Präzisionsfertigung Vollautomatische Einzelstückfertigung

Autor / Redakteur: Klaus Vollrath / Victoria Sonnenberg

Die Hersteller von Präzisionsteilen in kleinen Stückzahlen spüren heute zunehmenden Wettbewerbsdruck insbesondere aus Fernost. Ein Hersteller von Präzisionsbauteilen hat mit einer Fertigungszelle mit Linearhandling in die Zukunft investiert.

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Die mit dem Projekt angestrebte Auslastung von 75 % mit zwei automatisierten Röders-Maschinen ist inzwischen bereits nahezu erreicht – zuvor wurden für die Realisierung der gleichen Fertigungskapazität 5 Maschinen mit einer Auslastung von 30 % benötigt.
Die mit dem Projekt angestrebte Auslastung von 75 % mit zwei automatisierten Röders-Maschinen ist inzwischen bereits nahezu erreicht – zuvor wurden für die Realisierung der gleichen Fertigungskapazität 5 Maschinen mit einer Auslastung von 30 % benötigt.
(Bild: Sprick)

Vor rund 40 Jahren startete Sprick Technologies mit klassischem Werkzeug- und Vorrichtungsbau für Anwendungen unter anderem im Druck- und Spritzguss. Bereits kurz nach der Gründung wurde eine Lehrenbohrwerkerei eingerichtet, um Anforderungen aus den Bereichen Luftfahrtindustrie und Turbinenbau abdecken zu können.

Im Laufe der Jahre verlagerte sich der Schwerpunkt der Aktivitäten zunehmend vom Formenbau in Richtung Präzisionsfertigung hochgenauer Bauteile wie zum Beispiel Lehren oder Einstellmeister für den Maschinenbau, die Hersteller von Messtechnik, die Luft- und Raumfahrt sowie zahlreiche weitere Branchen. Heute konzentriert sich das Unternehmen auf Präzisionsteile in zumeist kleinen Stückzahlen im Teilebauraum von 300 mm × 300 mm × 300 mm bei Toleranzen bis ± 2 µm sowie Oberflächenrauheiten bis zu Ra 0,2 µm. Zum Einsatz kommen Anlagen für das 5-Achs-Fräsen, das 5-Achs-Koordinatenschleifen sowie das Senk- und das Drahterodieren nebst der dafür erforderlichen Messtechnik. Bearbeitet werden Stähle – im weichen wie auch im gehärteten Zustand – sowie Aluminium und Titan.

Auslastung der Anlagen erreichte nur etwa 35 %

„Auch in unserer Marktnische bleibt der Wettbewerbsdruck enorm. Um unsere Zukunft und damit auch die Arbeitsplätze der Mitarbeiter zu sichern, müssen wir Kosten und Durchlaufzeiten reduzieren“, so Fertigungsleiter Rainer Hamm. Die Fertigung erfolgte bisher in der üblichen Weise zweischichtig auf Einzelmaschinen, die von jeweils hierauf spezialisierten Mitarbeitern bedient werden. Zwischen den Stationen wurden die Werkstücke vermessen, umgerüstet und manuell transportiert. Diese Arbeitsweise führte zu einer starken Abhängigkeit von der direkten Personalverfügbarkeit. Zudem blieben die Maschinen in der 3. Schicht beziehungsweise an arbeitsfreien Tagen ungenutzt. Die Auslastung der Anlagen erreichte nur etwa 35 %, und die Liegezeiten addierten sich zu Größenordnungen, die wirtschaftlich immer schlechter darstellbar waren. Die Platzverhältnisse in den ursprünglichen Räumlichkeiten eigneten sich leider nicht für die Unterbringung der erstrebten zukunftsfähigen, vernetzten Produktion. Deshalb entschied sich das Unternehmen zu einem Kraftakt: In einer neu gebauten, komplett klimatisierten Halle wurde eine erste Keimzelle der künftigen vollautomatisch verketteten Produktionslinie installiert. Das neue Konzept kommt mit deutlich weniger Maschinen und Stellfläche aus als bisher und soll – neben weiteren Vorteilen – eine Verbesserung der Anlagenauslastung auf 75 % ermöglichen.

Startpunkt war eine automatisierte Fertigungszelle

„Realisiert haben wir eine Komplettlösung von Röders, da uns deren Konzept vollständig überzeugt hat“, sagt Detlef Schultes, Technischer Leiter. Zu diesem Lieferanten bestand bereits vorher ein in 20 Jahren gewachsenes Vertrauensverhältnis, da man schon in den Anfangsjahren des HSC-Fräsens eine Maschine von Röders beschafft hatte. Die Zelle umfasst zwei 5-Achs-Fräsbearbeitungszentren RXP 601 DSH, ein Handlingssystem RCM von Röders für den Transport von Werkzeugen und palettierten Bauteilen sowie eine Koordinatenmessmaschine, die auch extern genutzt wird. Wesentlich für die Wahl der beiden Röders-Maschinen war die Tatsache, dass sie sich sowohl für die 5-Achs-Fräsbearbeitung als auch für das 5-Achs-Koordinatenschleifen eignen. Durch diese Doppelfunktion werden zum einen weniger Maschinen als bisher benötigt, zum anderen können die Bearbeitungsgänge in ein und derselben Aufspannung erfolgen.

