Künstliche Intelligenz Roboter via App trainieren

Autor / Redakteur: Philipp Küpper / Mag. Victoria Sonnenberg

Darauf haben KMU gewartet: Roboter, die sich mittels Künstlicher Intelligenz einfach programmieren lassen. Wie ein Start-up aus Düsseldorf die Roboterprogrammierung erleichtern will, lesen Sie hier.

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Mit einer 3D-Kamera werden unterschiedliche Bauteile durch den Roboter erkannt.
Mit einer 3D-Kamera werden unterschiedliche Bauteile durch den Roboter erkannt.
(Bild: aha! Albert Haag GmbH)

Jede Produktionsumgebung ist unterschiedlich, jede Aufgabe spezifisch; also muss auch jede Kundenanwendung individuell gelöst werden. Diese Maxime hat in der Industrie zur Verbreitung maßgeschneiderter Lösungen geführt. Dass individuelle Lösungen fehleranfälliger sind als Standardkomponenten, liegt auf der Hand. Umfangreiche Tests sind zeitaufwendig und kostenintensiv und lohnen sich nur bei großen Losgrößen und langen Produktionszeiten. Die Anforderungen der Industrie nach Zuverlässigkeit und Ausfallsicherheit könnten, wie im Bereich der Hardware längst geschehen, prinzipiell auch im Bereich der Software durch Standardisierung deutlich verbessert werden.

Genau dort sieht Dr. Jonathan Balzer, CTO von Vathos Robotics, großes Potenzial durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI). Auch er ist überzeugt, dass Automatisierungslösungen an die Bedürfnisse der Kunden angepasst werden müssen. Mithilfe Künstlicher Intelligenz will Vathos jedoch die Vorteile von Standardisierung und Individualisierung verbinden. „Durch einfache Apps wollen wir die Nutzerfreundlichkeit steigern”, erklärt Balzer. Individuelle Lösungen spielen dabei aber kein Rolle. „Unsere Lösung wird mit Daten aus der spezifischen Anwendung des Kunden maßgeschneidert”, so Balzer weiter. Mit diesem Ansatz will Vathos Robotics neue Formen der Mensch-Roboter-Interaktion ermöglichen.

Zu mehr Flexibilität durch Computer Vision

Bei der flexiblen Automatisierung spielen Bildverarbeitungssysteme häufig eine große Rolle. Die Umstellung solcher Systeme setzt häufig Expertenwissen und Erfahrung voraus, da die Gegebenheiten in der Produktion möglichst detailliert modelliert werden müssen. Gerade Mittelständler beschäftigen selten Mitarbeiter, die solche Modellierungen durchführen können. Die flexible Automatisierung der Produktion bleibt daher für die meisten Unternehmen eine große Herausforderung.

„Nur wenn Roboter ihre Umgebung besser wahrnehmen können, sind wirklich autonome Entscheidungen durch Roboter möglich“, ist Balzer überzeugt.

Das Start-up aus Düsseldorf hat sich daher auf den Bereich Computer Vision spezialisiert. Auch hier wird KI mit dem Ziel eingesetzt, die Bedienung möglichst einfach zu halten. „Viele Informationen, die der Nutzer bisher händisch eingeben musste, können wir aus Daten lernen“, verspricht Balzer. Für den Nutzer bedeutet dies, dass er dem System nur noch die Daten zum Training zur Verfügung stellen muss. „Mitarbeiter validieren dann nur noch die Vorschläge unseres Systems.“ Dazu zieht Balzer den Vergleich zu Google Maps: „Sie geben Start und Ziel in der App ein und haben dann die Möglichkeit, zwischen vorgeschlagenen Routen oder Transportmitteln auszuwählen.“ So stellt sich Vathos auch die Bedienung von Robotern vor.

Kombination aus Hardware und Software

Vathos setzt dafür auf eine Kombination aus Hardware und Software. Das Funktionsprinzip der Lösung wird am Beispiel einer Pick-&-place-Anwendung erläutert. Zunächst wird eine Tiefenbildkamera benötigt. In den 3D-Bildern erkennen Algorithmen das Bauteil und dessen relative Lage zum Greifer des Roboters. Zum Training der Algorithmen wird ein CAD-Modell des jeweiligen Bauteils über die Vathos-App hochgeladen und an einen Webservice geschickt. Im Webservice werden aus dem CAD-Modell Daten erzeugt, mit denen dann tiefe neuronale Netze (Deep Learning) trainiert werden.

