Produktpiraterie 7 Tipps – So wehren Sie sich effektiv gegen Produktfälscher
Insbesondere kleinere Unternehmen müssen häufig tatenlos zusehen, wenn skrupellose Produktpiraten ihr Know-How rauben und ihre Produkte fälschen. Wir verraten Ihnen, wie Sie sich wehren können.
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7,6 Mrd. Euro Umsatz jährlich kosten Produktpiraten den deutschen Maschinen- und Anlagenbau. Schmerzlich genug. Doch zu diesen finanziellen Schaden, kommen zu allem Überfluss auch noch Haftungsfragen und Imageprobleme. Wer sich nicht wehrt, setzt sich oftmals einem größeren Risiko aus als zunächst angenommen. Doch was können gerade kleinere Unternehmen tun?
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Produktpiraterie
So gefährlich sind gefälschte Produkte für Ihr Unternehmen
Wie kann ich mich vor Plagiaten schützen?
In Deutschland herrscht Nachahmungsfreiheit. Das bedeutet, dass jeder Ihre Produkte nachahmen darf, solange sie nicht entsprechend geschützt sind. Die wichtigste Grundlage, um überhaupt etwas gegen Produktpiraten in der Hand zu haben, sind also Schutzrechte. Insbesondere bei technischen Produkten sollten Sie nicht nur Patent, Gebrauchsmuster und Marke anmelden, sondern auch den Designschutz nicht vergessen. Denn: „Das Prinzip der Fälscher ist meistens mehr Schein als Sein“, erklärt Christine Lacroix von der Aktion Plagiarius. „Die Frage ist häufig: Haben die überhaupt das Know-how, um wirklich ein Patent zu verletzen? Sie werden jedoch immer versuchen, ein attraktives Design eins zu eins zu übernehmen.“
Tipp 1: Sichern Sie Ihre Produkte durch Schutzrechte!
Zudem hat jeder in Deutschland das Recht, Plagiate einzusetzen. Ein Hersteller darf eine Maschine also beispielsweise nicht so bauen, dass sie stillsteht, wenn sie ein gefälschtes Ersatzteil erkennt. Stattdessen sollten sich die Unternehmen laut VDMA-Experte Steffen Zimmermann fragen, warum der Kunde sich überhaupt für das Plagiat entschieden hat. Ein Hauptargument ist oftmals der Preis – und dafür nimmt man dann auch schon mal Einbußen bei der Qualität in Kauf. „Wenn ich mir ein Ersatzteil kaufe für ein Auto, das schon zwölf Jahre alt ist, dann muss das nicht noch mal zwölf Jahre halten“, so der Leiter des Competence Center Industrial Security beim VDMA. Dieses Beispiel lässt sich auch auf die Laufzeiten von Maschinen und Anlagen übertragen.
In seinen Augen sind zwei Dinge also besonders wichtig:
- Sie sollten den Nachahmern den Preisvorteil nehmen. Beispielsweise, indem Sie zeitwertgerechte Ersatzteile anbieten.
- Sie sollten dem Kunden ein gutes Angebot machen, zum Beispiel indem Sie Ihre Produkte über eine eigene Plattform mit 24-Stunden-Lieferung anbieten.
Hinzu kommt, dass Sie es dem Kunden auch ermöglichen sollten, das Original von der Fälschung zu unterscheiden. Denn: „Ich kann dem Kunden nicht immer unterstellen, dass er aktiv ein Plagiat kauft“, so Zimmermann. „Ich muss auch denjenigen unterstützen, der ein Original erwerben möchte.“ Dabei hilft die Digitalisierung in der Lieferkette oder die Nutzung von Identifikations- und Authentizitätsmerkmalen, zum Beispiel mit Lösungen auf Basis von Data-Matrix-Codes, intelligenten RFID-Chips oder auch Blockchain-Lösungen.
Tipp 2: Bieten Sie dem Kunden ausreichend Mehrwert, sodass er sich für das Originalprodukt entscheidet! Helfen Sie ihm dabei, Plagiate zu erkennen!
Den Markt im Blick behalten
Eine weitere wichtige Maßnahme, um sich vor Produktpiraten zu schützen, ist die Marktbeobachtung. Denn die schlechte Nachricht lautet: Noch viel zu häufig werden Plagiate rein zufällig entdeckt. Sei es durch einen Mitarbeiter, der beim Surfen im Internet auf das Produkt stößt, durch die Reklamation eines Kunden oder auch beim Rundgang auf der Messe. Der erste Schritt zum Erfolg ist also, diese Prozesse zu systematisieren.
Die gute Nachricht: Inzwischen gibt es zahlreiche Dienstleister, die das für Sie übernehmen. Mithilfe von entsprechender Software durchsuchen sie das Internet weltweit, strukturiert und IT-gestützt nach Plagiaten. Wie das funktioniert, lesen Sie im folgenden Beitrag:
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Markenschutz auf Anfrage
Tipp 3: Dienstleister durchsuchen für Sie das Internet nach Plagiaten.
