Elektromotor Wie funktioniert die Auslegung eines Motors?
Die Auswahl des richtigen Motors kann Energie- und Wartungskosten senken, die Anwendung läuft mit der definierten Last und Präzision. Dafür muss das Gleichgewicht zwischen Drehmoment, Drehzahl und Trägheit bei der Motorauslegung passen. Wie das funktioniert, zeigt Thomson Industries.
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Eine optimierte Motorauswahl für Antriebsanwendungen bietet in der Regel signifikante Vorteile in puncto Leistung, Kosten und Wartung. Ein zu groß gewählter Motor kann einerseits die Aktuatoren überlasten und andererseits unnötig hohe Ausrüstungs- und Energiekosten verursachen. Ist der Motor jedoch zu klein, fehlen möglicherweise Drehmoment und Drehzahl, um eine effektive Leistung sicherzustellen.
Die erste Besonderheit bei der Motorauswahl: Es geht zunächst gar nicht um den Elektromotor selbst. Überlegungen, welcher Motortyp benötigt wird, können vergebliche Liebesmüh sein, wenn zuvor die Anforderungen der Anwendung nicht im Einzelnen ermittelt wurden. Möglicherweise legt man sich zu früh auf einen Motortyp fest und begrenzt damit unnötig die Möglichkeiten der Kosten- und Leistungsoptimierung.
Am Anfang steht die Anwendung
Zu den typischen Antriebsanwendungen zählen riemengetriebene Förderbänder, Schalttische oder Drehvorrichtungen, Roboterarme, Tore und fahrerlose Transportsysteme. Ganz gleich, wie die Anwendung aussieht – bevor Sie sich mit den Datenblättern verschiedener Motoren beschäftigen, müssen Sie die Lasten an allen Achsen bestimmen, genauso wie den benötigten Grad an Genauigkeit und Steuerbarkeit des Prozesses. Kein Mechanismus gleicht haargenau dem anderen und daher gibt es zahllose Möglichkeiten, die Motoranforderungen zu berechnen. Für einfache Systeme genügen manuelle Berechnungen und die meisten Motorenhersteller bieten für ihre Produkte praktische Auslegungstools.
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Elektrische Antriebe
Elektrische Antriebssysteme – Grundlagen und Aufbau
Ein weiterer kritischer Parameter ist die verfügbare Spannung an der Sammelschiene, denn die Spannung korreliert direkt mit hoher Drehzahl und kürzeren Arbeitstakten der Maschinen. Benötigt die Anwendung eine höhere Drehzahl als die verfügbare Spannung unterstützt, muss man auf eine alternative Wicklungs- und Läuferkonfiguration zurückgreifen.
Faktoren, die ebenfalls möglichst früh im Auswahlprozess berücksichtigt werden sollten, sind die Anordnung der Motoren sowie die verfügbare Fachkenntnis für die Auswahl und deren Implementierung. Die Anordnung ist deshalb wichtig, weil sich der Einbau an schmutz- oder temperaturbelasteten Stellen negativ auf die letztlich erreichbare Leistung auswirkt und zudem die Wartungskosten nach oben treibt. Die notwendige Fachkenntnis ist ebenso wichtig: je später eventuell benötigte externe Unterstützung hinzukommt, umso kostspieliger wird der Auswahlprozess und umso mehr Arbeitsdurchgänge müssen bis zu diesem Punkt durchlaufen werden. Alles in allem ist die Motorauswahl aber kein „Hexenwerk“ und im Folgenden erfahren Sie, über welche Kenntnisse Sie dazu verfügen müssen.
Augenmerk auf den Motor
Nachdem die anwendungstechnischen Anforderungen bezüglich Last, Genauigkeit, Spannung und weiterer Variablen abgeklärt sind, können jetzt die zu deren Erfüllung notwendigen Parameter wie Motordrehzahl, -drehmoment und -trägheit ins Auge gefasst werden. Bild 2 zeigt die Wechselbeziehung zwischen Drehmoment und Drehzahl eines Servomotors. Der Motor muss über die passende Kombination aus Drehzahl und Drehmoment verfügen, um den durch die Anforderungen definierten Arbeitspunkt zu treffen. Wenn eine Anwendung die Bewegung mit Drehzahl X und Drehmoment Y erfordert, muss der Mittelwert aus maximalem und minimalem Arbeitspunkt innerhalb der vom Motorhersteller angegebenen Dauerbetriebskurve liegen.
