Silos auflösen So führen Sie interdisziplinäre Teams zum Erfolg
Wenn Experten aus verschiedenen Abteilungen zusammenarbeiten, prallen Welten aufeinander. Für Projektleiter ist das ein hartes Brett. Wie Sie die Herausforderung meistern, zeigen wir Ihnen an einem Beispiel aus der Praxis.
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Wie viele Projekte Salima Douven schon geleitet hat, das kann sie gar nicht mehr zählen. Seit fast zehn Jahren arbeitet sie bei Henkel - dem Konzern, den viele für Marken wie Persil und Weißer Riese kennen. Doch der Auftrag, der heute auf dem Schreibtisch der Direktorin für Digitalisierung landet, ist etwas Außergewöhnliches: Online-Shop für Industriekunden modernisieren. Entspricht nicht mehr den Nutzergewohnheiten. Versprechen uns Millionengewinne. Projektende in sechs Monaten. Sofort ist Douven klar: Diese Aufgabe wird ihre Abteilung nicht alleine lösen können. Hierfür muss sie zum ersten Mal in ihrer Karriere ein Team aus verschiedenen Fachdisziplinen zusammenstellen – sie braucht die besten Köpfe des Hauses.
Immer häufiger werden Führungskräfte in Zukunft vor dieser Herausforderung stehen, weiß Torsten Biemann, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Mannheim. „Entwicklungsprojekte sind heute vielschichtiger als noch vor fünf bis zehn Jahren“, erklärt der Forscher. „Die können Sie nicht mehr mit nur einem Fachbereich abarbeiten. Stattdessen brauchen Sie die Expertise aus dem gesamten Unternehmen.“ Die Lösung: Interdisziplinäre Teams - also Arbeitsgruppen aus Angestellten unterschiedlicher Abteilungen. „Diese Form der Zusammenarbeit eignet sich immer dann, wenn es nicht um Standardaufgaben geht“, unterstreicht Biemann. „Zum Beispiel für Produktentwicklungen oder Modernisierungsvorhaben.“ So wie im Fall von Douven.
Die richtigen Mitarbeiter für das Projekt gewinnen
Dabei ist der erste Schritt für Führungskräfte auch gleich der Heikelste: Die Kollegen ins Team holen ohne für Unruhe in anderen Abteilungen zu sorgen. „Das kann nur klappen, wenn Sie eine Rückendeckung durch die nächst höhere Führungsebene haben“, betont Management-Coach Barbara Liebermeister. „Holen Sie sich deshalb immer zuerst die Erlaubnis ein, auf andere Bereiche zugehen zu dürfen!“ Ansonsten droht dort eine Abfuhr. Denn: Welcher Abteilungsleiter stellt schon gerne Arbeitskräfte frei, die er eigentlich selbst braucht? „Anschließend sollten Sie sich gute Argumente für Ihre Wunschkandidaten überlegen“, rät Liebermeister. „Denken Sie aus der Perspektive der Mitarbeiter: Was springt für sie dabei raus? Gehen Sie erst auf die Leute zu, wenn Sie sich das klar gemacht haben!“
Ähnlich handhabt es auch Douven bei Henkel. Gleich zu Beginn bindet sie das Top-Management in ihr Projekt mit ein. Dann spricht sie zunächst mit den Abteilungsleitern: Wer passt vom Mindset dazu? Wer ist bereit, etwas Neues auszuprobieren? Erst jetzt geht sie auf die Mitarbeiter zu. Ihr ist es wichtig, die Pioniere mitzunehmen - diejenigen, die bereit sind, neue Wege der Zusammenarbeit zu gehen. Wenige Wochen später hat die Digitalisierungsexpertin ihr Team zusammengestellt. Gemeinsam sitzen sie heute zum Kick-off zusammen. Mit dabei sind Entwickler, Verkäufer, Techniker und Kollegen aus dem Digitalbereich. Jetzt will Douven sie auf ein gemeinsames Ziel einschwören, den Startschuss setzen.
