Verbindungstechnik Robuste Kabel fürs Schweißen mit Elektronenstrahlen
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Vakuum, Röntgenstrahlen und Hitze: Das alles müssen Kabel von Lapp in den Elektronenstrahl-Schweißmaschinen von SST Steigerwald Strahltechnik aushalten. Trotzdem laufen die Anlagen oft Jahrzehnte ohne Ausfälle.

Meist stellt man sich Schweißen so vor: Es ist laut, Funken sprühen und es riecht verbrannt. Schweißen geht aber auch ohne diese unangenehmen Begleiterscheinungen – zum Beispiel in den Maschinen der SST Steigerwald Strahltechnik aus Maisach. Dort hört und riecht man nichts, man sieht auch nicht viel. In einer großen Kammer, in die man durch ein Fenster schauen kann, zieht ein gleißender Strich aus Licht lautlos seine Bahn. In weniger als einer Minute umrundet er die Welle einer Flugzeugturbine, auf der ein mächtiges Schaufelrad steckt. Dann verschwindet das Licht, und die Naht zwischen Welle und Rad sieht so aus wie vorher. Doch das täuscht: Die vorher lose zusammengesteckten Teile sind nun fest verbunden, geschweißt mit einem unsichtbaren Elektronenstrahl, der tief ins Metall eingedrungen ist und sogar Metallblöcke, dick wie Ziegelsteine, verbindet.
Die erste Bearbeitungsmaschine mit Elektronenstrahlen für die Industrie hatte Karl-Heinz Steigerwald 1952 vorgestellt. 1963 gründete er die Steigerwald Strahltechnik GmbH, die heute zur Global Beam Technologies AG gehört. Mit diesen Maschinen war es erstmals möglich, Werkstücke auch tief im Inneren zu schweißen und nicht nur an der Oberfläche. Karl-Heinz Steigerwald gilt als einer der Pioniere, die im Nachkriegsdeutschland mit genialen Ideen für den Wirtschaftsaufschwung sorgten – wie Oskar Lapp, der 1958 mit Ölflex die erste industriell gefertigte Steuerleitung erfand, die heute in ihren modernen Varianten auch in den Maschinen von Steigerwald eingebaut wird.
Elektronenstrahl dringt bis zu 150 Millimeter tief ins Metall
Obwohl der Elektronenstrahl bis zu 150 Millimeter tief ins Metall eindringt, ist der Wärmeeintrag minimal. Das ist wichtig bei Bauteilen, die sich durch Hitze nicht verziehen dürfen – und deshalb sieht der Schweißvorgang auch so unspektakulär aus. Das Elektronenstrahlschweißen ist oft der letzte Bearbeitungsschritt eines Bauteils, weil man keine Nachbearbeitung der Schweißnaht braucht und sich nichts verformt. Es ist vor allem in der Luft- und Raumfahrtindustrie verbreitet. „Alles, was sich in Triebwerken dreht, wird mit Elektronenstrahlen geschweißt“, erklärt Marko Wittig. Und zwar meistens mit den Maschinen aus Maisach, wie der Vertriebsmanager betont. Zwar verlassen nur etwa 15 Anlagen jedes Jahr die Werkshalle, dennoch gilt SST Steigerwald Strahltechnik als weltweiter Marktführer in dieser kleinen, aber feinen Nische.
Mittlerweile hat sich das Verfahren auch in der Automobilindustrie etabliert, dort werden unter anderem Oberflächen von Nockenwellen damit gehärtet oder Kupferteile für Elektromotoren oder Hochstromkontakte in Elektroautos verbunden. Die Kammern für die Produktion von Mikrochips sind ebenso mit Elektronenstrahlen geschweißt wie die Hohlkammern aus Niob, mit denen Forschungsinstitute wie das CERN in Genf oder das DESY in Hamburg Elementarteilchen auf nahezu Lichtgeschwindigkeit bringen. Die Anlagen von Steigerwald können nicht nur schweißen, sondern auch bohren – und das in rasender Geschwindigkeit. Bis zu 3.000 Löcher pro Sekunde schießen sie in Bleche, die als Filter etwa fürs Kunststoffrecycling verwendet werden. Das Tempo ist auch dringend nötig: So ein Filter kann 40 Millionen Löcher haben.
