Metall Spritzguss mit amorphen Metallen

Autor / Redakteur: Valeska Melde und Susanne Zinckgraf / Simone Käfer |

Durch die chaotische Struktur der metallischen Gläser oder amorphen Metalle sind bisher unmögliche Eigenschaftskombinationen möglich. Als Werkstoff im Spritzguss lassen sich mit ihnen auch Kosten sparen und Zeit gewinnen.

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Gerade wegen ihrer chaotischen Struktur bieten amorphe Metalle einige Vorteile.
Gerade wegen ihrer chaotischen Struktur bieten amorphe Metalle einige Vorteile.
(Bild: ©Pierell - stock.adobe.com)
  • Die Produktreihe Amloy von Heraeus gehört zu den amorphen Metallen. Diese Werkstoffe stehen für hohe Festigkeit und Härte bei gleichzeitig hoher Duktilität.
  • Der Werkstoffhersteller hat Amloy auch für Spritzguss optimiert und verspricht bessere Werte bei Härte, Festigkeit, Elastizität, Korrosionsverhalten und Oberflächenbeschaffenheit als bei anderen Werkstoffen.
  • Mit den serienmäßigen Einspritzgeschwindigkeiten von 1000 mm/s der Maschine von Engel sind Wanddicken von 0,6 bis 5 mm realisierbar, die durch die höheren Materialfestigkeit von Amloy möglich werden.

Zu den wohl interessantesten Materialien zählen die amorphen Metalle. Sie verleihen dem Endprodukt aufgrund ihrer inneren ungeordneten – amorphen – Struktur Eigenschaften, die sich eigentlich gegenseitig ausschließen. Dazu zählen eine sehr hohe Festigkeit und Härte bei gleichzeitig hoher Duktilität. Ihre Dichte ist geringer als die anderer Metalle und verringert so das Gewicht von Bauteilen. Die Herausforderung in der Herstellung und Verarbeitung der amorphen Metalle besteht darin, dass die Atome in der Schmelze beim Erstarren ihre amorphe Anordnung beibehalten. Das passiert ausschließlich bei extrem hohen Abkühlraten von über 1000 K/s.

Ein Werkstoffhersteller, der sich auf diesen Werkstoff spezialisiert hat, ist Heraeus. Das Unternehmen kann amorphe Metalle schmelzen und verformen, additiv fertigen und spritzgießen. Zu seinen jüngsten Entwicklungen in diesem Bereich gehören Zirkonium- und Kupfer-basierte Amloy-Legierungen. Die Werkstoffreihe ermöglicht über Spritzguss niedrige Stückkosten und eröffnet ein breites Einsatzspektrum. Amloy ist biokompatibel gemäß ISO 10993-5 und schlägt Standardmaterialien wie Titan, Edelstahl und gehärteten Edelstahl in puncto Härte mit 480 bis 580 HV5, Festigkeit, Elastizität mit 1,6 GPa, Korrosionsverhalten und Oberflächenbeschaffenheit. Im Gegensatz zu anderen Materialien ziehen sich die Härtewerte des amorphen Metalls durch den gesamten Materialkörper, anstatt von der Oberfläche zum Inneren hin abzunehmen. Mit dieser Eigenschaft ist Amloy für anspruchsvolle Anwendungen und mechanisch stark beanspruchte Komponenten geeignet, die eine hohe Zuverlässigkeit, Verschleißarmut, Kratzfestigkeit und Reproduzierbarkeit erfordern, wie etwa Zahnräder, Getriebeteile, Schraubsysteme oder Antriebswellen in der Luft- und Raumfahrt.

Amorphe Metalle im Spritzguss

Amloy wurde von Heraeus auch für den Spritzguss optimiert. Speziell dafür hat der Maschinenbauer Engel seine hydraulische Spritzgießmaschine Victory 120 weiterentwickelt, die sich vor allem auf der Einspritzseite von einer herkömmlichen Spritzgießmaschine unterscheidet. Besonderes Augenmerk hat das Unternehmen auf das gleichmäßige Aufheizen der Rohlinge gelegt. In nur einem Arbeitsschritt entstehen aus den Rohlingen zu 80 und bald auch zu 60 und 100 g in 60 bis 120 s ein oder mehrere einsatzfertige Bauteile, je nach deren Größe und Geometrie. Da die Oberflächenfeinheit Ra dieser Bauteile 0,05 µm beträgt, entfällt die manuelle Nachbearbeitung. Bei End­produkten wie Sichtteilen in der Schmuckindustrie oder medizinischen Werkzeugen, die eine spiegelnde Oberfläche benötigen, kann ein Nach- oder Weiterbearbeiten sinnvoll sein.