Bei Schrittmotoren (Bild 3) ist die Wechselwirkung zwischen Drehzahl, Drehmoment und Spannung ganz ähnlich, wenngleich Sie hier die Arbeitspunkte etwas konservativer setzen sollten. Als Faustregel gilt: Der Betriebsbereich des Schrittmotors sollte bei ungefähr dem halben Drehzahl- und Drehmoment-Maximalwert liegen, um die Genauigkeit nicht durch übersprungene Schritte zu gefährden. Hier zeigt sich ein wesentlicher Unterschied zu Servoantrieben, die der Anwender deutlich näher an die Grenzen der Betriebsbereiche bringen können. Das liegt daran, dass Servomotoren mit geschlossenen Rückführungskreisen arbeiten, um die aktuelle Motorstellung mit der Sollstellung abzugleichen und konstant zu korrigieren. Bei den meisten heute eingesetzten Schrittmotoren fehlt die Rückmeldung ausgelassener Schritte, was ein nicht zu unterschätzendes Sicherheitsrisiko darstellt. Einige der neueren Schrittmotoren und dazugehörigen Frequenzumrichter verfügen jedoch auch über eine eingebaute Rückführung oder andere Möglichkeiten, ausgelassene Schritte zu erkennen (Bild 4).
Das entscheidende Trägheitsverhältnis
Nachdem die Drehzahl- und Drehmomenteigenschaften festgelegt sind, ist der Auslegungsprozess erst dann abgeschlossen, wenn die Trägheit der Last und des Motors aufeinander angepasst wurden. Die Trägheit der Last ergibt sich aus ihrem Gewicht in Kilogramm pro Meter zum Quadrat. Die Trägheit des Motors gestaltet sich etwas komplizierter, da sie sowohl den Läufer als auch die Welle einbezieht. Glücklicherweise stellen die Motorenhersteller diese Zahl in der Regel zur Verfügung. Ist das Verhältnis zwischen Lastträgheit und Motor zu hoch beispielsweise über 10 oder 20:1, bewegt die Last den Motor anstatt umgekehrt.
Ein ungünstiges Trägheitsverhältnis ist ein gängiges Problem bei der Motorauswahl. Während es im Allgemeinen von Vorteil ist, einen möglichst kompakten Motor auszuwählen, kann die alleinige Konzentration auf Motordrehzahl und -drehmoment ohne Beachtung der Trägheitswerte zu großen Problemen führen. So kann ein Servosystem beispielsweise das zu erwartende, typisch schnelle Ansprechverhalten vermissen lassen. Es könnte über seine Zielposition hinausschießen, dann mit zu viel Kraft zurückfahren, um in mehreren ungünstig flatternden Versuchen seine Endposition anzufahren.
Wählt man andererseits einen zu groß dimensionierten Motor mit zu viel Eigenträgheit, erhält man zwar das gewünschte Ansprechverhalten, jedoch auf Kosten eines geringen Wirkungsgrads. Das heißt, es würde zu viel Energie für das Anfahren und Abbremsen des Motors aufgewendet, anstatt sie zum Bewegen der Systemlast zu nutzen. Darüber hinaus vermindert ein zu groß ausgelegter Motor die allgemeine Effizienz der Maschine und bewirkt unnötig hohe Betriebskosten. Je größer der Motor, desto höher die Kosten für Trennschalter, Kabel und die übrige Infrastruktur, was sich auf das gesamte Anwendungsdesign übertragen kann.
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Ergänzende Antriebskomponenten nötig
Nehmen wir als Beispiel ein Mehrachssystem mit einem XYZ-Portal: Wenn Sie die erste Achse mit einem zu großen Motor ausstatten und es sich hier um eine bewegliche Achse handelt, erhöhen Sie die Masse, die von den beiden anderen Achsen bewegt werden muss. Das bedeutet, Sie müssen das gesamte Portalsystem größer dimensionieren, um dieses Gewicht zu tragen.
Eine präzise Messung der Trägheit ist außerdem notwendig, um zu ermitteln, ob ergänzende Getriebe, Riemensysteme oder sonstige mechanische Eingriffe notwendig sind, um einen optimalen Motorbetrieb zu erreichen. Getriebe werden für rund die Hälfte aller Anwendungen benötigt. Das gilt insbesondere für riemenbetriebene Systeme, da Riemenantriebe eine besonders große Teilung aufweisen.