„Das erste Meeting ist für die Zusammenarbeit in interdisziplinären Teams besonders wichtig“, sagt Wirtschaftswissenschaftler Biemann. „Hier gibt die Führungskraft dem Projekt einen Rahmen. Und das ist nicht ganz einfach: Bei Mitarbeitern aus mehreren Abteilungen hat jeder eine andere Perspektive, spricht eine eigene Sprache.“ Biemanns Tipp ist deshalb: Gleich zu Beginn Kommunikationsregeln aufstellen. Wie sprechen wir Probleme an? Wie geben wir konstruktive Kritik? Und: In welchem Turnus treffen wir uns? „Diese Fragen sollte das Team sofort klären“, rät der Forscher. „Sonst drohen früher oder später Konflikte, die die Leistungsfähigkeit der Gruppe mindern.“
„Ebenso wichtig ist ein gemeinsames Ziel, eine Identität“, fügt Management-Coach Liebermeister hinzu. „Sprechen Sie deshalb im Kick-off unbedingt darüber, wer welche Rolle hat. Machen Sie klar, dass es jeden einzelnen braucht, um das Ziel zu erreichen.“ Das schaffe eine besondere Verbindlichkeit. „Es ist wie bei einer Fußballmannschaft”, verdeutlicht Liebermeister. „Wenn jeder Spieler seine Funktion und seinen Beitrag kennt, wird er umso motivierter auf das Feld treten.”
Den Arbeitsfortschritt im Blick behalten
Kurz nach dem Beginn des Projekts entsendet Douven eine Delegation ihres Teams zu den wichtigsten Kunden. Sie soll deren Feedback zum Ist-Stand einholen: Wie nutzen die Firmen den Online-Shop? Welche Funktionen fehlen ihnen noch? Wo läuft der Bestellprozess nicht reibungsfrei? Gemeinsam priorisiert die Arbeitsgruppe anschließend die wichtigsten Anforderungen. Douven setzt auf schlanke Prozesse, will eine Start-up-Atmosphäre schaffen. Ganz bewusst geht sie deshalb heraus aus dem gewohnten Henkel-Umfeld und mietet Büroflächen im Düsseldorfer Start-up-Accelerator an - einem Gebäudekomplex mit Teambüros speziell für junge Unternehmen.
Regelmäßig trifft sich die Digitalisierungsexpertin dort zu Feedback-Terminen mir ihrem Team. Dann geht es darum, was gut gelaufen ist, wo sie nachjustieren müssen und welche Erkenntnisse sie für die nächste Arbeitsphase gewonnen haben. „Solche Gesprächsrunden sind essenziell für den Erfolg interdisziplinärer Projekte“, erklärt Coach Barbara Liebermeister. „Es ist nicht sinnvoll, wenn die Führungskraft das weitere Vorgehen von oben herab diktiert. Das sollte die Projektgruppe gemeinsam erarbeiten.“ So werde nicht nur das Team zusammengeschweißt. „Es ist auch ein wertschätzendes Zeichen an die Kollegen“, meint Liebermeister. „Sie geben ihnen die Möglichkeit, das Projekt aktiv mitzugestalten.“
Sechs Monate und viele Absprachen später ist das Team um Douven mit dem Ergebnis mehr als zufrieden: Der Online-Shop für die Industriekunden von Henkel ist neu aufgesetzt – und zwar deutlich anwenderfreundlicher als zuvor. Das beweisen die steigenden Umsatzzahlen und zahlreiche positive Rückmeldungen der Nutzer. Inzwischen sind zwei Jahre seit dem Abschluss des Projekts vergangen. Für Douven ist die Leitung interdisziplinärer Teams zum Standard geworden. Von den Erfahrungen aus ihrem ersten Auftrag profitiert sie noch immer.
* Sebastian Hofmann ist Journalist im Ressort „Job & Karriere“ bei der Vogel Communications Group
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