Oberflächentechnik So metallisiert man (Kunststoff)-Oberflächen umweltbewusster
Forschenden von Innovent e.V. aus Jena gelingt es jetzt, verschiedenste Kunststoffe umweltfreundlicher mit einer attraktiven Metalloberfläche zu versehen. Das steckt dahinter.

Die Metallisierung dielektrischer Oberflächen, die auch bei Kunststoffen vorliegen, ist für viele technische und dekorative Anwendungen relevant. Man denke an elektromagnetische Abschirmung von Gehäusen oder an das Interieur und Exterieur von Automobilen. Die Metallisierung von Kunststoffen kombiniert, wie es heißt, zwei Vorteile: Gewichtseinsparungen oder erhöhte Korrosionsbeständigkeit durch den Kunststoff, gepaart mit der elektrischen Leitfähigkeit respektive Ästhetik und/oder Haptik von Metalloberflächen.
Doch beim Metallisieren werden oft nicht wirklich unbedenkliche Chemikalien verwendet. Und bei der galvanischen Kunststoffmetallisierung ist mittlerweile aufgrund steigender Anforderungen an zugelassene Reagenzien (Stichwort REACH-Verordnung) ein hoher Marktbedarf an alternativen, umweltschonenden Verfahren gegeben, wie die Innovent-Experten anmerken.
Bei Kunststoffen wie Acrylnitril-Butadien-Styrol (ABS) oder Polyamid (PA) beispielsweise ist nach derzeitigem Stand der Technik ein Beizschritt in „garstiger“ Chromschwefelsäure unabdingbar, damit die Metallschicht später gut haftet. Um das zu vermeiden, hat man nun zwei alternative Metallisierungsprozesse entwickelt, die erstens an vielen dielektrischen Oberflächen (Kunststoffe, Komposite, Glas, Keramik) funktionieren, und zweitens ohne chemisches Beizen respektive ohne chromhaltige Verbindungen auskommen.
Plasma-Know-how metallisiert problemloser
Die Forschenden greifen dazu zu physikalischen Plasmen und sorgten zusätzlich für die passenden Verfahrensführungen. So gelingt die sicher haftende Anbindung von chemisch abgeschiedenen Nickelschichten an diverse Materialien mit glatten oder auch rauen Oberflächen.
Die erste Verfahrensführung (Prozess 1) betrifft eine an das Grundmaterial angepasste Plasmavorbehandlung, die zu einer Feinaufrauung der Substratoberfläche führt sowie zu einer gleichmäßigen Anbindung von Palladiumpartikeln bei der späteren nasschemischen Aktivierung, wird erklärt. An den so behandelten Oberflächen ist die chemische Nickelabscheidung möglich. Beispielsweise mit Ni-P-Elektrolyten (Nickel-Palladium) mit niedrigem oder hohem Phosphorgehalt. Der Prozess 1 lässt sich sowohl an flachen als auch an dreidimensional geformten Bauteilen durchführen.
Mit einer zweiten Verfahrensführung (Prozess 2) wird, wie es heißt, die gesamte Prozesskette vereinfacht. Zum Beispiel spart man Tauchbäder und Chemikalien ein. Auch die Prozesszeit wird damit verkürzt. Mithilfe von Atmosphärendruckplasmen werden funktionelle Palladiumpartikel erzeugt, die so direkt auf die Bauteiloberfläche abgeschieden werden. Nahtlos kann dann die chemische Nickelabscheidung im Elektrolytbad anschließen. Beendet wird der Beschichtungsvorgang mit einem Spülprozess in destilliertem Wasser. Auf zusätzliche Reduktionsmittel (Beschleunigerbäder) oder weitere Zwischenspülschritte könne verzichtet werden. Das Potenzial dieser neuen Art der Beschichtung liege aber insbesondere bei der Metallisierung von flachen beziehungsweise nur leicht gekrümmten Oberflächen, rotationssymmetrischen Bauteilen und in der lokalen respektive selektiven Metallisierung von bestimmten Bauteilarealen.
Als technische Anwendungsgebiete für beide Prozesse identifizieren die Jenaer die Bereiche Metallisierung dielektrischer Bauteile, die Erzeugung elektrischer Leitfähigkeit, von elektrisch kontaktierbaren Oberflächen. Auch die Verbesserung der elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV) und elektrostatischen Entladung (ESD) klappt damit sowie natürlich die Erzeugung dekorativer Oberflächen.
Die Haftqualität lässt keine Wünsche offen
Die Haftung der chemisch Nickelschichten zum Substrat wurde danach mit zwei Testverfahren evaluiert. Das Ganze erfolgte anhand von Gitterschnitttests nach DIN EN ISO 2409 und wurde durch Scherfestigkeitsuntersuchungen ergänzt. Zusätzliche Belastungen des Verbundes wurden im Klimawechseltest (-40 bis 80 °C) herbeigeführt, und auch dieser Einfluss auf die Scherfestigkeiten analysiert.
Dabei stellte sich heraus, dass die Haftwerte für die Kunststoffe ABS, PA6, PMMA (Acrylglas) und PEI (Polyetherimid) zwischen 30 bis 50 Megapascal liegen. Das heißt, sie befinden sich in einer ähnlichen Größenordnung wie bei gewöhnlich vernickeltem ABS (etwa 50 Megapascal). Sowohl an glatten Oberflächen als auch an mit Korundstrahlen mechanisch angerauten Substraten oder 3D-gedruckten Bauteilen haften Metallschichten nach dem neuen Verfahren gut. Die Gitterschnitttests (siehe unten) bestätigen das, mit einem Gitterschnittkennwert 0 für den Großteil der Substratmaterialien.
Auf Basis der erzielten Projektergebnisse und Prototypen wird nun eine weitere Aufskalierung der Metallisierungsprozesse für die Beschichtung von Kleinserien angestrebt. Das Projekt wurde außerdem unter dem Förderkennzeichen ZF4028635VS9 vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert.
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