Auch der Zoll ist ein wichtiger strategischer Partner, wenn es darum geht, Fälschungen und Plagiate aufzuspüren. Voraussetzung: Sie müssen Schutzrechte für Ihr Produkt angemeldet haben. Stellen Sie den Zöllnern möglichst viele Informationen zur Verfügung, beispielsweise zu bestimmten Sicherheits-, Erkennungs- oder Authentifizierungsmerkmalen an Ihrem Produkt.
Auch Informationen zu typischen Lieferanten, Lieferzeiten oder Lieferwegen können dabei helfen, gefälschte Produkte aus dem Verkehr zu ziehen. „Wenn Produkte, die normalerweise über den Hamburger Hafen eintreffen, plötzlich in Rotterdam ankommen, sind das wahrscheinlich Fakes“, sagt Zimmermann.
Manche Unternehmen bieten sogar ganze Schulungen für die Zöllner an. Diese finden dann nicht immer nur in Deutschland statt, sondern beispielsweise auch bei den Zollbehörden in asiatischen oder anderen europäischen Ländern. Da die Beamten insbesondere Design- und Markenverletzungen gut erkennen können, bieten sich solche Schulungen vor allem für Unternehmen an, die davon stark betroffen sind. Patentverletzungen lassen sich auf diese Weise jedoch nur schwer erkennen.
Tipp 4: Arbeiten Sie mit dem Zoll zusammen! Nutzen Sie das Portal ZGR-Online!
Insbesondere bei den großen, etablierten Messen macht der Zoll zudem im Vorfeld einen Rundgang über das Gelände. Entdeckt er dabei Plagiate, kann er diese sofort beschlagnahmen. Einige Unternehmen bringen ergänzend dazu auch ihre eigenen Anwälte auf Messen mit. Dort sammeln sie Beweise, bevor die Plagiatoren wieder abreisen können, und melden diese dem Zoll.
Technische Möglichkeiten
Es gibt Produkte, die lassen sich ganz einfach einscannen und nachbauen. Bei komplexeren Produkten – wie beispielsweise ganzen Maschinen – ist das jedoch schwieriger. Daher nutzen Fälscher häufig Reverse Engineering. Auch das können Unternehmen ihnen zusätzlich schwer machen. So lassen sich beispielsweise schon bei der Konstruktion verschiedene Hindernisse einbauen. Diese reichen von Authentifizierungsmerkmalen bis hin zu nichtstandardisierten Teilen. Konkrete Beispiele hierfür finden Sie in folgendem Beitrag:
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Wie Sie Produkte schon bei der Konstruktion vor Fälschern schützen
Wir wurden plagiiert – was jetzt?
Ist erst einmal ein Plagiat des eigenen Produkts auf dem Markt, haben Unternehmen verschiedene Möglichkeiten. Die am häufigsten genutzte ist jedoch am wenigsten zu empfehlen: keine Maßnahmen zu ergreifen. Die Experten warnen sogar davor, einfach nur abzuwarten. Warum? Wer sich alles gefallen lässt, ist ein leichtes Opfer und ruft schnell noch weitere Plagiatoren auf den Plan. Ihre Empfehlung lautet daher: sich konsequent wehren und dadurch nach außen ein Signal schicken. Dabei kann man durchaus auch kostenbewusst vorgehen.
Der erste und wichtigste Schritt ist, Beweise zu sammeln, wenn man ein Plagiat entdeckt. Sie sollten den Nachahmer zuvor keinesfalls aufscheuchen. Denn dann wird dieser möglicherweise versuchen, alle Spuren verschwinden zu lassen. Machen Sie Screenshots und dokumentieren Sie alles, was Sie finden können. Im Idealfall kriegen Sie sogar selbst ein nachgemachtes Produkt in die Hände. Versuchen Sie nicht nur, herauszufinden, wo die Plagiate vertrieben werden, sondern auch, wer sie herstellt.
„Das A und O ist die Beweismittelgewinnung“, bestätigt auch Dr. Constantin Rehaag, Partner bei der Wirtschaftskanzlei Dentons und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz. Er empfiehlt die Zusammenarbeit mit guten Privatermittlern. Diese können beispielsweise über Cover Companies einen unauffälligen Testkauf machen. Auch die Integrität der Beweiskette ist auf diese Weise weniger angreifbar. Ein Zeuge aus dem Unternehmen muss sich etwa den folgenden Fragen stellen: Wann haben Sie das Produkt gekauft? Wo haben Sie dieses Produkt gekauft? Ist es tatsächlich dieses Produkt? War Ihr Büro immer abgeschlossen? Sind Sie sich ganz sicher?
„Da kann es dann schon an der einen oder anderen Stelle zu Wackeleien kommen“, so der Fachanwalt. Hinzu kommt: Zeugen aus dem eigenen Unternehmen werden vor Gericht von der Gegenseite gerne als die nicht unbedingt glaubwürdigsten Zeugen angegriffen. Zu Unrecht, aber: „Ein Standardargument lautet: Der arbeitet da, also wird er ja wohl sagen, was sein Arbeitgeber ihm sagt“, weiß Rehaag.
