationen besteht die Gefahr, dass Personen in die Anlage gelangen und durch bewegliche Teile beziehungsweise das Fördergut verletzt werden. Somit war die primäre Aufgabe, für das Sicherheitskonzept eine Lösung zu erarbeiten, welche die Anlage gegen Betreten absichert und dabei aber die tägliche Arbeit beim Beschicken der Anlage beziehungsweise Entnehmen der Paletten nicht behindert. Wichtig war, die Verfügbarkeit der Gesamtanlage zu gewährleisten.

Für die Zugangsabsicherung der verschiedenen Stationen wurde ein Sicherheits-Lichtgitter vom Typ ULVT 800/3 aus dem Hause Fiessler Elektronik ausgewählt. Montiert in Schutzsäulen und mit einer hohen Reichweite ausgestattet ist das Lichtgitter prädestiniert für den Einsatz in rauen Umgebungen. Damit das Sicherheits-Lichtgitter nur beim Betreten einer Person einen Stopp auslöst, aber die Beschickung mittels Gabelstapler erfolgen kann, wurde eine sogenannte Muting-Funktion für das Lichtgitter implementiert. Dies bedeutet, dass das Lichtgitter bei einer definierten Konstellation überbrückt wird, und somit der Stapler die Palette aufsetzen beziehungsweise entnehmen kann. Die Bedingungen für die zeitliche Überbrückung der Lichtgitter werden mittels der kompakten modularen Sicherheitssteuerung FMSC von Fiessler Elektronik gebildet und ausgewertet. Werden die jeweiligen Mutebedingungen für die Lichtgitter unwahr, so wird das Lichtgitter wieder aktiv und die Station ist wieder gegen das Betreten gesichert. Die jeweiligen Zustände der Stationen werden über Leuchten angezeigt. Somit weiß jeder Beschäftigte sofort über den Sicherheitszustand der Station Bescheid. Das Risiko eines unabsichtlichen Betretens der Anlage wird somit verringert. Damit eine sichere Differenzierung zwischen Mensch und Gabelstapler erfolgen kann, wurden pro Station jeweils zwei Induktionsschleifen in den Boden eingelassen.

Sichere Abschaltung der Anlage

Es sind in der Gesamtanlage vier Muting-Stationen realisiert. Der genaue Ablauf wurde wie folgt realisiert:

1.Die Lichtgitter sind mit einer Wiederanlaufsperre programmiert. Dies bedeutet, dass die Lichtvorhänge wie folgt zu quittieren sind:

a) Nach Spannungswiederkehr der Anlage

b) Nach Unterbrechung des Lichtvorhangs ohne Muting-Anforderung

2. Eine Muting-Anforderung wird dann eingeleitet, wenn:

a) die Induktionsschleife 1 vor der Induktionsschleife 2 belegt wird

b) Beide Induktionsschleifen nach Punkt a) gleichzeitig belegt sind.

3. Die Muting-Anforderung wird aufgehoben, wenn:

a) Eine der Induktionsschleifen wieder frei wird.

b) Wenn die eingestellte maximale Muting-Zeit überschritten wird. Die Mutingzeiten wurden nach Vorgabe umgesetzt und diese Zeit sollte so kurz als möglich gehalten werden.

4. Die Gesamtanlage wird über ein Sicherheitsrelais FSEM bei Bedarf abgeschaltet. Das Relais wird dabei ebenfalls mittels einem Kontakt überwacht und sollte ein Überwachungsfehler festgestellt werden, so muss dieser gesondert quittiert werden.

5. Der Zustand der Stationen wird jeweils über einen sogenannten Dreifach-Signalgeber angezeigt:

a) grün: Anlage ist betriebsbereit und Schutzbetrieb ist aktiv.

b) gelb: Lichtvorhang ist überbrückt (Muting). Stapler kann Material einbringen beziehungsweise abholen.

c) rot: Lichtvorhang wurde im aktiven Zustand unterbrochen. Lichtvorhang muss quittiert werden. Gesamtanlage muss quittiert werden.

Sollte sich also eine Person durch die „offenen Bereiche“ beziehungsweise durch die Sicherheits-Lichtgitter in den Gefahrenbereich begeben, erfolgt direkt eine sichere Abschaltung der gesamten Anlage, sodass keinerlei Verletzungsgefahr mehr besteht. Die Anlage kann erst nach entsprechender Quittierung von außen wieder in den normalen Betrieb zurückversetzt werden.

Seit dem Beginn der Produktion des Rohrdorfer Zementwerks haben sich die Anlagen und Betriebsausstattungen stark verändert. Das hier gezeigte Beispiel zeigt aber auf, dass ältere Anlagen bezüglich der Arbeitssicherheit nicht unbedingt zum „alten Eisen“ gehören müssen. Eine Nachrüstung aktueller Sicherheitstechnik ist in den meisten Fällen durchaus praktikabel und machbar.

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