Zur Ausstattung des Handlingssystems gehört ein Speicher mit Platz für 370 Fräs- und Schleifwerkzeuge sowie für 54 auf UPC-Paletten aufgespannte Werkstücke. Das ebenfalls von Röders gelieferte Jobmanagement-System RMSMain empfängt seine Aufträge vom ERP-System Beosys und optimiert das Zusammenspiel der einzelnen Einheiten innerhalb der Insel. Die NC-Programme werden in Hypermill erstellt. Die Bearbeitungszentren sind für unterschiedliche Aufgabenschwerpunkte vorgesehen und erhielten deshalb jeweils hierfür ausgelegte Spindeln. Die für die Weichbearbeitung vorgesehene Maschine hat eine Spindel mit einer Maximaldrehzahl von 24.000 min-1 und einer HSK-63F- Schnittstelle, während die zweite, vor allem für die Hartbearbeitung sowie für das Koordinatenschleifen vorgesehene Anlage mit einer schnellen Spindel (HSK 40E, 42.000 min-1) ausgerüstet wurde.

„Nach der Installation der Zelle im Mai 2018 folgte eine Hochlaufphase von lediglich einem halben Jahr, deutlich weniger als wir angenommen hatten“, erinnert sich Hamm. Als wesentlicher Punkt erwies sich vor allem die Umstellung der Arbeitsabläufe von der bisherigen manuellen Einzelmaschinen-Bedienung zum Inselbetrieb mit seinen vollautomatischen Abläufen. Früher rüstete der Bediener das Werkstück auf der Maschine ein, suchte sich die benötigten Werkzeuge heraus und speicherte diese in den internen Werkzeugwechsler ein. Anschließend wurde das Programm aufgerufen und der Prozess beobachtet, um eingreifen zu können, wenn etwas aus dem Ruder lief. Nach dem Abschluss des Jobs wurde das Werkstück abgespannt und blieb bis zur Übergabe an die nächste Station liegen, um dort dann erneut aufgespannt zu werden. Dies führte zu geringer, unbefriedigender Maschinenauslastung bei einem zugleich hohen Personalanteil von rund 80 %. Die sich addierenden Liegezeiten bedingten lange Durchlaufzeiten.

Beim neuen Konzept konzentrieren sich die Mitarbeiter dagegen auf die CAM-Programmierung und das externe Rüsten der Werkstücke, die dann hauptzeitparallel in die Zelle eingeschleust werden. Hinzu kommen die Steuerung der Zelle über den Jobmanager sowie die Werkzeugversorgung. Das gerade bei der vorherrschenden Einzelstückfertigung früher fast unumgängliche Beobachten des Prozesses kann entfallen, da bei der verwendeten CAM-Software dank entsprechender Funktionalitäten Kollisionen oder gar Crashs weitgehend vermieden werden können. Das ist auch deshalb wesentlich, weil die Zelle im 24/7-Betrieb auch nachts und am Wochenende mannlos durcharbeitet. Mittlerweile erledigen die beiden Röders-Bearbeitungszentren ein Pensum, für das früher fünf Maschinen gebraucht wurden. Ihre Auslastung liegt nur noch knapp unter den angestrebten 75 % bei einem Personalanteil in der Nähe von 50 %. Noch in der Planung ist die Einbindung weiterer Anlagen wie Senk- und Drahterodiermaschinen sowie einer Rohteilidentifikation.

„Heute können wir feststellen, dass wir sehr gut daran getan haben, für dieses Projekt die Firma Röders als Partner zu wählen“, bilanziert Schultes. Geradezu matchentscheidend sei die Tatsache, dass sowohl die Bearbeitungszentren als auch die Automation und die gesamte Software einschließlich des Jobmanagements komplett aus einer Hand stammen.

Kostenlose Fernwartung selbst bei kleineren Problemen

Bei Störungen, aber auch bei Verbesserungswünschen hat man nur einen Ansprechpartner, der alles kennt und sich um alles kümmert. Reaktionszeiten und Qualifikation des Service seien teils um Längen besser als das, was man bei anderen Anbietern erlebt habe. Besonders hilfreich sei auch die kostenlose Fernwartung beziehungsweise Unterstützung auch bei kleineren Problemen. Zudem merke man, dass Röders sich auch um Details kümmere, so beispielsweise bei der Maschinenkonzeption, denn die Bearbeitungszentren verfügen neben der Automatiktür zur Werkstückbeladung durch das Handling über eine daneben angeordnete kleine Tür, die eine hauptzeitparallele Nachbestückung mit zusätzlichen Werkzeugen ermöglicht. Angesichts der Vielzahl der benötigten Werkzeuge sei das ein merklicher Vorteil. Dies vereinfache auch die Zellenbedienung, da die Ver- und Entsorgung mit Werkzeugen zentral über das Magazin des Handlings statt traditionell über die Werkzeugwechsler der Einzelmaschinen erfolge.

Als wesentliche interne Erfahrung habe man festgestellt, dass bei einem solchen Projekt der Faktor Mensch nicht unterschätzt werden dürfe. Eine derart grundlegende Umstellung von Abläufen und Arbeitsorganisation falle nicht jedem leicht. Hilfreich war in diesem Bereich die kompetente Schulung durch die Mitarbeiter von Röders vor Ort, bei der die Mitarbeiter bei ihrem Wissenstand abgeholt wurden.

* Klaus Vollrath ist freier Fachjournalist in 4912 Aarwangen (Schweiz). Weitere Informationen: Röders GmbH in 29614 Soltau, Tel. (0 51 91) 6 03-43, hsc@roeders.de

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