Produktpiraterie So gefährlich sind gefälschte Produkte für Ihr Unternehmen

Autor Melanie Krauß |

Drei von vier Maschinen- und Anlagenbauer waren schon einmal Opfer von Produktpiraterie. Doch insbesondere kleinere Unternehmen wehren sich häufig nicht dagegen. Das Gefährliche daran: im schlimmsten Fall haften sie für die gefälschten Produkte.

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Produktpiraten verursachen nicht nur finanzielle Schäden.
Produktpiraten verursachen nicht nur finanzielle Schäden.
(Bild: ©donfiore - stock.adobe.com)

Als im Frühjahr massenhaft Atemschutzmasken gebraucht wurden, reagierten sie sofort auf die Lücke im Markt – skrupellos und schneller, als viele Unternehmen das konnten. Sie waren zur Stelle, als Lieferketten plötzlich wegbrachen und nutzten die Not der Betriebe schamlos aus. Denn häufig blieb einfach nicht genug Zeit, um die Herkunft der gelieferten Teile genau zu prüfen. Damit gehören sie zu den wenigen Gewinnern der Coronapandemie: Produktpiraten.

Knapp drei von vier Unternehmen (74 %) im Maschinen- und Anlagenbau sind laut einer aktuellen VDMA-Studie von ihren Machenschaften betroffen. Die Dunkelziffer schätzt Steffen Zimmermann, Leiter des Competence Center Industrial Security beim VDMA, sogar noch höher. Dennoch reagiert knapp die Hälfte der Unternehmen (49 %) nicht, wenn sie Plagiate entdecken. Diese Quote ist unter den kleinen und mittleren Betrieben sogar noch deutlich höher. So wird nur jedes dritte KMU laut VDMA-Studie überhaupt aktiv, gerade einmal jedes zehnte leitet ein Verfahren gegen die Nachahmer ein.

Doch nicht nur die Anzahl an Plagiaten und Fälschungen ist in den letzten Jahren gestiegen. „Es sind auch immer mehr gefährliche Produkte dabei. Produkte, die minderwertig sind und dadurch ein Sicherheitsrisiko bedeuten“, warnt Christine Lacroix von der Aktion Plagiarius. Auch die VDMA-Studie fand heraus: In 57 % der Fälle besteht eine Gefahr für die Anlage. Mehr als jede dritte Fälschung (36 %) ist für den Menschen gefährlich.

Wie gehen die Fälscher vor?

Besonders gerne gefälscht werden Komponenten (64 %) oder Designs (60 %). Aber auch Ersatzteile (39 %) und sogar ganze Maschinen (36 %) sind vor den Produktpiraten nicht sicher. Getreu dem Motto: Alles was erfolgreich ist und sich gut verkaufen lässt. Ob sich etwas gut verkaufen lässt, wird dabei vorher genau geprüft. Hinweise für die Fälscher sind beispielsweise gut gefüllte Messestände oder Rankinglisten im Internet. Auch innovative Produkte oder starke Markennamen ziehen das Interesse der Fälscher an. So erinnert sich Lacroix beispielsweise an einen besonders bizzaren Fall: Taschentücher, auf denen ganz groß „Marlboro“ stand. Dass der Zigarettenhersteller gar keine Taschentücher produziert, war den Plagiatoren egal.

„Ich war lange Zeit der Auffassung, dass wir in bestimmten Bereichen kein Problem mit Fälschungen haben, zum Beispiel weil die Produkte technisch zu anspruchsvoll sind“, berichtet Ingrid Bichelmeir-Böhn. „Davon bin ich mittlerweile komplett abgerückt.“ Die Anwältin koordiniert bei Schaeffler bereits seit vielen Jahren die weltweiten Aktivitäten gegen Produkt- und Markenpiraterie. Ihre Erfahrung: „Auch wenn es abwegig klingt, dass ein bestimmtes Produkt gefälscht wird – für den Fälscher muss das nicht abwegig sein. Der will einfach Geld verdienen.“

Ihre Informationen erhalten die Produktpiraten in vielen Fällen über Reverse Engineering. Aber auch Wirtschaftsspionage oder sogenanntes Social Engineering sind keine Seltenheit. Unbedarfte Mitarbeiter können dabei ein leichtes Ziel sein. „Der Mitarbeiter ist vielleicht stolz auf ein Produkt, was in seiner Firma gerade neu entwickelt wurde“, so Lacroix. „Wird er dann angesprochen, fühlt er sich geehrt und erzählt nichts ahnend drauflos.“

Tipp: Sensibilisieren Sie Ihre Mitarbeiter für das Thema!

Auch Geschäftspartner können ein nicht zu unterschätzendes Risiko darstellen. Laut VDMA-Studie stecken hinter den Plagiaten zwar zu 72 % Wettbewerber. Doch auch Kunden (21 %), Zulieferer (17 %), Joint-Venture-Partner (2 %) und Lizenznehmer (5 %) werden gelegentlich zu Plagiateuren.