Tipp 5: Sammeln Sie so viele Beweise wie möglich!
Erst dann sollten Sie zum zweiten Schritt übergehen und die Produktpiraten kontaktieren. Die Botschaft, die Sie damit senden, lautet: „Ich sehe euch.“ Ein Anwalt kann an dieser Stelle beispielsweise eine Abmahnung mit einer Unterlassungserklärung an den Verletzer richten und sodann eine einstweilige Verfügung beantragen. Voraussetzungen auch hier:
- Sie haben Schutzrechte für Ihre Produkte angemeldet,
- Sie haben Ihre Geschäftsgeheimnisse angemessen geschützt oder
- Sie können sich auf unlauteres Verhalten des Gegners berufen.
Auch die Aktion Plagiarius kann zu diesem Zeitpunkt eine gute Möglichkeit sein, Druck auf die Nachahmer auszuüben. Gegebenenfalls lassen sie sich so bereits abschrecken.
Tipp 6: Kontaktieren Sie die Nachahmer und üben Sie Druck aus!
Wenn Sie mit der Abmahnung nicht weiterkommen, ist der nächste Schritt die einstweilige Verfügung oder die Klage. Auch strafrechtliche Maßnahmen kommen in Betracht. Spätestens jetzt benötigen Sie einen Anwalt – und zwar am besten jemanden, der auf das Thema spezialisiert ist. Ist Ihre Zivilklage erfolgreich, haben Sie nicht nur Anspruch auf Schadenersatz, sondern auch auf die Herausgabe folgender Daten:
- Wie viel wurde produziert?
- Zu welchem Preis wurden die Produkte verkauft?
- Wie viel wurde verkauft?
- An wen wurde verkauft?
Darüber hinaus können Sie gegen Ihren Gegner einen Rückruf- und Vernichtungsanspruch durchsetzen. Wie der Name schon sagt, bedeutet das: Dieser muss alle bisher verkauften Plagiate zurückrufen und zerstören. Betroffen sind davon dann jedoch nur die gewerblichen Abnehmer – nicht die Endverbraucher.
Zuletzt haben Sie noch einen Veröffentlichungsanspruch. Sie können durchsetzen, dass der Fälscher einen zuvor beantragten Text beispielsweise prominent auf seiner Webseite veröffentlichen muss. „Auch halbseitige Anzeigen in allen relevanten Tageszeitungen und Fachmedien können Teil eines solchen Urteils sein“, so Rehaag. Kurz gesagt: Der Gegner wird an den öffentlichen Pranger gestellt. Die Kosten dafür trägt er selbst.
Die Erfolgschancen vor Gericht bei einem klassischen Fälschungsfall sind hoch. „Wenn die Tat des Täters nachgewiesen wird und wenn versierte Vertreter mit guten Kenntnissen auch zu komplexen Fragen der Beweislast tätig sind, dann sollte eigentlich nicht allzu viel schiefgehen können“, sagt der Fachanwalt. Das Problem: Ein solches Gerichtsverfahren kann dauern. Zudem kostet die Prozessführung nicht nur bares Geld, sondern auch Energie und Zeit. Vor allem für kleinere Unternehmen ist das nicht leicht zu stemmen.
Doch auch dafür hat Zimmermann einen Tipp: „Man muss nicht gegen alle vorgehen.“ Als Beispiel nennt er ein Unternehmen, das zwar von zwölf Herstellern plagiiert wurde – jedoch nur sechs von ihnen verklagt hat. Bei dem Rest setzte das Unternehmen auf die abschreckende Wirkung durch die Prozesse. Um zu entscheiden, wen man verklagen will, sollte man sich die Fragen stellen: Wo sind meine Chancen auf Erfolg am größten? Wo sind meine größten Schmerzpunkte? Und wo erreiche ich die höchste Sichtbarkeit?
Tipp 7: Wählen Sie gezielt aus, wen Sie verklagen, statt gegen alle vorzugehen!
„Es ist ganz wichtig, dass Sie aus der ‚Toolbox’ die richtigen Werkzeuge für die richtigen Fälle auswählen“, rät auch Rehaag. „Der Ansatz ‚One fits all' funktioniert bei der Bekämpfung von Marken- und Produktpiraterie nicht.“ Der Experte empfiehlt Unternehmen daher, Schwerpunkte zu setzen: „Kleinere Unternehmen können zum Beispiel eher auf Grenzbeschlagnahmungen setzen. Oder sie setzen auf ein bis zwei wichtige Messen, auf denen sie dann verstärkt kontrollieren.“
Bei alldem sollte man jedoch eines nicht vergessen: Es gibt durchaus auch gute Gründe, warum ein Unternehmen nichts unternimmt, obwohl es plagiiert wird. Zum Beispiel dann, wenn ein Produkt bereits mehrere Jahre alt ist und nur noch einen kleinen Teil zum Unternehmensumsatz beiträgt. In diesem Fall ist es dann genau umgekehrt und die Unternehmen haben die Produktpiraten abgehängt. In diesem Fall heißt der beste Schutz vor Produktpiraten schlicht und ergreifend: Innovation.
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