Jede Drehung der Antriebswelle erzeugt eine erheblich größere axiale Bewegung, als dies bei einem Kugelgewindetrieb der Fall ist. Während die typische Teilung eines Riemenantriebs beispielsweise 150 mm beträgt, liegt die eines vergleichbaren Kugelgewindetriebs im Bereich von 5 bis 25 mm. Je weniger Bewegung pro Motorumdrehung, umso weniger Trägheit wirkt durch das System auf den Motor. Das heißt, umso weniger wahrscheinlich wird ein Getriebe benötigt, um ein günstigeres Verhältnis zu erreichen. Die zugehörige Formel lautet:
Trägheitsverhältnis mit Getriebe = Trägheitsverhältnis ohne Getriebe / Getriebeverhältnis2
Eine genaue Berechnung der Trägheit jeder einzelnen Komponente ist der Schlüssel zur Auswahl des passenden Motors beziehungsweise der idealen Motor-Getriebe-Kombination.
Bei der Auswahl des passenden Motors sind darüber hinaus Online-Tools eine große Hilfe. Hier ist zum Beispiel das von Thomson Industries entwickelte Online-Tool Linear-Motioneering zu nennen. Es ermöglicht eine genauso schnelle wie einfache Auslegung und Auswahl von Linearantriebssystemen, inklusive exakter Anbauplanung, und bietet zudem anwenderfreundliche Bestellfunktionen. Ebenfalls von Thomson entwickelt wurde Micron-Motioneering. Damit lassen sich Planetengetriebe zusammen mit Motor und Motoradapter einfach dimensionieren und auswählen.
Smartere und effizientere Motoren
Natürlich ist auch die Motorentechnologie selbst nicht stehengeblieben. Fortschritte im Motorenwirkungsgrad und in der Elektronik verbessern die Auswahlmöglichkeiten und können bis zu einem gewissen Grad ungünstige Zusammenstellungen kompensieren. Während wir vor 10 oder 15 Jahren noch ein Trägheitsverhältnis von 5 oder 10:1 anvisiert haben, können wir uns mit den heutigen moderneren Antrieben näher an 25 oder 30:1 heranwagen. Das verdanken wir in erster Linie der hohen Geschwindigkeit der Frequenzumrichter und Rückführungsvorrichtungen, die deutlich schnellere Feinjustierungen ermöglichen als ihre Vorgänger. Wir können heute mehr Leistung mit kleineren Motoren erreichen – ein Umstand, der beim Austausch von Motoren bedacht werden sollte. Häufig werden nach wie vor Komponenten 1:1 ersetzt, ohne die potenziellen Vorteile neuer Technologie zu beachten.
Einige moderne Aktuatoren sind zum Beispiel mittlerweile inklusive vormontierter und getesteter Servomotoren erhältlich. Sie verfügen entweder über einen im hinteren Teil des Gehäuses eingebauten Antrieb oder sind auf andere Weise direkt am Motor angebaut. Diese Lösungen bieten annähernd die Leistung eines vollständigen Servosystems, wenngleich eine begrenzte Speisespannung die Geschwindigkeit geringfügig einschränken kann. Integrierte Servomotoren sparen einen Teil der Verdrahtung und vereinfachen die Einrichtung, sodass Techniker, die mit Servomotoren weniger vertraut sind, ein System erheblich schneller in Betrieb nehmen können.
Motor und Aktuator als Gesamtsystem
Die Zusammenführung der Motor- und Aktuatorauswahl vereinfacht darüber hinaus den Bestellvorgang, macht Tests nach dem Einbau weitestgehend überflüssig, erhöht die Zuverlässigkeit und reduziert den Wartungsaufwand. Damit sinken die Gesamtkosten der Anschaffung und des Betriebs eines Antriebssystems. Da vormontierte Servomotoren prinzipbedingt in ihrer Größe begrenzt sind, eignen sie sich möglicherweise nicht für Anwendungen mit höheren Anforderungen. Aber obwohl Präzisions-Linearaktuatoren mit integrierten Servomotoren eher im kompakteren Segment zu finden sind, gibt es auch immer mehr große Aktuatoren mit entsprechend großen eingebauten Servomotoren.
Mit der fortschreitenden Entwicklung wird die Motorentechnik zukünftig eine immer wichtigere Rolle bei Fertigungsstrategien spielen. Moderne Antriebe werden vermutlich internetfähig und über gängige Kommunikationsschnittstellen sowie -protokolle wie Ethernet, ProfiBus und CAN-Bus vernetzbar sein. Die Motoren werden über Anlagennetzwerke konfigurierbar sein, sodass es einfacher wird, vorhandene Anwendungen zu steuern und zu konfigurieren. Gleichzeitig entstehen neue Möglichkeiten der Visualisierung mit der Aussicht auf höhere Produktivität und kostensparende Anwendungen. MM
* Howard Horn ist Product Manager bei der Thomson Industries Inc. in 60191 Wood Dale (USA). Weitere Informationen bei der Thomson Neff GmbH in 72649 Wolfschlugen
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