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Beim Spritzgießen werden die amorphen Metalle aufgeschmolzen und im flüssigen Zustand in die Form eingespritzt, in der sie erstarren. Beim MIM (Metal Injection Molding) hingegen werden Metall-Kunststoff-Pulver verarbeitet. Weitere Arbeitsschritte wie das Entbindern zum Entfernen des Kunststoffs und das Sintern sind erforderlich. Außerdem liegt beim Spritzgießen das Schwindmaß beim Abkühlen von Amloy bei < 0,5 % und ist damit um ein Vielfaches geringer als bei Stahl und Titan im MIM-Verfahren. Das erhöht die Reproduzierbarkeit. Damit zeigt das Spritzgießen amorpher Metalle gegenüber herkömmlichen Metall-Spritzgießverfahren wie MIM und Metallbearbeitungsverfahren wie dem zeit­intensiven CNC mehrere Vorteile auf. Zusätzlich entsteht weniger Abfall.

Gesamtzykluszeiten und Energiebedarf reduziert

Die Materialkomposition und der vollautomatisierte Fertigungsprozess vom Aufschmelzen über den dynamisch geregelten Einspritzvorgang führen zu einer bis 70 % reduzierten Zykluszeit gegenüber früheren Lösungen für das Spritzgießen amorpher Metalle. Die benötigte Heizleistung reduziert sich um 40 bis 60 %. Das steigert die Kosteneffizienz beim Spritzgießen dieser Werkstoffe deutlich. Die von Engel entwickelte Spritzgießmaschine erreicht serienmäßig Einspritzgeschwindigkeiten von 1000 mm/s, wodurch Wanddicken von 0,6 bis 5 mm realisierbar sind, die die höheren Materialfestigkeiten von Amloy ausnutzen.

Amorphe Metalle Amorphe Metalle sind eingefrorene Schmelzen von Metalllegierungen. Ihre Atomverteilung weist eine ungeordnete, nicht kristalline Struktur auf, die der von Glas ähnelt. Daher spricht man auch von metallischen Gläsern. Die amorphe (ungeordnete) Struktur im Festzustand macht sie extrem hart und zugleich hochelastisch. Sie besitzen ein sehr gutes Rückstellverhalten, sind äußerst korrosionsbeständig und schockabsorbierend. Mit dieser Kombination von Eigenschaften sind amorphe Metalle unter anderem Stahl und Titan überlegen. Einsatzfelder sind bruchsichere und leichtere Gehäuse von Smartphones, schärfere und langlebige Skalpelle und minimalinvasive Instrumente, stabile Federungen und verschleißfeste Antriebsteile im Bereich Mobility, Schmuck und abriebfeste Uhrwerksbauteile oder auch Golfschläger, Skier und Snowboards.

Bereits im Vorfeld des Herstellungsprozesses lassen sich durch Simulation Zeit und Kosten sparen. Heraeus simuliert beispielsweise das Fließverhalten der amorphen Metalle beim Spritzgießen und analysiert vorab, ob das Fertigungsverfahren für das spezifische Bauteil geeignet ist und welche Optimierungen am Design von Bauteil und Spritzgusswerkzeug machbar sind.

Legierungen mit Titan, Platin und Palladium in Entwicklung

Amloy-Legierungen eignen sich vor allem für mechanisch stark beanspruchte Präzisionsbauteile und sehr hochwertige Dekor­elemente in den Bereichen Automobil, Luft- und Raumfahrt, Medizintechnik, Industrie, Lifestyle und Elektronik. Sie substituieren in diesen Anwendungen Stahl, Titan oder technische Kunststoffe, die nach der Spritzgießverarbeitung in einem weiteren Arbeitsschritt verchromt werden. Alle Amloy-­Materialien und die Spritzgießmaschinen werden lizenzfrei angeboten.

Derzeit arbeitet Heraeus an weiteren Amloy-Legierungen auf Basis von Titan, Palladium und Platin. Mit Titan werden Bauteile aus Amloy nochmals leichter, was für Anwendungen in der Luft- und Raumfahrt weitere Vorteile bringt. Zudem ist Titan bereits als Werkstoff für medizinische Komponenten anerkannt, etwa für kleinere Knochen­implantate, dynamische Schraubsysteme oder implantierbare Gehäuse, beispielsweise für Herzschrittmacher oder Pumpsysteme. Amloy-Legierungen auf Platinbasis sind für die Schmuckindustrie interessant, weil reines Platin sehr weich ist. Die amorphe Legierung erhöht seine Kratzfestigkeit. Palladium macht die Zirkonium-basierte Legierung duktiler, das heißt sie ist leichter umformbar, lässt sich leichter walzen.

Der Palladiumanteil beträgt heute 5 %. Ziel ist es, diesen Anteil zu senken und die Fähigkeit zu erhöhen, amorphe Strukturen zu bilden.

* Valeska Melde ist Marketing Manager bei Heraeus in 63450 Hanau; Susanne Zinckgraf ist Manager Public Relations bei Engel in 4311 Schwertberg (Österreich)

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