„Unser Webservice ist in der Lage, aus verschiedensten CAD-Formaten Trainingsdaten für unsere Algorithmen zu erzeugen”, ergänzt Balzer. Die Rechenleistung zum Trainieren des neuen Bauteils stammt je nach Wunsch des Kunden aus der Cloud oder einem leistungsfähigen Server beim Kunden. Neben der einfacheren Bedienbarkeit ergeben sich für Unternehmen daraus zwei Vorteile. Erstens werden Personalkosten reduziert, da die Umrüstung der Roboter nicht händisch, sondern durch Training neuronaler Netze erfolgt. Zweitens kann die Umrüstung bereits in der Produktionsplanung erfolgen, sodass Stillstandszeiten der Maschinen reduziert werden können.

Um Ausfallsicherheit und kurze Taktzeiten zu gewährleisten, wird in der Produktion eine kleine Recheneinheit (Edge Controller) installiert. Während der Produktion ist eine Internetverbindung somit nicht notwendig. „Unsere KI-fähige Infrastruktur ist das Ergebnis vieler Gespräche und Tests mit unseren Kunden“, berichtet Balzer. Und er fügt hinzu: „Datensicherheit und Zuverlässigkeit haben bei uns höchste Priorität.“ Wurde das Bauteil im Tiefenbild von den Algorithmen erkannt, schickt der Edge Controller die Koordinaten des Bauteils an die Robotersteuerung. Vathos API ermöglicht dabei die Kommunikation über verschiedene Standards (zum Beispiel OPC UA und HTTP). In der Robotersteuerung erfolgt dann die Planung der Bewegung und deren Übermittlung an den Roboter.

ABB hat Potential erkannt

Aktuell befindet sich die Lösung noch in der Pilotphase, ihr Potenzial ist aber bereits vielversprechend. Das hat auch der Roboterhersteller ABB erkannt und startete im Januar 2019 im Rahmen seines Industrial-AI-Accelerator-Programms ein gemeinsames Pilotprojekt mit Vathos Robotics. In der Pilotanwendung bei ABB wurde das System zur Erkennung verschiedener Bauteile auf einem Förderband eingesetzt. Der Fokus des Projektes lag auf der Vereinfachung der Umprogrammierung für den Nutzer. Diese sollten dem ABB-Roboter Flex-Picker über die Vathos-App beibringen, verschiedene, bisher unbekannte Produkte greifen zu können. Nach Abschluss des ABB-Programms Industrial AI Accelerator wurde Vathos in das ABB-Förderprogramm für Start-ups aufgenommen. Seit August 2019 arbeitet Vathos mit Syner Leap, dem globalen Innovationsscout von ABB in Schweden, an der Weiterentwicklung des Produktes zur Marktreife. Anfang 2020 soll der Eintritt in den Markt erfolgen.

Probleme der Robotik deutlich vereinfachen

Für das Team von Vathos Robotics sollen die beschriebenen Pick-&-place-Anwendungen nur der Anfang sein. „Mit unserem Ansatz lassen sich viele weitere Probleme der Robotik deutlich vereinfachen. Wir arbeiten bereits an der Vereinfachung von Kamerakalibrierung, Objektverfolgung und Qualitätskontrolle”, zählt Balzer auf. Das Team wird dafür in den kommenden Monaten deutlich vergrößert. Ein klares Ziel hat Balzer auch vor Augen: „Überall, wo Roboter vielfältige Aufgaben erledigen sollen, stößt man ohne die Fähigkeit des Sehens an Grenzen. Wir wollen als visuelles Erkennungszentrum von Robotern fungieren.“ Dafür erweitert Vathos derzeit die Kompatibilität seiner Lösung mit gängigen Roboter- und Kameraherstellern. Mittelfristig sind auch Anwendungen außerhalb der Robotik geplant. „Unsere Kernkompetenz ist es, aus 3D-Bildern Informationen zu gewinnen. Die Informationen können wir letztlich an verschiedenste Systeme weitergeben”, fasst Balzer die Zukunftspläne des Unternehmens zusammen.

* Philipp Küpper ist CEO bei der Vathos GmbH in 40231 Düsseldorf, Tel. (0 21 04) 7 76 69 43, info@vathos.net

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