Kalt- und Halbwarmumformung Zähigkeit und Festigkeit im Stahl kombiniert
Um dynamisch hochbelastete Bauteile mittels Massivumformung wettbewerbsfähig herzustellen, ist eine extrem hohe Zähigkeit und Festigkeit des Ausgangsmaterials gefordert. Ein neuartiger thermomechanischer Prozess bei der Produktion des Vormaterials ermöglicht es jetzt, die Produkteigenschaften gleichzeitig kundenspezifisch und effizient einzustellen.
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Die Kalt- und Halbwarmumformung kommt zum Einsatz, wenn hohe Anforderungen an das Endprodukt bestehen: enge geometrische Toleranzen, eine hohe Oberflächenqualität, ein gleichmäßiges sowie defektfreies Werkstoffgefüge und hervorragende Zähigkeiten und Festigkeiten. Einen entscheidenden Einfluss auf die Effizienz beim Herstellprozess und das Erreichen der Produktattribute nimmt das Ausgangsmaterial: der Stahl mit seinem Gefüge und seinem Zähigkeits- und Festigkeitsverhältnis. Marktübliche Ansätze stoßen mit den bestehenden Legierungskonzepten an ihre Grenzen: Die Produktionsverfahren schöpfen die Potenziale zur kundenindividuellen Einstellung der Werkstoffeigenschaften längst nicht aus. Zudem sind Nachbehandlungen des Produktes nach der Massivumformung erforderlich, um die Anwendungsanforderungen zu erfüllen.
Werkstoffpotenziale des Stahls nutzbar machen
Eine Möglichkeit, um die Kalt- und Halbwarmumformbarkeit, die Zähigkeit und Dauerfestigkeit von Stahlwerkstoffen zu erhöhen, ist ein neuartiger thermomechanischer Prozess in Kombination mit einer kontrollierten, beschleunigten Abkühlung bei der Produktion des Vormaterials: die Xtreme Performance Technology (XTP) von Steeltec, einem Unternehmen der Schmolz + Bickenbach-Gruppe. Mit XTP werden neue Freiheitsgrade eröffnet, um das Eigenschaftspotenzial von Standardwerkstoffen auszuschöpfen und Prozessschritte über die Wertschöpfungskette einzusparen.
Mithilfe des Verfahrens kann beispielsweise der Werkstoff 7MnB8 in unterschiedlichen Lieferzuständen produziert werden. So sind sowohl hohe Kerbschlagwerte und eine mittlere Festigkeit für die Kaltumformung als auch eine hochfeste Variante mit sehr guten Zähigkeitseigenschaften zur mechanischen Bearbeitung möglich. Ein klassisches Anwendungsbeispiel für ein kaltmassivumgeformtes Bauteil sind Kugelzapfen. Diese befinden sich in Lenkgestängen, Zug- und Druckstreben sowie Spurstangen von Kraftfahrzeugen. Das Bauteil wird auf vielfältige Weise statisch, zyklisch und dynamisch belastet. Die dynamischen Lasten sind kurze, harte Schläge, wie sie zum Beispiel vom Überfahren einer Schwelle oder eines Bordsteins herrühren können. Standardmäßig werden für die Herstellung von Kugelzapfen Einsatz- oder Vergütungsstähle verwendet. Um die Eigenschaftskombination aus hoher Zähigkeit und hoher Festigkeit zu erreichen, muss der Stahl vor der Kaltumformung weichgeglüht und zur Einstellung hoher Festigkeiten nach der Umformung anschließend erneut erwärmt und abgekühlt werden.
Produktion von Kugelzapfen zeigt Möglichkeiten zur verkürzten Prozesskette
Bei Langschaft-Kugelzapfen wird häufig der ausscheidungshärtende ferritisch-perlitische (AFP)-Stahl 30MnVS6 eingesetzt. Die aus diesem Stahl gepressten Rohlinge werden nicht mehr gehärtet beziehungsweise vergütet. Die Zähigkeit des Stahls ist allerdings deutlich geringer als die der Vergütungsstähle. Daher wird dieser Werkstoff nur bei Zapfen eingesetzt, die ausschließlich auf Zug/Druck belastet sind.
Der Vergleich mit dem 7MnB8 XTP zeigt, dass die XTP-Behandlung eine leistungsfähigere und effizientere Alternative ergibt. So eignet sich der 7MnB8 XTP für die Kaltumformung von komplexen Kugelzapfen. Er verfügt im Auslieferungszustand über eine homogen verteilte Kerbschlagarbeit bei Raumtemperatur von mehr als 150 J. Die Festigkeit liegt bei 700 MPa. Nach einer Kaltumformung weist der 7MnB8 XTP bei –40 °C eine Kerbschlagzähigkeit von mehr als 50 J/cm² auf und verfügt somit über hohe Zähigkeitsreserven. Die Festigkeiten liegen zwischen 1000 und 1100 MPa. Im Ergebnis heißt das: Bei stoßartiger und dynamischer Beanspruchung des Kugelzapfens werden mit dem 7MnB8 XTP bisher ungenutzte Zähigkeitsreserven aktiv, die zu langlebigeren und leistungsfähigeren Bauteilen führen. Zusätzliche Wärmebehandlungsprozesse werden eingespart.
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