Dabei müssen die Nachahmer nicht immer unbedingt aus China kommen. „Wir haben auch sehr viele innereuropäische und deutsche Fälle“, berichtet Lacroix. „Der Deutsche würde dann nur nicht den Markennamen fälschen. Stattdessen schreibt er seinen eigenen auf das Produkt. Nach dem Motto: Schau her, was ich Tolles entwickelt habe!“

Tipp: Wählen Sie Ihre Geschäftspartner sorgfältig aus und teilen Sie nur notwendige Daten mit ihnen!

Der Vertrieb der Plagiate erfolgt dann mit Abstand am häufigsten über China (61 %). Plattformen wie Alibaba und Taobao – das „chinesische ebay“ – sind besonders beliebt bei Nachahmern. Dort werden längst nicht nur Produkte aus dem Consumer-Bereich vertrieben. Auch die Industrie, und besonders das Geschäft mit Ersatzteilen, hat hier ihren Platz gefunden. Das hat dazu geführt, dass verschiedene Unternehmen, wie beispielsweise Schaeffler, inzwischen immer enger mit solchen Plattformen kooperieren (siehe Kasten).

Tipp: Arbeiten Sie mit den Plattformen zusammen!

Allerdings ist auch Deutschland ein attraktiver Marktplatz für Plagiate: Seit Jahren liegen wir in den Befragungen des VDMA auf Platz zwei (19 %). Ein Einzelmarkt, der innerhalb der letzten beiden Jahre deutlich zugelegt hat, ist zudem Russland (2018: 5 %, 2020: 12 %). Hier brummt vor allem der Onlinehandel. „Es gibt russischsprachige Plattformen, da müssen Sie nur die Artikelnummer eingeben und kriegen Ersatzteile für alle Werkzeugmaschinen angeboten – zu einem Bruchteil des Preises“, weiß VDMA-Experte Zimmermann.

Unternehmensbeispiel

Schaeffler und die Onlineplattformen

Auch Schaeffler arbeitet mit einem Dienstleister zusammen, um gefälschte Produkte online aufzuspüren. Anschließend tritt das Unternehmen gezielt an die Plattformen wie Alibaba und Co. heran. Der Vorteil: Wer häufig erfolgreich Anträge auf Löschung von Produkten stellt, wird von den Plattformen als besonders vertrauenswürdiger Melder eingestuft. Auf diese Weise können Listings schneller und umfassender gelöscht werden.
Damit ein Antrag erfolgreich ist, müssen Sie möglichst eindeutige Belege dafür liefern, dass es sich bei dem angebotenen Produkt um eine Fälschung handelt – und dem Fälscher dadurch erst gar keinen Raum für Argumente lassen. Und hier kommt auch schon die Krux. Denn: Die Plattform muss diese Informationen an die Nachahmer weitergeben, um sie letztendlich zu überführen. Unternehmen sollten sich also gut überlegen, welche Informationen sie preisgeben. „Es gibt für uns intern Erkennungsmerkmale, die wir nicht öffentlich machen“, bestätigt auch Ingrid Bichelmeir-Böhn aus dem Global Brand Protection Team bei Schaeff ler. „Stattdessen schauen wir uns beispielsweise die Produktbilder an und suchen nach Details, die auch ein unbedarfter Betrachter sehr gut erkennen kann, wenn er sie neben ein Originalbild hält.“ Ihr Tipp dabei lautet: Achten Sie auf Kleinigkeiten!
Darüber hinaus können auch Vertriebsstrukturen, falsche Adressen oder exorbitant hohe Stückzahlen ein guter Hinweis auf Fälschungen sein. Solche Zusammenhänge lassen sich beispielsweise durch eine gezielte Auswertung von Daten erkennen – Stichwort Big Data.

Produktpiraterie verursacht nicht nur finanzielle Schäden

Der Schaden, der dem Maschinen- und Anlagenbau dadurch entsteht, ist immens. 7,6 Mrd. Euro Umsatz jährlich entgeht den Unternehmen durch dreist nachgemachte Produkte. Mit diesem Betrag könnte die Branche knapp 35.000 Arbeitsplätze sichern. Und das ist noch nicht alles. Denn neben dem finanziellen Schaden entsteht häufig auch ein Imageschaden. Beispielsweise wenn die vermeintlichen Markenprodukte nicht halten, was sie versprechen – oder schlimmer noch: Schäden verursachen.

Spätestens dann haben die Unternehmen keine andere Wahl mehr, als zu reagieren. Denn die Beweispflicht liegt dann bei ihnen. Besonders tückisch: Löst beispielsweise eine gefälschte Sicherung nicht aus und es kommt zu einem Brand in der Produktion, muss der Hersteller der Sicherung nachweisen können, dass es sich nicht um sein Originalprodukt gehandelt hat. Das gelingt nicht immer und führt im schlimmsten Fall dazu, dass er für das gefälschte Produkt geradestehen muss.

Was Sie jetzt tun können

Im folgenden Beitrag lese Sie, wie auch kleinere Unternehmen sich effektiv gegen Produktpiraten wehren können:

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