Schweißen und bohren in rasanter Geschwindigkeit
Trotz ihrer hohen Leistung sind die Maschinen erstaunlich robust. Manche Kunden betreiben noch Oldies aus den 1980er-Jahren, ohne große Reparaturen. Dazu tragen auch die elektrischen Verbindungssysteme bei. „Ich bin seit 32 Jahren im Unternehmen und sehe bei Kunden immer noch Maschinen von uns, die vor meiner Zeit in Betrieb gegangen sind und wo immer noch die ersten Kabel arbeiten“, sagt Wolfgang Rudolf, Leiter Technik bei Steigerwald. Das liegt vermutlich auch daran, dass Steigerwald ausschließlich Kabel von Lapp einbaut – von Ölflex-Steuerleitungen über Unitronic-Datenleitungen bis zu Steckverbindern und allerlei Zubehör. Seit wann die Zusammenarbeit zwischen Steigerwald und Lapp besteht, kann niemand mehr genau sagen – vielleicht begann sie in den 1980ern.
„Der Außendienst von Lapp hat uns überzeugt, ganz auf seine Produkte zu setzen, und wir haben es nicht bereut“, so Rudolf. Hinzu kommt, dass die Kunden von Steigerwald, darunter immer mehr Automobilhersteller, eine Liste führen mit bevorzugten Komponentenlieferanten, an die sich die Hersteller von Maschinen halten müssen. Und weil auf sehr vielen dieser Listen bei Kabeln der Name Lapp steht, ist es für Maschinenbauer wie Steigerwald der bequemste Weg, gleich überall Lapp einzubauen.
Herausforderung an die Robustheit: Kabel trotzen Hitze und Vakuum
In den Anlagen von Steigerwald müssen die Kabel einiges aushalten: erst einmal die Bewegungen der Schleppkette, die in der Regel zwei Dutzend Kabel enthält, in Ausführungen mit beweglichem Generator in der Prozesskammer auch das Doppelte. Über diese Leitungen fließt Strom zum Bewegen des Werkstücks, für Sensoren und Daten – „das ganze Spektrum des Lapp-Katalogs“, so Einkaufsleiter Markus Scherer.
Für die Kabel ist die größte Herausforderung allerdings das Vakuum, das in der Prozesskammer herrscht. Das ist notwendig, weil Luft die Elektronen sofort abbremsen würde und diese dann das Metall gar nicht erreichen könnten. Kabel mit nicht geeigneten Kunststoffmischungen gasen im Vakuum aus und werden mit der Zeit spröde. Auch Wärme müssen sie aushalten. Zwar wird es während des Betriebs in der Kammer nicht heiß, weil ohne Luft keine Wärmeleitung stattfindet, aber beim Öffnen der Kammer strömt Luft ein, die sich schlagartig erhitzt. „Wir wählen dafür gezielt Kabel mit besonders geeigneten Kunststoffmischungen aus“, sagt Scherer.
Die mehr als hundert Typen an Kabeln, Steckverbindern und Zubehörteilen, die Steigerwald regelmäßig von Lapp bezieht, beweisen dem Hersteller von Verbindungstechnik zufolge seit vielen Jahren, dass ihnen das Vakuum und die Hitze nichts anhaben können. Auch nicht die Röntgenstrahlung, die direkt auf die Kabel in der Schleppkette trifft. Sie entsteht, wenn die Elektronen wie in einem alten Röhrenfernseher mit Elektromagneten abgelenkt werden. Wittig: „Mit Kabeln von Lapp hatten wir noch nie Probleme.“ Außerhalb der Vakuumkammern sowieso nicht, wo Kabel von Lapp Schaltschränke, Bedienpulte, Motoren und Generatoren verbinden. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit wird noch lange andauern, davon ist Wolfgang Rudolf überzeugt.
* Bernd Müller ist freier Journalist
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